Anwendbarkeit des FernUSG auf Coaching im B2B-Bereich (LG München)

Das LG München hatte sich mit der Frage der Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auf Online-Coaching im B2B-Bereich zu befassen gehabt. Das LG München nahm vorliegend eine Wirksamkeit des Coachingvertrages an und sah in dem zugrunde liegenden Streitfall keine Zulassungspflicht des Coaches nach dem FernUSG (LG München I, Urt. v. 12.02.2024 – 29 O 12157/23).

Klägerin bietet selbst Coaching an

In dem Fall vor dem LG München hat die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 20.000 Euro gegen ein Coaching-Unternehmen geltend gemacht. Das Unternehmen bot Kurse und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und Business-Aufbau an. Die Klägerin hatte ein „Coaching zum Business Aufbau“ gebucht, dessen Ziel es war, eine Facebook-Gruppe aufzubauen und eigene Angebote gewinnbringend zu verkaufen. Das Programm belief sich auf eine Dauer von 9 Monaten.

Die Klägerin hatte jedoch selbst Online-Coachings angeboten, unter anderem in ihrer Facebook-Gruppe. Das Coaching-Unternehmen hat hier also einer Unternehmerin Dienstleistungen angeboten, wodurch es sich vorliegend um ein Coaching im B2B-Bereich handelt.

Wegen fehlender Unterstützung im Rahmen eines 1:1 Coachings, teilte die Klägerin mit, den Vertrag kündigen zu wollen. Dem hielt das Unternehmen entgegen, dass dieser nicht gekündigt, sondern lediglich pausiert werden könne. Die Klägerin forderte jedoch die gezahlten 20.000 Euro zurück.

Die Klägerin berief sich vor dem LG München darauf, dass mangels einer Einigung über dessen Inhalt kein wirksamer Vertrag vorliege. Zudem führte sie an, dass der Vertrag ohnehin sittenwidrig sei, da sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einer Notsituation befand und durch unrealistische Versprechungen des Coaching-Unternehmens gelockt wurde. Zuletzt berief sie sich darauf, dass es dem Unternehmen an einer Zulassung nach dem FernUSG fehle und der Vertrag demnach unwirksam sei.

Das Unternehmen hingegen hielt an der Wirksamkeit des Vertrages fest, da es sich bei dem Online-Coaching nicht um Fernunterricht im Sinne des FernUSG handle und somit kein Zulassungserfordernis bestehe.

Keine Anwendbarkeit des FernUSG

Das LG München schließt die Anwendbarkeit des FernUSG vorliegend schon deshalb aus, da es sich bei dem Live-Coaching nicht um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG handeln würde.

Live-Coaching kein Fernunterricht im Sinne des FernUSG

Das LG München entschied, dass es sich bei dem hier vertriebenen Coaching nicht um Fernunterricht nach dem FernUSG handelt. Fernunterricht nach dem FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

In Bezug auf die räumliche Trennung hat die frühere Rechtsprechung auf die räumliche Trennung im physischen Sinne abgestellt. Dies werde jedoch dem heutigen digitalen Zeitalter nicht gerecht. Der Begriff sei daher an heutige Umstände anzupassen und in Bezug auf die zeitliche Komponente auszulegen, sodass es darauf ankommt, ob jeweiligen Inhalte synchron vermittelt werden. Hier fanden die Coachings live als Zoom-Calls statt. Diese gelten dabei immer als synchron, da das von Lehrenden Gesagte unmittelbar durch den Lernenden aufgenommen werden kann und somit keine zeitliche Trennung gegeben ist. Der Synchronität steht auch nicht entgegen, dass sie nachträglich auf der Plattform abgespielt werden können.

