Das LG Berlin hat festgestellt, dass das Fehlen der Zulassung nach dem FernUSG in dem vorliegenden Fall als Wettbewerbsverletzung einzustufen ist (LG Berlin Urt. v. 15.02.2022 – 102 O 42/21). Bei Online-Fitnesstrainer-Ausbildungen handelt es sich um Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG), der einer Zulassung bedarf.
In dem Fall vor dem LG Berlin hatte die Wettbewerbszentrale gegen ein Unternehmen, das im Internet Fitnesstrainer-Ausbildungen anbot, geklagt, da dieses keine Registrierung bei der staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) vorgenommen hat.
Sowohl die durch das Unternehmen angebotene Ausbildung als auch Prüfungen fanden dabei ausschließlich online statt. Zudem bewarb das Unternehmen die Überprüfung von Lernerfolgen durch ein Dozententeam mithilfe von einem „virtuellen Klassenraum“, in dem in Echtzeit Fragen im Chat gestellt oder Anrufe getätigt werden konnten.
Die Wettbewerbszentrale vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem angebotenen Online-Kurs um Fernunterricht handeln würden, der einer Zulassung nach dem FernUSG bedarf. Beim Fehlen der Zulassung handele es sich zugleich um eine unzulässige Wettbewerbshandlung.
Das beklagte Unternehmen berief sich darauf, dass der angebotene Lehrgang kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG sei, da keine Überwachung des Lernerfolgs stattfinde. Das Unternehmen bestritt, in dem hier streitgegenständlichen Markt der Fitness-Trainerausbildung tätig zu sein.
Die Wettbewerbszentrale – Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs – Frankfurt am Main nahm das Unternehmen auf Unterlassung sowie Zahlung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Die Wettbewerbszentrale mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2020 ab. Die Beklagte wies die Abmahnung mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2020 zurück. Folglich erhob die Wettbewerbszentrale Klage vor dem LG Berlin.
Das LG Berlin nahm eine wettbewerbsverletzende Handlung an, indem die Beklagte über keine Zulassung nach dem FernUSG verfügte und dennoch zulassungspflichtige Dienstleistungen anbot.
Das LG Berlin erklärt, dass es sich beim Zulassungserfordernis um eine Marktverhaltensregelung handelt. Eine solche, das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber regelnde Norm liegt vor, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt. Das geschützte Interesse wird gerade durch die Marktteilnahme, also den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt. Dabei muss zumindest auch der Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezweckt werden.
Das Fehlen der Zulassung stelle eine Verletzung der Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Hieraus folge ein Unterlassungsanspruch zugunsten der Wettbewerbszentrale sowie die Erstattung der Abmahnkosten.
Das Zulassungserfordernis soll den Verbraucher, insbesondere vor dem Hintergrund des steigenden Interesses an Fernlehrgängen, vor unzureichender Qualität beruflich verwertbarer Lehrgänge schützen. So soll beispielsweise sichergestellt werden, dass Lernende kein unzulängliches Fernlehrmaterial erhalten, dessen Lernstoffe veraltet, unsachgemäß aufgebaut oder wenig effizient sind. Dadurch werden Verbraucher vor Lehrgängen mit geringer methodischer und fachlicher Qualität, die nicht geeignet sind, das beworbene Lehrgangsziel zu erreichen geschützt und eine Mindestqualität gewährleistet.
Bei der von der Beklagten angebotenen Onlineausbildung zum Fitnesstrainer handelt es sich um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG. Fernunterricht ist demnach die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen. Die durch das Unternehmen angebotenen Schulungen finden ausschließlich online statt, sodass die vorausgesetzte räumliche Trennung vorliegt.
Das LG Berlin erklärt, dass durch das „virtuelle Klassenzimmer“ eine Überwachung des Lernerfolges stattfinde. Die Voraussetzungen der Lernerfolgskontrolle, die ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien seien, wären gesetzlich nicht näher bestimmt. Der Begriff der Überwachung des Lernerfolges ist nach Auffassung des BGH (Urt. v. 15.10.2009 – III ZR 310/08) weit auszulegen, sodass es nicht auf die tatsächliche Überwachung ankommt.
Zur Kontrolle des Lernerfolges reiche es aus, dass der Lernende durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten erhält. Demnach genüge es, dass der Lernende nach dem Vertrag das Recht hat, eine solche Kontrolle einzufordern. Daher kam es vorliegend nicht darauf an, dass die Initiative zur Kontrolle des Lernerfolgs zwingend vom Lehrenden ausgeht. Die durch das „virtuelle Klassenzimmer“ bereitgestellte Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden reiche dazu völlig aus und wurde sogar durch das Unternehmen beworben.
Online-Schulungen können durchaus Fernunterricht im Sinne des FernUSG darstellen. Dies sollte jedoch immer im Einzelfall anhand der gesetzlichen Voraussetzungen und der einschlägigen Rechtsprechung im Einzelfall anwaltlich geprüft werden.
Eine Voraussetzung im Einzelfall ist zum Beispiel die Überwachung des Lernerfolgs, welche weit auszulegen ist und schon dann besteht, wenn der Lernende sich eine solche Kontrolle, etwa durch Nachrichten im Chat oder Anrufe, einholen kann. Das Fehlen der Zulassung verstößt gegen das FernUSG und kann eine Wettbewerbsverletzung darstellen, wie der vorliegende Fall zeigt.
Das OLG Köln hatte sich ebenso mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des FernUSG auf Verträge zum „Coaching“ zu befassen gehabt (OLG Köln, Urt. v. 06.12.2023 – U 24/23). Ein Coaching unterliegt nur dann dem FernUSG, wenn eine Kontrolle durch den Lehrenden erfolge (siehe hierzu: OLG Köln Ist Coaching Fernunterricht im Sinne des FernUSG?).
Ferner hat das OLG Celle festgestellt, dass Coachingverträge ebenfalls der Zulassung für Fernlehrgänge bedürfen (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 – 3 U 85/22). Sollte diese nicht vorliegen, kann der geschlossene Vertrag nichtig sein (siehe hierzu: OLG Celle Nichtigkeit des Coachingvertrages wegen fehlender Zulassung nach dem FernUSG).
Weitere Entscheidungsbesprechungen zu ähnlichen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des FernUSG sind nachfolgend zu finden: „Coaching“.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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