Das LG Görlitz entschied mit seinem Urteil vom 22.09.2023 (AZ: 1 O 320/22) über die Frage, wann ein Leistungsausschluss für dauerhaft entwertete Gebäude vorliegt und nach welchen Kriterien dieser zu beurteilen ist.
Bei der Versicherungsnehmerin handelte es sich um eine kreisangehörige Stadt, die bei dem Versicherer eine Gebäudeversicherung abgeschlossen hatte. Versichert war ein Gebäude, welches aus mehreren Gebäudeeinheiten bestand. Das Gebäude stand seit 2004 leer.
Im Jahr 2010 wurde das Gebäude durch einen Außendienstmitarbeiter des Versicherers besichtigt, wobei eine neue Versicherungssumme von 1.587.461,00 € bestimmt wurde. Die Versicherungsbedingungen erhielten sodann folgende Regelung:
Anmerkung 3.3, „Nicht versicherte Sachen“ unter 3.3.4 folgende Regelung enthalten:
„Gebäude, die zum Abbruch bestimmt oder sonst dauernd entwertet sind. Eine dauernde Entwertung liegt insbesondere vor, wenn das Gebäude für seinen Zweck nicht mehr zu verwenden ist.“
Bereits 2006 war es in dem Gebäude zu einem Brand gekommen, der durch den Versicherer reguliert wurde. Im Jahr 2021 kam es erneut zu einem Brand in dem versicherten Gebäude. Daraufhin machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche aus der Gebäudeversicherung geltend. Der Versicherer lehnte die Schadensregulierung unter Verweis auf die oben genannte Klausel ab. Die Versicherungsnehmerin erwiderte daraufhin, dass die fragliche Klausel nicht dem Transparenzgebot entspreche und unwirksam sei. Die Versicherungsnehmerin erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Görlitz.
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Das Landgericht Görlitz entschied zugunsten des Versicherers. Es stellte fest, dass kein Versicherungsschutz aus der Gebäudeversicherung bestehe.
Das Landgericht Görlitz war der Ansicht, dass die Klausel 3.3.4. nach der Auffassung eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der über keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse verfüge, die Anmerkung aufmerksam gelesen habe und diese unter dem erkennbaren Sinneszusammenhang verstehe, auszulegen sei (siehe hierzu auch Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen). Eine dauernde Entwertung würde auch nach dieser Auslegung vorliegen, wenn das Gebäude für seinen Zweck nicht mehr zu verwenden sei und die Wiederherstellung des Zwecks erst mit erheblichen Sanierungsmaßnahmen möglich wäre. Dafür ist nicht nötig, dass eine Widerherstellung von vorneherein ausgeschlossen sei.
Diese Voraussetzungen seien nach der Meinung des Landgerichts Görlitz gegeben. Dabei sei es ausreichend, dass der Bauzustand des Gebäudes so schlecht sei, dass durch eine Reparatur der eigentliche Zweck nicht jederzeit kurzfristig wiederhergestellt werden könne. Ein Indikator dafür sei besonders, dass das Gebäude seit dem Jahr 2004 aufgrund seiner Baumängel leer stehe. Eine Sanierung sei von der Landesregierung abgelehnt worden. Zudem müsse eine neue Nutzungsgenehmigung beantragt werden.
Das Landgericht Görlitz kam daher zu dem Ergebnis, dass für die Nutzung des Gebäudes umfassende Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden müssten und dadurch eine kurzfristige und jederzeitige Widerherstellung nicht möglich sei. Folglich sei ein Leistungsausschluss für dauerhaft entwertete Gebäude in diesem Fall anzunehmen. Der Versicherer sei demzufolge nicht zum Schadensausgleich gegenüber der Versicherungsnehmerin verpflichtet.
Das Urteil des Landgerichts Görlitz zeigt, dass die andauernde, aufgegebene Nutzung eines Gebäudes zu einem Leistungsausschluss für dauerhaft entwertete Gebäude führen kann. Von einer Entwertung kann ausgegangen werden, wenn das Gebäude für seinen Zweck nicht mehr zu verwenden ist und die Wiederherstellung des Zwecks erst mit erheblichen Sanierungsmaßnahmen möglich wäre.
Beruft sich der Versicherungsnehmer trotz einer Entwertung des Gebäudes auf den Ausgleich des Schadens, so kann die Beratung durch einen Fachanwalt für Versicherungsrecht durchaus sinnvoll sein. Gerne steht Ihnen dafür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung.
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