Der BGH hatte mit seinem Urteil vom 24.11.2010 (Az: IV ZR 252/08) zu entscheiden, ob in einer fehlenden Reaktion auf falsche Angaben im Versicherungsschein eine arglistige Täuschung durch Unterlassen gesehen werden kann.
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die er in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung abgeschlossen hatte. Den entsprechenden Antrag hatte der Versicherungsnehmer mit einem Versicherungsagenten des Versicherers ausgefüllt. Nachdem der Versicherungsnehmer den Antrag unterzeichnet hatte und dem Versicherer übersandt hatte, übersandte dieser dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschein. Zusätzlich verlangte der Versicherer von dem Versicherungsnehmer, mit seinem „Policebegleitschreiben“ die beigefügten Unterlagen zu überprüfen und ihn „bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben“ über diese zu informieren.
Unter anderem enthielten die beigefügten Unterlagen auch eine Anlage, die „Angaben zur versicherten Person“ enthielt. Die Anlage enthielt Fragen zum Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers, die er bei der Antragsstellung beantwortet hatte. Die Frage: „Sind Sie in den letzten fünf Jahren ärztlich untersucht, beraten oder behandelt worden?“ hatte der Versicherungsnehmer mit „ja“ beantwortet. Er gab zusätzlich an, dass es sich bei der Behandlung lediglich um eine Routineuntersuchung durch den Hausarzt gehandelt habe. Verneint hatte er die Frage: „Bestehen oder bestanden in den letzten zehn Jahren Beschwerden oder Krankheiten (z.B. … Wirbelsäule …) …?“
Nachfolgend begehrte der Versicherungsnehmer Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (siehe hierzu auch: Berufsunfähigkeit beantragen). Im Zuge der Überprüfung des Leistungsantrags holt der Versicherer ärztliche Auskünfte ein. Der Hausarzt des Versicherungsnehmers informierte den Versicherer darüber, dass sich der Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrags in den letzten fünf Jahren mehrmals wegen Rückenschmerzen und Lumbalgien bei ihm in Behandlung begeben hatte. Daraufhin erklärte der Versicherer die Anfechtung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung aufgrund arglistiger Täuschung. Grundlage dafür sei das Verschweigen der vorherigen Behandlungen durch den Hausarzt.
Der Versicherungsnehmer gab daraufhin an, dass der Versicherungsagent ihm das Antragsformular lediglich zur Unterzeichnung vorgelegt habe und keine Gesundheitsfragen gestellt habe. Alle Angaben bezüglich des Gesundheitszustands habe der Versicherungsagent ausgefüllt und die Angaben aus einem älteren Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers abgeschrieben.
Die Klage des Versicherungsnehmers auf Leistung aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wurde von allen vorinstanzlichen Gerichten abgewiesen. Dagegen richtete sich die Revision des Versicherungsnehmers vor dem Bundesgerichtshof.
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Der Bundesgerichtshof hob die vorinstanzlichen Urteile auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Naumburg.
Der Bundesgerichtshof stellte zunächst fest, dass in der fehlenden Reaktion des Versicherungsnehmers auf die Aufforderung des Versicherers, unrichtige Angaben zu korrigieren, keine arglistige Täuschung durch Unterlassen gesehen werden kann. Eine arglistige Täuschung könne angenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer falsche Tatsachen vorspiegele oder wahre Tatsachen zur Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums verschweige. Dabei müsse der Versicherungsnehmer vorsätzlich, bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers eingewirkt haben. Allein der Umstand einer unrichtigen Beantwortung einer Frage im Versicherungsantrag reiche nicht aus, um eine arglistige Täuschung nachzuweisen. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine falsche Beantwortung einer Antragsfrage schon immer dazu bestimmt sei, auf den Willen des Versicherers einzuwirken. Um dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung nachzuweisen, müsse feststehen, dass dieser erkennt und billigt, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Antrag nicht oder nur unter anderen Konditionen angenommen hätte.
Der Versicherungsnehmer habe nach Erhalt des „Policenbegleitschreiben“ auf die Entscheidung des Versicherers keinen Einfluss mehr nehmen können, da der Versicherer bereits alles Erforderliche für das Zustandekommen des Vertrags getan habe. Der Bundesgerichtshof führte fort, dass der Vertrag nach Vorgaben des Versicherers bei Ausbeleiben eines Widerspruchs des Versicherungsnehmers binnen eines Monats als geschlossen gelte. Im Zuge dessen habe der Versicherungsnehmer nach Übersendung des Versicherungsscheins keine für den Vertrag wesentliche Willenserklärung mehr abzugeben. Folglich liege in der fehlenden Reaktion des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsschein auch keine arglistige Täuschung durch Unterlassen.
Es könne durch die vorliegenden Angaben gerade nicht festgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer bei der Bearbeitung des Antrags mit dem Versicherungsagenten falsche Angaben gemacht habe. Daher könne auch nicht von einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit (siehe hierzu Die vorvertragliche Anzeigepflicht) ausgegangen werden. Der Bundesgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die objektiv falsch beantworteten Fragen im Versicherungsantrag noch nicht dem Nachweis einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung genügen. Um eine arglistige Täuschung nachzuweisen, müsse der Versicherer beweisen, dass der Versicherungsagent dem Versicherungsnehmer die Fragen zur eigenmächtigen Beantwortung vorgelesen habe. Darüber habe das Oberlandesgericht Naumburg nach erneuter Prüfung zu entscheiden.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass in der vorliegenden Sache in der fehlenden Reaktion auf falsche Angaben im Versicherungsschein keine arglistige Täuschung durch Unterlassen gesehen werden kann. Zudem betont der BGH auch, dass nicht bei jeder objektiven Falschangabe von einer arglistigen Täuschung ausgegangen werden kann.
Beruft sich der Versicherer daher auf eine Befreiung von der Leistungspflicht aufgrund arglistiger Täuschung durch Unterlassen, so kann die Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht durchaus sinnvoll sein. Gerne unterstützt Sie dabei auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weitere Informationen unter: Die Anfechtung des Versicherungsvertrages
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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