Kurzformulierung im Versicherungsschein (OLG Hamm)

Das OLG Hamm hatte sich in seinem Hinweisbeschluss vom 20.02.2019 (AZ: I-20 U 2/19) mit der Frage zu befassen, wie eine Kurzformulierung im Versicherungsschein auszulegen ist und ab wann in dieser eine Abweichung vom Antrag des Versicherungsnehmers gesehen werden kann.

Rohrbruch von dem Versicherungsschutz erfasst?

Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer eine Wohngebäudeversicherung. In dem zugehörigen Versicherungsschein war folgender Abschnitt enthalten:

„Ihr Wohngebäude ist gegen folgende Gefahren abgesichert:

Brand, Blitzschlag, (…), Leitungswasser, Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden sowie Nässeschäden (…).“

Nachfolgend kam es zu einem Schadensereignis an dem Gebäude des Versicherungsnehmers durch einen mehrfachen Rohrbruch an einem Abwasserrohr. Das Rohr befand sich unterhalb einer Bodenplatte zwischen dem Streifenfundament des Gebäudes.

Der Versicherungsnehmer machte nachfolgend Ansprüche aus der Wohngebäudeversicherung gegenüber dem Versicherer geltend. Er gab an, dass durch die abweichende Kurzformulierung im Versicherungsschein der Schadensfall erfasst sei und es nicht auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen ankomme. Der Versicherer lehnte die Schadensregulierung dennoch mit der Begründung ab, dass es auf die allgemeinen Versicherungsbedingungen ankomme, und da sich die Leitung außerhalb des Gebäudes befinde, kein Versicherungsschutz zu gewährleisten sei.

Daraufhin erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Landgericht Bochum. Dieses wies die Klage ab. Dagegen richtete sich seine Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm.

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Führt die Kurzformulierung im Versicherungsschein zur Abweichung vom Antrag?

Das Oberlandesgericht Hamm erteilt den Hinweis, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin nahm der Versicherungsnehmer die Berufung zurück. Es stellte fest, dass das Landgericht Bochum die Klage zu Recht abgewiesen habe.

Anwendung der VGB 2011

Zunächst stellte das Oberlandesgericht Hamm fest, dass die VGB 2011 dem Vertrag zugrunde lagen und wirksam in diesen einbezogen wurden. Nach § 3 Nr. 2 VGB 2011 leiste der Versicherer nur Entschädigung, für außerhalb von Gebäuden eintretende frostbedingte und sonstige Bruchschäden, hinsichtlich der Zuleitungsrohre der Wasserversorgung und der Rohre der Warmwasserheizungs-, Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen- oder Solarheizungsanlagen. Demnach bestünde bei einem Abwasserrohr nur Versicherungsschutz, wenn sich dieses innerhalb des Hauses befinde. Das Oberlandesgericht Hamm stellte diesbezüglich fest, dass sich das betreffende Rohr aber außerhalb des Gebäudes befunden habe. Es bestünde also kein Versicherungsschutz, da der Versicherer in den VGB 2011 klargestellt habe, dass keine Abwasserrohre unterhalb der Bodenplatte erfasst seien.

Auslegung des Versicherungsscheins

Das Oberlandesgericht Hamm führte fort, dass bei Abweichungen des Antrages vom Versicherungsschein die Abweichungen Vertragsbestandteil werden können. Liege eine Abweichung zugunsten des Versicherungsnehmers vor, so komme der Versicherungsvertrag auch ohne die zusätzlichen Voraussetzungen des § 5 II VVG mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen eines Monats widerspreche.

Dies sei aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, da keine Abweichung durch die Kurzformulierung im Versicherungsschein anzunehmen sei. Das Oberlandesgericht Hamm führte fort, dass der Versicherungsschein nicht in allen Einzelheiten genau dem Antrag und den dem Antrag zugrundeliegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen entsprechen könne. Wenn keine genaue wörtliche Übereinstimmung vorliege, müsse im Rahmen der Auslegung ermittelt werden, ob tatsächlich eine inhaltliche Abweichung vorliege. Im vorliegenden Fall könne aufgrund der pauschalen Formulierung schon nicht von einer Abweichung des Antrags von dem Versicherungsschein ausgegangen werden. Zudem bestimme der Versicherungsschein ausdrücklich die VGB 2011 als Vertragsgrundlage.

Auch könne davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer verstehe, dass der Versicherungsschein die versicherten Gefahren nur schlagwortartig umreißen könne und die Einzelheiten in den allgemeinen Versicherungsbedingungen bestimmt seien. So sei die Formulierung im Versicherungsschein richtig, da tatsächlich auch Bruchschäden außerhalb des Gebäudes erfasst seien. Es sei aber auch als selbstverständlich anzusehen, dass bezüglich der Bruchschäden außerhalb des Gebäudes bestimmte Begrenzungen aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen zu entnehmen sein. Demzufolge könne in der Kurzformulierung im Versicherungsschein keine Abweichung gesehen werden. Im Ergebnis habe der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf eine Schadensregulierung gegenüber dem Versicherer.

Fazit zum Hinweisbeschluss des OLG Hamm

Der Hinweisbeschluss des OLG Hamm zeigt, dass der Inhalt einer Kurzformulierung im Versicherungsschein durch Auslegung ermittelt werden muss. Daher kann nicht in jeder Kurzformulierung eine Abweichung vom Versicherungsschein gesehen werden.

Ist bezüglich bestimmter Abschnitte im Versicherungsschein fraglich, ob damit eine Abweichung vom Versicherungsschein verbunden ist, kann die Beratung eines Rechtsanwalts für Versicherungsrecht hilfreich sein. Gerne steht Ihnen dabei auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter Abweichungen des Versicherungsscheins

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt erklärt, welche Bedeutung eine Kurzformulierung im Versicherungsschein haben kann

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