Das Oberlandesgericht Celle hatte über die Frage der Nichtigkeit des Coachingvertrages zu entscheiden. Konkret ging es um die Frage, ob ein Coachingvertrag wegen fehlender Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig ist und das Gesetz auch auf Unternehmer anwendbar ist, da der Gesetzeswortlaut allgemein lediglich auf „Teilnehmer“ abstellt (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 – 3 U 85/22).
Der Kläger bietet Dienstleistungen im Bereich des Online-Coaching und der Online-Unternehmensberatung für Frauen an. Im Wege eines Videotelefonats vereinbarten die Parteien den Abschluss eines Vertrages über ein sog. „S.b.w.E.T.“ für eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die monatliche Vergütung betrug 2.200,00 Euro netto. Dabei sollte der Kläger folgende Leistungen erbringen:
Die Beklage teilte dem Kläger mit anwaltlichem Schreiben mit, aus diversen Gründen nicht mehr am Vertrag festhalten zu wollen und erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sowie den Widerruf und hilfsweise die Kündigung.
Der Kläger erhob sodann Klage und machte einen Anspruch auf Vergütung aufgrund des geschlossenen Coaching-Vertrages geltend. Die Beklagte machte im Wege der Widerklage die negative Feststellung geltend, dass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Zur Begründung führte sie auf, dass der Vertrag gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig sei, weil der Kläger über keine Zulassung im Sinne des § 12 FernUSG verfüge.
Das Landgericht wies die Klage erstinstanzlich ab und gab der Widerklage statt (LG Stade, Urt. v. 18.08.2022 – 3 O 5/22). Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist insbesondere der Auffassung, der streitgegenständliche Vertrag falle nicht in den Anwendungsbereich des FernUSG. Denn die Beklagte habe den Vertrag nicht als Verbraucherin geschlossen, sondern als Unternehmerin gehandelt. Mit seiner Berufung macht der Kläger die Vergütungen für Oktober 2021 bis März 2022 geltend.
Die Berufung ist nicht begründet, so das Berufungsgericht. Das OLG Celle entschied, dass dem Kläger die geltend gemachte Vergütung aus dem geschlossenen Vertrag nicht zustehe, denn dieser Vertrag sei nichtig.
Das Gericht stellte dabei zunächst fest, dass der zwischen den Parteien geschlossene Coachingvertrag ein Dienstvertrag, ähnlich dem eines Unternehmensberaters sei, da der Kläger selbstständig und unabhängig Dienste für die Beklagte ausüben sollte und ein Erfolg nicht geschuldet war.
Dieser Coachingvertrag sei jedoch gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil der Kläger unstreitig nicht über die gemäß § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge verfüge.
Das FernUSG sei auf den vorliegenden Fall auch anwendbar. Insbesondere sei das FernUSG nicht nur auf Verbraucherverträge anzuwenden, so das Oberlandesgericht.
Für die Anwendung des FernUSG nur auf Verbraucherverträge spreche zwar, dass das Gesetz nach dessen Begründung die Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes sichern soll und sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher einreihen soll.
Jedoch streite gegen die Anwendung nur auf Verbraucher Folgendes: Das FernUSG verwende den Begriff des Verbrauchers – abgesehen von § 3 Abs. 3 FernUSG – nicht. Insbesondere gebe es keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt.
Ferner spreche das Verständnis der Praxis für eine Anwendung des FernUSG auch auf Unternehmer. So enthalten beispielsweise die im Internet auf der jeweiligen Homepage einsehbaren Fernunterrichtsverträge zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung eine Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht. Hierfür gäbe es keine Notwendigkeit, wenn das FernUSG nicht auf Anwälte – die einen freien Beruf ausüben und damit Unternehmer sind – anwendbar wäre.
Dieses Verständnis hielt auch OLG Celle für zutreffend. Ausschlaggebend sei im Ergebnis, dass das FernUSG keine ausschließliche Anwendung auf Verbraucher vorsehe und auch eine teleologische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führe. Die Regelungen des FernUSG können auch so verstanden werden, dass sie zum Schutz der Verbraucher getroffen wurden, sofern diese einen Fernunterrichtsvertrag abschließen, ohne Unternehmer auszuschließen. Denn diese sollen gleichwohl von den getroffenen Regelungen profitieren.
