Überwachung des Lernerfolgs bei Coaching-Verträgen (OLG Hamburg)

Das OLG Hamburg hatte sich zur Beantwortung der Frage der Nichtigkeit eines Coaching-Vertrages mit der Auslegung der Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolgs zu befassen gehabt (OLG Hamburg, Urt. v. 20.02.2024 – 10 U 44/23).

Coaching-Vertrag mit „Mentorings“

In dem Fall vor dem OLG Hamburg hatte ein Unternehmen Online-Lehrgänge zum Aufbau von Online-Shops angeboten. Der Beklagte schloss für rund 6.000 Euro einen sechsmonatigen Coaching-Vertrag mit dem Unternehmen, der wöchentliche „Mastermind Calls“ und 1:1 Hilfe durch das Unternehmen beinhaltete. Der Schwerpunkt des Vertrags lag auf Coachingsessions, wobei darüber hinaus auch Lern-Videos zum Selbststudium zur Verfügung gestellt wurden.

Die Beklagte erklärte den Widerruf von der ursprünglichen Vertragserklärung und berief sich auf die Nichtigkeit des Coaching-Vertrages, da es an der nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) erforderlichen Zulassung fehle. Das LG Hamburg hatte den Coaching-Vertrag als Fernunterrichtsvertrag im Sinne des FernUSG eingestuft und erklärte den Vertrag wegen der fehlenden Zulassung für unwirksam.

Das klagende Unternehmen legte gegen das Urteil des LG Hamburg (Urt. v. 19.07.2023 – 304 O 277/22) Berufung ein und stellte dabei drauf ab, dass kein Fernunterrichtsvertrag im Sinne des FernUSG vorliege. Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung des LG Hamburg legt die Klägerin Berufung zum OLG Hamburg ein.

Keine Zulassungspflicht wegen fehlender Überwachung des Lernerfolgs

Das OLG Hamburg entschied, dass es sich bei dem hier geschlossenen Coaching-Vertrag nicht um einen Vertrag im Sinne des FernUSG handelt. Danach ist Fernunterricht die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Vermittlung von Kenntnissen zweifelhaft

Das OLG Hamburg zweifelte hier bereits an der Vermittlung von Kenntnissen durch das vertriebene Coaching. Der Vertragsinhalt belief sich hier darauf, dass die Beklagte anschließend eigenständig in der Lage sei einen Online-Shop aufzubauen. Sofern dem Vertrag individuelle und persönliche Beratung und Begleitung zugrunde liegen, handelt es sich nicht um eine Grundlage zur entgeltlichen Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne des FernUSG. Dies setzt vielmehr die Vermittlung von systematisch didaktisch aufbereitetem Lernstoff und bestimmtem, abgegrenzten Wissen voraus. Hier ging es gerade nicht darum, Wissen zu vermitteln, sondern lediglich Materialien bereitzustellen, aus denen sich der Beklagte relevante Informationen heraussuchen kann, um schließlich selbstständig einen Online-Shop aufzubauen.

Keine vertragliche Vereinbarung zur Überwachung des Lernerfolgs

Das OLG Hamburg entschied, dass sich aus dem hier geschlossenen Coaching-Vertrag keine Verpflichtung des Unternehmens zur Überwachung des Lernerfolgs ergibt. Laut BGH (Urt. v. 15.10.2009 – III ZR 310/08) ist die Überwachung des Lernerfolgs weit auszulegen, um den Verbraucherschutz der Lernenden zu verstärken. Dazu soll es bereits ausreichen, dass der Lernende das Recht hat, den Lernerfolg durch den Lehrenden kontrollieren zu lassen.

Vertraglich geschuldet war hier lediglich das „zur Verfügung stehen“ im Rahmen des „Mentorings“. Die Gelegenheit des Beklagten, Fragen zu stellen, ist gerade keine Kontrolle des Lernerfolges. Dies entspricht dem Wortsinn des „Überwachens“ (vgl. Wortbedeutung Überwachung) und kann nicht auf Fälle der Möglichkeit Fragen zu stellen ausgedehnt werden. Hier wurde kein Vertrag über ein Studium oder Lehrgang geschlossen und die Beklagte sollte im Anschluss auch kein Zertifikat erhalten. Die bloße Verwendung der Begriffe „Coaching“ und „Mentoring“ lässt nicht auf eine Kontrolle des Lernerfolgs schließen. Hier ist die Überwachung des Lernerfolges daher keine, für die Einstufung als Fernunterricht vorausgesetzte, vertraglich geschuldete Leistung.

Fazit und Hinweise

Um Coachings als Fernunterricht im Sinne des FernUSG einzustufen, bedarf es der Überwachung des Lernerfolgs. Dazu muss sich aus dem Vertrag eine Verpflichtung des Unternehmens zur Kontrolle ergeben. Hierbei reicht es aus, dass der Lernende das Recht hat, sich diese Kontrolle einzuholen. Die bloße Möglichkeit Fragen zu stellen, genügt dieser Anforderung jedoch nicht, sodass im vorliegenden Streitfall kein Vertrag im Sinne des FernUSG vorliegt.

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Coaching-Verträge die Voraussetzungen des Fernunterrichts im Sinne des FernUSG erfüllen, hat sich zuvor das OLG Köln (OLG Köln, Urt. v. 06.12.2023 – U 24/23) beschäftigt (siehe hierzu: OLG Köln Ist Coaching Fernunterricht im Sinne des FernUSG?). Auch das OLG Celle (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 – 3 U 85/22) befasste sich mit der Frage der Nichtigkeit eines Coaching-Vertrages wegen fehlender Zulassung (siehe hierzu: OLG Celle Nichtigkeit des Coachingvertrages wegen fehlender Zulassung nach dem FernUSG). Weitere Entscheidungsbesprechungen zu ähnlichen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des FernUSG sind nachfolgend zu finden: „Coaching“.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt berichtet über Urteil des OLG Hamburg zur Überwachung des Lernerfolgs bei Coaching-Verträgen.

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