Nach Auffassung des LG München liegt vorliegend keine Überwachung des Lernerfolgs vor. Eine Überwachung ist grundsätzlich weit auszulegen, sodass es ausreiche, wenn der Lernende durch den Vertrag einen Anspruch auf individuelle Kontrolle durch den Lehrenden hat. Eine solche Kontrolle war in dem hier zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht vorgesehen. Die Klägerin hatte vorliegend keine Prüfungsaufgaben erledigt und keine Gelegenheit, sich bei der Geschäftsführerin rückzuversichern. Die Bereitstellung eines Netzwerks zum Austausch oder der Beantwortung von Rückfragen wird dem Erfordernis der Überwachung nicht gerecht, da die Kontrolle des Lernerfolgs nicht im Sinne einer Selbstkontrolle zu verstehen sei.

Zudem sei es unmöglich bestimmte Lernerfolge zu erzielen, wenn der Schwerpunkt, wie hier, auf dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung liegt und es sich damit um einen individuellen Fortschritt der Coachingteilnehmer handelt.

Keine Anwendung des FernUSG bei Coaching im B2B-Bereich

Das LG München entschied, dass das FernUSG auf das Coaching im B2B-Bereich keine Anwendung findet. Das FernUSG soll Verbraucher schützen und sei daher nicht auf Unternehmer anwendbar. Maßgeblich zur Bestimmung der Verbrauchereigenschaft ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Nach § 14 BGB ist ein Unternehmer jede natürliche oder juristische Person, die am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet. Die Klägerin bietet im Internet Coachings, einschließlich eigener Webinare und Live-Calls an, die dem von ihr abgeschlossenen „Coaching zum Business Aufbau“ ähnlich seien. Daher sei sie als Unternehmerin einzustufen, so dass nach der Auffassung des LG München eine Anwendung des FernUSG in diesem Streitfall nicht stattfindet.

Online-Coaching-Vertrag ist nicht sittenwidrig

Das LG München hält den hier abgeschlossenen Online-Coaching-Vertrag – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht für sittenwidrig. Ein Vertrag ist als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt.

Das LG München stellt fest, dass hier kein auffälliges Missverhältnis vorliege. Maßgeblich für dessen Feststellung ist die sogenannte „Grenze des Doppelten“, wonach die zu erbringende Leistung den Wert der Gegenleistung um mehr als 100 % übersteige. Für eine solche Annahme konnte die Klägerin vorliegend keine einschlägigen Beweise vorbringen. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in einer Zwangslage befand, mangelndes Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche aufweist. Daher liegt kein wucherähnliches Geschäft und damit keine Nichtigkeit des Vertrages vor.

Fazit und Hinweise

Die Entscheidung des LG München schließt die Anwendbarkeit des FernUSG auf B2B-Verträge in dem vorliegenden Streitfall aus. Ferner stellt es klar, dass die für das Vorliegen von Fernunterricht erforderliche räumliche Trennung zeitlich auszulegen ist. Daher handelt es sich bei synchroner Vermittlung von Inhalten nach der Auffassung des LG München nicht um Fernunterricht im Sinne des FernUSG.

Mit der Streitfrage der Anwendbarkeit des FernUSG Verträge zum Coaching im B2B-Bereich hat  sich zuvor das OLG Celle (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 – 3 U 85/22) befasst und dieses auch auf Unternehmer angewendet (siehe hierzu: Nichtigkeit des Coachingvertrages wegen fehlender Zulassung nach dem FernUSG). Vor diesem Hintergrund ist diese Entscheidung des LG München nicht unkritisch zu sehen. Es bleibt daher abzuwarten, wie andere Gerichte oder gegebenenfalls der BGH zu dieser Rechtsfrage entscheiden werden. Auch das OLG Köln (OLG Köln, Urt. v. 06.12.2023 – U 24/23) sah sich mit der Frage nach der Anwendbarkeit auf Unternehmer konfrontiert, hat diese jedoch im Ergebnis offengelassen (siehe hierzu: OLG Köln Ist Coaching Fernunterricht im Sinne des FernUSG?).  Weitere Entscheidungsbesprechungen zu ähnlichen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des FernUSG sind nachfolgend zu finden: „Coaching“.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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