Arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrags (BGH)

Der BGH hatte mit seinem Urteil vom 08.10.1964 (Az: II ZR 35/62) zu entscheiden, wann eine arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrags vorliegt.

Anfechtung der Deckungszusage

Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer kam es zunächst zu Vertragsverhandlungen über eine Versicherung von 1000 betriebenen Kaugummi- und Bilderautomaten des Versicherungsnehmers. Die Vertragsverhandlungen wurden für die Versicherungsnehmerin durch eine Büroangestellte geführt. Den Antrag füllte der Vertreter des Versicherers für die Büroangestellte aus, die diesen anschließend unterzeichnete. Der Antrag unterhielt unter anderem folgende Fragen, die wie folgt beantwortet wurden:

„4

  1. Hat der Antragssteller für die im Antrag genannten Automaten bereits Versicherungen beantragt oder abgeschlossen? … nein
  2. Wurden diese oder eine anderer Automaten-Versicherung von einer Gesellschaft gekündigt oder Anträge für solche Versicherungen abgelehnt? … nein
  3. Sind auf die im Antrag genannten Automaten bereits Schäden entfallen? … nein“

Am darauffolgenden Tag beabsichtigte der Vertreter des Versicherers dem Versicherungsnehmer die Deckungszusage für die fragliche Versicherung zu überreichen. Dabei kam es erneut zu einem Gespräch zwischen dem Vertreter des Versicherers und der Büroangestellten der Versicherungsnehmerin. Dabei teilte die Büroangestellte dem Vertreter mit, dass zunächst nur 569 Automaten versichert werden sollten und die weiteren Automaten noch nicht in Betrieb genommen waren und erst nach deren Inbetriebnahme versichert werden sollten. Der Vertreter des Versicherers füllte daraufhin im Büro der Versicherungsnehmerin einen neuen Antrag aus, der bis auf die Änderung bezüglich der Summe der zu versichernden Automaten identisch war. Der Antrag wurde durch die Versicherungsnehmerin persönlich unterzeichnet. Der Versicherer erteilte der Versicherungsnehmerin daraufhin eine Deckungszusage bis zum Erhalt des Versicherungsscheins.

Einige Wochen später erklärte der Versicherer die Anfechtung dieser Deckungszusage. Er begründete die Anfechtung damit, dass eine arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrags vorgelegen habe. Die Versicherungsnehmerin habe arglistig über die Antworten der gestellten Fragen getäuscht. Zudem erklärte der Versicherer vorsorglich den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Die Versicherungsnehmerin wies den Vorwurf der arglistigen Täuschung bei Stellung des Versicherungsantrags jedoch zurück und begehrte daraufhin die Erstattung der Schäden, die im Zeitraum der Deckungszusage entstanden waren.

Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage der Versicherungsnehmerin ab und auch die hiergegen gerichtete Berufung vor dem OLG Düsseldorf blieb erfolglos. Dagegen richtete sich die Revision vor dem Bundesgerichtshof.

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Zurückweisung der Revision

Der Bundesgerichtshof wies die Revision der Versicherungsnehmerin zurück.

Falsche Beantwortung der Fragen bei Antragstellung?

Der Bundesgerichtshof schloss sich der Auffassung des OLG Düsseldorf an, wonach die Anfechtung der Deckungszusage wegen arglistiger Täuschung bei Stellung des Versicherungsantrags berechtigt war. Dazu hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf angeführt, dass die Versicherungsnehmerin entgegen ihrer Angaben im Versicherungsantrag bereits Versicherungen für die Automaten unterhalten hatte und Leistungen aus diesen Versicherungen bezogen hatte. Aufgrund des hohen Schadenrisikos seien die Versicherungsverträge immer wieder nach kurzer Zeit durch die Versicherer gekündigt worden. Auch habe die Versicherungsnehmerin mehrere Versicherungsanträge bei anderen Versicherern gestellt, die abgelehnt worden waren.

Arglistige Täuschung bei Stellung des Versicherungsantrags

Auch kam der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf das Vorliegen der Arglist richtig beurteilt habe. Bei den ersten Vertragsverhandlungen habe zwar die Büroangestellte der Versicherungsnehmerin gehandelt, dies sei der Versicherungsnehmerin nach den Regeln der Stellvertretung aber zuzurechnen. Die Büroangestellte habe von den vorherigen Vorfällen mit den Automaten gewusst und diese dem Vertreter des Versicherers bewusst verschwiegen. Sie habe die irrigen Vorstellungen des Vertreters erkannt und weiter unterhalten, da sie angenommen habe, dass der Versicherungsvertrag sonst gar nicht oder nur zu ungünstigen Bedingungen zustande gekommen wäre (siehe hierzu Der Wissenserklärungsvertreter des Versicherungsnehmers).

Die Täuschung habe sich auch auf den zweiten Versicherungsantrag bezogen, da die Angaben vom Vertreter des Versicherers nahezu identisch übernommen wurden. Aus diesem Grund habe die Versicherungsnehmerin auch selbst arglistig gehandelt, da sie beim Unterzeichnen des zweiten Versicherungsantrags über die Vorfälle Kenntnis gehabt habe und ihr bewusst gewesen sei, dass bei wahrheitsgemäßen Angaben der Vertrag nicht sofort oder nur unter anderen Bedingungen zustande gekommen wäre.

Das Argument der Versicherungsnehmerin, sie habe den Versicherungsantrag ohne nähere Durchsicht unterzeichnet, greife nicht. Bei dem Versicherungsantrag handle es sich gerade nicht um eine nebensächliche Angelegenheit. Der Versicherungsschutz sei von besonderer Bedeutung für den Betrieb der Versicherungsnehmerin gewesen. Auch sei die Prämie in Höhe von 4.500 DM nicht unerheblich. Daher habe gerade diese Angelegenheit einer besonderen Aufmerksamkeit bedurft. Zudem nehme der eigentliche Versicherungsantrag lediglich eine halbe Seite ein. Daher hätte die Versicherungsnehmerin die falschen Angaben auch bei einem groben Hinübersehen erkennen können. Infolgedessen könne in der Unterzeichnung der Versicherungsnehmerin auch eine arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrags gesehen werden.

Fazit zum Urteil des BGH

Das Urteil des BGH zeigt, dass auch wenn der Versicherungsantrag durch einen Vertreter des Versicherers ausgefüllt wurde, durchaus eine arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrages vorliegen kann. Allerdings sollten die Anforderungen an den Versicherer bzgl. des Nachweis der Arglist nicht unterschätzt werden (siehe dazu auch: Arglistige Täuschung bei Antragsstellung (OLG Koblenz)).

Sollte der Versicherer sich auf eine Befreiung der Leistungspflicht wegen einer arglistigen Täuschung berufen, so kann es daher durchaus sinnvoll sein, die Leistungsentscheidung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne berät Sie dabei auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Anwalt erklärt, wann arglistige Täuschung bei der Stellung des Versicherungsantrags vorliegen kann

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