Im Übrigen sei, soweit § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsieht, dies lediglich der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Das FernUSG solle schließlich der „Enttäuschung der Bildungswilligkeit“ vorbeugen und sei von einer erheblich höheren Schutzbedürftigkeit des Teilnehmers am Fernunterricht im Verhältnis zu demjenigen am Direktunterricht ausgegangen. Das Gesetz habe mithin nicht auf die Eigenschaft des Teilnehmers als Verbraucher abgestellt.
Demzufolge sei es unerheblich, ob die Beklagte bei Vertragsschluss als Unternehmerin gehandelt hat.
Die Überwachung des Lernerfolges stellt eine weitere notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des FernUSG dar.
Der Gesetzgeber sei bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden, weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolges ausgegangen. Der Lehrende oder sein Beauftragter könne sich schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender (mündlicher) Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen. Insgesamt sei die erforderliche Überwachung des Lernerfolges dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, etwa in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten.
Nach Auffassung des OLG Celle sei eine vereinbarte Überwachung des Lernerfolges nach diesen Kriterien nicht mit Sicherheit festzustellen. Denn dem verschriftlichten Inhalt des Vertrages sei nicht zu entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Prüfungsaufgaben erhalten soll oder die Gelegenheit hätte, sich beim Kläger rückzuversichern.
Die Beklagte habe allerdings vorgetragen, dass in dem aufgezeichneten Videotelefonat – das auch Vertragsinhalt geworden ist – der Kläger darauf hingewiesen habe, es gäbe Sprechstunden, einen WhatsApp-Support, in dem sie Fragen stellen könne; und sie habe Zugang zu der Akademie, die Videos, Dokumente, Checklisten und Prüfungen beinhalte. Das Oberlandesgericht entschied, dass dies ausreiche, um nach den genannten Maßstäben eine Überwachung des Lehrerfolges zu bejahen.
Soweit der Kläger hierzu vorträgt, es erfolge gerade keine Kontrolle, vielmehr stelle das Portal nur automatisch fest, ob ein Videokursabschnitt angesehen wurde, sei dies unerheblich, da sich die Angabe des Klägers im Videotelefonat nicht hierauf bezogen habe. Ebenso unerheblich sei der Einwand, es gebe nur Dokumente und Checklisten, aber keine individuellen Prüfungsaufgaben. Denn individuelle Prüfungsaufgaben seien keine Voraussetzung für eine Überwachung des Lernerfolges, vielmehr genüge die – hier angebotene – Möglichkeit zur Rücksprache.
Das FernUSG ist sowohl auf Verbraucherverträge als auch auf Vertrage mit Unternehmern anwendbar. Erforderlich ist dabei, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG notwendige Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolges beinhaltet. Hierbei gilt eine weite Betrachtung des Überwachungsbegriffs: bereits die Möglichkeit zur Rücksprache genügt. Der streitgegenständliches Coachingvertrag ist damit gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil der Kläger unstreitig nicht über die gemäß § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge verfügte. Dieses wäre jedoch eine Voraussetzung gewesen, um das entsprechende Honorar geltend machen zu können.
Das OLG Köln hatte sich ebenso mit den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des FernUSG auf Verträge zum „Coaching“ zu befassen gehabt, siehe die nachfolgende Urteilsbesprechung: „Ist Coaching Fernunterricht im Sinne des FernUSG? (OLG Köln, Urt. v. 06.12.2023 – U 24/23“). Die Anwendbarkeit des FernUSG setzt nach § 1 Abs. 1 FernUSG voraus, dass es sich um einen Vertrag handelt, der die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand hat, bei der der Lehrende und der Lernende zumindest überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende den Lernerfolg überwacht. Diese Überwachung kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen, entscheidend ist jedoch, dass die Kontrolle durch den Lehrenden erfolgt. Ist dieses jedoch nicht der Fall, unterliegt das „Coaching“ nicht dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) mit der Konsequenz, dass in dem Rechtsstreit vor dem OLG Köln jedenfalls ein Honoraranspruch für die Dienstleistung bestand.
Weitere Entscheidungsbesprechungen zu ähnlichen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des FernUSG sind nachfolgend zu finden: „Coaching“.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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