Unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails unzulässig? (BGH)

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails des Versicherers einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen und dem Empfänger ein Unterlassungsanspruch zusteht (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 134/15).

Rüge des Versicherungsnehmers aufgrund unverlangter Werbung

Der Versicherungsnehmer wandte sich mit der Bitte der Bestätigung einer Kündigung an den Versicherer. Dieser bestätigte den Erhalt der E-Mail mit einer automatischen Antwort. Neben dem Antwortschreiben enthielt die E-Mail auch folgende Werbung für ein kostenloses Angebot des Versicherers:

Neu für iPhone Nutzer: Die App S-Haus & Wetter, inkl. Push Benachrichtigungen für Unwetter und vielen weiteren nützlichen Features rund um Wetter und Wohnen: (…)

Daraufhin kontaktierte der Versicherungsnehmer den Versicherer erneut mit einer E-Mail und rügte, dass er mit der enthaltenen Werbung des automatischen Antwortschreibens nicht einverstanden sei (siehe dazu auch: Unzulässige E-Mail-Werbung bei kurzem Werbeslogan in der Fußzeile (KG Berlin)).

Nachfolgend versandte Versicherungsnehmer eine Sachstandsanfrage an den Versicherer. Auf beide Anfragen erhielt er die gleiche automatische Antwort, die dieselbe Werbung wie in der ersten Antwort enthielt.

Daraufhin legte der Versicherungsnehmer Klage vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt ein und verlangte die Unterlassung der Kontaktaufnahme zum Zwecke der Werbung, ohne vorherig das Einverständnis eingeholt zu haben. Das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt gab der Klage des Versicherungsnehmers statt (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Entscheidung vom 25.04.2014 – 10 C 225/14).

Dagegen legte der Versicherer Berufung vor dem Landgericht Stuttgart ein und hatte Erfolg (LG Stuttgart, Entscheidung vom 04.02.2015 – 4 S 165/14).

Der Versicherungsnehmer legte daraufhin die Revision zum BGH ein.

Rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Der BGH sprach dem Versicherungsnehmer einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Versicherer zu und hob das Berufungsurteil auf bzw. änderte dieses ab. Der BGH urteilte, dass unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstelle.

Kein Anspruch aus dem Gesetz gegen unerlaubten Wettbewerb (UWG)

Nach der Meinung des BGH stelle jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung eine unzumutbare Belästigung nach dem Gesetz gegen den unerlaubten Wettbewerb (UWG) dar. Dies diene zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen, da das elektronische Postfach einer natürlichen Person Teil der Privatsphäre sei.

Ein Unterlassungsanspruch der betroffenen Verbraucher ergebe sich jedoch nicht aus dem UWG. Denn Verbraucher – wie hier der Kläger – sind nach der abschließenden Regelung des § 8 Abs. 3 UWG nicht berechtigt, Ansprüche auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen.

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Grundrecht)

Ein entsprechender Anspruch ergebe sich aber aus einem rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Versicherungsnehmers. Die Zusendung von Werbung gegen den eindeutig erklärten Willen des Empfängers stelle einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre dar (siehe dazu auch: Wann entfällt eine Newsletter-Einwilligung? (AG München)). Dies verstoße wiederum gegen sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dem Betroffenen stehe es frei, seine Privatsphäre von unerwünschter Einflussnahme Dritter freizuhalten. Daher schütze das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch vor einer unerwünschten Kontaktaufnahme. Eine Verletzung könne aber nur vorliegen, wenn der Betroffene seinen Wiederwillen eindeutig erkläre. Läge schon immer eine Verletzung vor, würde die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt.

Demzufolge bedeute in jedem Fall das dritte Zusenden der Werbung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da der Versicherungsnehmer zuvor eindeutig seinen Widerwillen geäußert habe. Ob eine Beeinträchtigung, wie anders vertreten, schon immer bei einer fehlenden Einwilligung vorliege, könne daher dahinstehen. Bei dem entsprechenden Hinweis in der E-Mail könne auch von Werbung ausgegangen werden. Unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails sei daher als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu werten.

Woher kommt das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als eigenständiges Grundrecht nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelt. Es stellt jedoch ein von der Rechtsprechung entwickeltes Rechtsinstitut dar, welches sich aus Art. 2 I GG (der freien Entfaltung) und Art. 1 I GG (der Menschenwürde) ableitet (siehe dazu: BGH, Urt. v. 15.12.1999 – 1 BvR 653/96 – Caroline von Monaco I).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist damit als ein wichtiges und eigenständiges Grundrecht anzusehen, das den Zweck hat, Eingriffe in die Privatsphäre des Einzelnen abzuwehren. Mittelbar wirkt das allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings in das Zivilrecht, wo es unter anderem als erstes auftauchte, aber auch in das Strafrecht, wo Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden, die die Privatsphäre besonders verletzen, und damit in die gesamte Rechtsordnung hinein.

Abwägung der Interessen

Zuletzt müsse eine Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Versicherungsnehmers mit dem Werbeinteresse des Versicherers vorgenommen werden. Nur bei einem überwiegenden Interesse des Versicherungsnehmers, sei die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch als rechtswidrig anzusehen.

Der BGH stellte fest, dass das Interesse des Versicherungsnehmers überwiege. Dafür sei entscheidend, dass sich der Versicherungsnehmer gegen die Versendung von Werbung geäußert habe und sich praktisch nicht zur Wehr setzen könne. Im Ergebnis war das Urteil des Berufungsgerichts durch den BGH aufzuheben.

Fazit zum Urteil des BGH

Das Urteil des BGH stellt klar, dass unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails eine rechtswidrige Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsverletzung bedeuten kann. Für eine solche Verletzung muss der Versicherungsnehmer nach der Meinung des BGH den Wiederwillen vorher eindeutig erklärt haben. Liegt eine ausdrückliche Erklärung vor, kann dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Unterlassung gegen den Versicherer zustehen.

Unterlässt der Versicherer auch nach Aufforderung das Zusenden von Werbung nicht, kann zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs die Beratung eines Fachanwalts hilfreich sein. Gerne berät Sie dabei auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow. Weitere Artikel finden Sie unter: Werbung & Marketing.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt erklärt, ob unverlangte Werbung in Bestätigungs-E-Mails unzulässig ist

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