Ausnahme der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins (LG Dortmund)

Das Landgericht Dortmund hatte mit seinem Urteil vom 01.04.2014 (Az.: 2 S 9/14) zu entscheiden, wann eine Ausnahme der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins vom Antrag des Versicherungsnehmers bestehen kann und ob sich der Versicherungsnehmer dann dennoch auf die Schutzwirkung des § 5 Abs. 3 VVG berufen kann.

Anspruch auf Feststellung der Erhöhung des Krankentagegelds?

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Krankentagegeldversicherung. Nachfolgend begehrte der Versicherungsnehmer nach seinen Angaben die Erhöhung des Krankengeldes von 90 € auf 120 €. Bezüglich dessen sandte der Versicherer dem Versicherungsnehmer den geänderten Versicherungsschein zu. Auf diesem war eine Erhöhung des Krankentagegeldes auf 92 € angegeben. Der Versicherungsnehmer legte zunächst bezüglich dessen keine Beschwerde gegenüber dem Versicherer ein.

Sodann begehrte der Versicherungsnehmer die Feststellung, dass bei Eintritt des Versicherungsfalls anstatt der im Versicherungsschein angegebenen 92 € ein Krankentagegeld von 120 € zu zahlen sei. Dabei berief er sich auf eine fehlerhafte Belehrung des Versicherers. Dieser habe ihn fehlerhaft über die Abweichungen des Versicherungsscheins vom Antrag aufgeklärt. Daher müsse der Versicherungsvertrag mit Inhalt des Antrags als abgeschlossen gelten. Infolgedessen sei die Erhöhung auf 120 € Bestandteil des Versicherungsvertrags geworden. Der Versicherer erklärte daraufhin, er habe dem Versicherungsnehmer bei Antragsstellung erklärt, er könne keine Erhöhung des Krankengeldes vornehmen.

Im Zuge dessen erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Amtsgericht Dortmund. Dieses wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Dagegen legte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Dortmund Berufung ein.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte unterstützen Versicherte bundesweit bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Versicherungsrecht. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Ausnahme der Hinweispflicht bei der Genehmigungsfiktion des § 5 VVG?

Das Landgericht Dortmund wies die Berufung des Versicherungsnehmers zurück. Als Begründung führt es an, dass der Versicherungsnehmer nicht als schutzwürdig anzusehen gewesen sei und eine Ausnahme der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins vorliege.

Zweck der Genehmigungsfiktion

Zunächst stellte das Landgericht Dortmund fest, dass die Genehmigungsfiktion des § 5 VVG auch auf solche Fälle angewendet werden könne, wenn der bestehende Versicherungsschutz geändert werden soll. Eine Anwendung scheide indes aus, wenn weder ein Vertrag noch ein Antrag des Versicherungsnehmers vorangegangen sei. Auch sei richtig, dass bei einer fehlerhaften Belehrung der Vertrag nach den Änderungen des Antrags zustande komme und nicht nach den Bedingungen des Versicherungsscheins.

Keine Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers?

Das Landgericht Dortmund stellte fest, dass der Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig sei. Daher müsse eine Ausnahme von der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins angenommen werden. Die Schutzfunktion der Hinweispflicht sei nur anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer auch besonders schutzwürdig sei. Eine Schutzwürdigkeit könne indes nur vorliegen, wenn der Versicherungsnehmer darauf vertraue, dass der Versicherer nicht von seinem Antrag abweiche oder nur mit einer vorherigen Benachrichtigung. Dies sei die Ausprägung des Vertrauensschutzgedanken, der § 5 Abs. 2 VVG zugrunde liege. Liege im Einzelfall ein entsprechendes Schutzbedürfnis nicht vor, könne auch keine Anwendung der Schutzfunktion erfolgen. Infolgedessen sei auch nicht von einer Wirksamkeit des Änderungsantrags des Versicherungsnehmers auszugehen. Ein solches Schutzbedürfnis entfalle besonders, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung klar erklärt habe, er werde die entsprechenden Änderungen nicht übernehmen.

Dies sah das Landgericht Dortmund im vorliegenden Fall als erwiesen an. Der Versicherer habe dem Versicherungsnehmer deutlich erklärt: Er könne eine Erhöhung des Krankengeldes von lediglich 2 € vornehmen. Im Ergebnis sei der Versicherungsnehmer daher nicht als schutzwürdig anzusehen, da er nicht darauf vertrauen konnte, dass der Versicherer nicht vom Antrag abweicht. Demnach habe der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Feststellung der Erhöhung des Krankentagegeldes auf 120 €.

Fazit zum Urteil des LG Dortmund

Das Urteil des Landgerichts Dortmund zeigt, dass sich der Versicherungsnehmer nicht immer auf die Schutzwirkung des § 5 Abs. 3 VVG berufen kann. Macht der Versicherer bei Antragsstellung deutlich, er könne die beantragten Änderungen des Versicherungsschutzes nicht erfüllen, so kann der Versicherungsnehmer auch nicht darauf vertrauen, dass der Versicherer in dem Versicherungsschein keine Abweichung bezüglich der angetragenen Änderungen vornehme. Dann kann eine Ausnahme der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins vorliegen.

Kommt es zu Abweichungen des Versicherungsscheins bezüglich der angetragenen Änderungen, kann es durchaus sinnvoll sein, den Vorgang durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter Abweichungen des Versicherungsscheins

Ihre Versicherung zahlt nicht?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

Zum Anwaltsprofil

Rechtsanwalt erklärt, ob es eine Ausnahme der Hinweispflicht bei Abweichungen des Versicherungsscheins geben kann

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.