Das LG Magdeburg hatte mit der Frage der Nachprüfungsrechte des Versicherers bei irrtümlicher Beurteilung der Berufsunfähigkeit im Leistungsfall zu befassen (LG Magdeburg, Urt. v. 07.12.2023 – 11 O 35/21).
Im Fall vor dem Landgericht Magdeburg machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche aus einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag geltend.
Die Versicherungsnehmerin übte eine Tätigkeit als Offiziersanwärterin aus. Im Rahmen dieser Ausbildung erlitt die Versicherungsnehmerin eine Verletzung. Diese Verletzung war Auslöser für ein Borderline-Syndrom mit Selbstverletzungstendenzen, Konzentrationsstörungen und weitergehender Antriebslosigkeit sowie emotionaler Instabilität. Die Versicherungsnehmerin konnte damit den an ihren vorgesehenen Dienstgrad gestellten Anforderungen als Truppenoffizier nicht mehr gerecht werden. Die fehlende Verwendungsfähigkeit infolge der Dienstunfähigkeit führte schließlich zu ihrer Entlassung.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung erkannte den Leistungsantrag der Versicherungsnehmerin an (siehe auch: Berufsunfähigkeit beantragen). Allerdings wurden die Leistungen jedoch später im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens eingestellt. Im Rahmen der Nachprüfung nahm die Versicherung nämlich eine nervenärztlich-psychiatrische Begutachtung der Versicherungsnehmerin vor. Diese stellte fest, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls keine Berufsunfähigkeit mehr vorläge.
Die Versicherungsnehmerin beruft sich darauf, dass keine zur Leistungseinstellung berechtigenden Umstände vorliegen und verlangt weiterhin Zahlung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente. Die Versicherung hält die Leistungseinstellung hingegen aufgrund der Verbesserung des Gesundheitszustands der Versicherungsnehmerin für rechtmäßig.
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Das LG Magdeburg hat entschieden, dass der Versicherer weiterhin an sein Leistungsanerkenntnis gebunden ist und nicht zur Leistungseinstellung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens berechtigt war. Demnach steht der Versicherungsnehmerin weiterhin ein Anspruch auf Zahlung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente zu.
Der Versicherer ist lediglich berechtigt, im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit zu prüfen. Für die zwischenzeitliche Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten obliegt dem Versicherer der Darlegungs- und Beweislast.
Sollte die Berufsunfähigkeit entfallen sein, entfällt auch die Leistungspflicht des Versicherers. Dies erfordert jedoch, dass sich der Grad der Berufsunfähigkeit auf weniger als 50 % gemindert hat (siehe hierzu: Die Bemessung des BU-Grades in der Berufsunfähigkeitsversicherung). Dies ergibt sich regelmäßig aus den Versicherungsbedingungen. Der Zustand muss sich also derart verbessert haben, dass dies zu relevanten Auswirkungen auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der Versicherungsnehmerin geführt hat.
Das LG Magdeburg konnte nicht eindeutig feststellen, dass eine relevante Besserung des Gesundheitszustands der Versicherungsnehmerin eingetreten ist. Jedoch konnte im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens des Versicherers festgestellt werden, dass der Grad der Berufsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin unter 50% lag.
Allerdings wird der Vergleichsmaßstab durch den Zustand gebildet, der dem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit der Versicherungsnehmerin durch den Versicherer zugrunde liegt. Dieser kann hier rückwirkend nicht eindeutig zugeordnet werden. Die Versicherungsnehmerin war bereits vor ihrer Entlassung und damit vor ihrem Leistungsantrag aufgrund ihres akut psychischen Zustands in stationärer Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus. Zwar zeigen Berichte, dass sich ihr Zustand währenddessen stabilisiert hat. Jedoch ging aus der Befundlage nicht hervor, in welchem Zustand die Versicherungsnehmerin konkret entlassen wurde.
Das LG Magdeburg verweist darauf, dass der Versicherer mit der Anerkennung der Leistungen das zum Beanspruchungszeitpunkt bestehende Vorliegen der Berufsunfähigkeit bestätigt. Davon kann sich auch bei irrtümlicher Beurteilung der Berufsunfähigkeit nicht rückwirkend gelöst werden (siehe hierzu KG Berlin Einstellung einer BU-Rente im Nachprüfungsverfahren). Das LG Magdeburg stellt zudem fest, dass die Anerkennung der Berufsunfähigkeit durch den Versicherungsnehmer nicht der vorherigen genauen Bemessung des BU-Grades bedarf.
Die Entscheidung des LG Magdeburg verdeutlicht die Praxisrelevanz des Nachprüfungsrecht des Versicherers und zeigt, dass dies häufig Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen ist. Die Nachprüfung dient jedoch nicht der Korrektur von Fehleinschätzungen des Versicherers bei der Leistungsanerkennung. Auch bei irrtümlicher Beurteilung der Berufsunfähigkeit und einer hierauf basierenden Anerkennung der Leistungspflicht, lässt sich dies nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens korrigieren. Daher ist es durchaus sinnvoll, sich bei einer Leistungseinstellung von einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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