Der BGH hatte sich mit Beschluss vom 19.05.2011 (Az.: IV ZR 254/10) mit der Frage zu befassen, unter welchen Umständen den Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer eine spontane Offenbarungspflicht im Versicherungsfall trifft.
Die Versicherungsnehmerin schloss eine Hausratversicherung ab. Infolge eines Brandes am 20.08.2003 im Dachgeschoss ihres Wohnhauses machte die Versicherungsnehmerin Versicherungsleistungen geltend.
Der Versicherer zahlte daraufhin am 03.09.2003 einen Vorschuss von in Höhe 25.000 Euro. Im Rahmen eigener Ermittlungen erfuhr der Versicherer am 17.02.2004, dass die Versicherungsnehmerin und ihr Ehemann eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten und dass über das Vermögen der Versicherungsnehmerin durch Beschluss vom 10.03.2003 ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war. Dies hatte die Versicherungsnehmerin bei der Schadensfallmeldung nicht angegeben.
Sodann lehnte der Versicherer mit Schreiben vom 23.03.2004 eine Entschädigungsleistung ab und verlangte den Vorschuss zurück. Außerdem erklärte er die Kündigung des Versicherungsvertrages und verwies auf „unwahre Angaben“ der Versicherungsnehmerin. Die Versicherungsnehmerin trägt vor, dass der Versicherer nicht nach der Insolvenzeröffnung sowie dem diesbezüglichen Beschluss gefragt habe. Ungefragt sei sie nicht verpflichtet gewesen, dem Versicherer davon Mitteilungen zu machen.
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Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, dass wenn knapp ein halbes Jahr vor dem Eintritt des Versicherungsfalls ein Beschluss über die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ergeht, dann besteht eine ausnahmsweise Offenbarungspflicht der Versicherungsnehmerin. Die Verletzung dieser Obliegenheit führe dann zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Dem stehe nicht entgegen, dass es für die Mitteilung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an einer vertraglich vereinbarten Grundlage fehlte.
In der Rechtsprechung und Lehre sei zwar allgemein anerkannt, dass ein Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen – wozu auch Angaben zu den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers gehören – an sich nicht unaufgefordert abzugeben braucht. Vielmehr dürfe er abwarten, bis der Versicherer an ihn herantritt und Informationen anfordert.
Ebenso anerkannt sei indessen, dass in sehr restriktiv zu handhabenden Ausnahmefällen den Versicherungsnehmer eine spontane Offenbarungspflicht treffen kann. Diese Offenbarungspflicht ohne Auskunftsverlangen beruhe auf Treu und Glauben und beziehe sich auf die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders wesentlicher Informationen, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherten ihre Mitteilungsbedürftigkeit auch ohne Auskunftsverlangen aufdrängen muss.
In diesen sogenannten „krassen“ Fällen, in denen es um Dinge gehe, die für jedermann erkennbar das Aufklärungsinteresse des Versicherers in ganz elementarer Weise betreffen und deren Bedeutung daher für den Versicherungsnehmer auf der Hand liegen, stehe das Berufen auf ein fehlendes vorheriges Auskunftsverlangen im Widerspruch zu Treu und Glauben. Der BGH entschied, dass vorliegend mit dem Verschweigen der Insolvenzeröffnung ein „krasser“ Fall einschlägig ist, der eine Offenbarungspflicht der Versicherungsnehmerin bedingt.
Ein Versicherungsnehmer ist grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, unaufgefordert Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen zu machen. Vielmehr darf er in der Regel darauf warten, dass der Versicherer selbst an ihn herantritt und entsprechende Informationen anfordert. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird in den sogenannten „krassen“ Fällen gemacht, in denen die Mitteilung außergewöhnliche und besonders wesentliche Informationen betrifft, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berührt, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit auch ohne vorheriges Auskunftsverlangen durch den Versicherer aufdrängen muss. Liegt ein solcher Fall vor und verletzt der Versicherungsnehmer seine Offenbarungspflicht, so kann der Versicherer von seiner Leistung befreit sein.
Die Anforderungen an einen Verstoß gegen die Offenbarungspflicht sollten also nicht unterschätzt werden. Beruft sich ein Versicherer auf einen Verstoß gegen die Offenbarungspflicht, so kann es durchaus sinnvoll sein, einem im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow zur Verfügung. Einen vertiefenden Artikel zur spontanen Anzeigeobliegenheit finden Sie unter: Die spontane Anzeigeobliegenheit – ein Mythos oder gelebte Pflicht?
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