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Anzeigepflichtverletzung bei Fragen des Versicherungsmaklers (LG Dortmund)

Das LG Dortmund hatte sich mit Urteil vom 24.02.2012 (Az.: 2 O 144/11) mit einer Anzeigepflichtverletzung bei Fragen des Versicherungsmaklers zu befassen.

Vermittlung des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler

Der Versicherungsvertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer wurde durch einen Versicherungsmakler, der für einen bekannten großen Finanzdienstleister tätig wurde, vermittelt. Das vom Versicherungsmakler verwandte Antragsformular vom 15.12.2008 trägt auf dem Deckblatt die Aufschrift „Antrag auf Kranken-/Pflegepflichtversicherung“ und im unteren Bereich unter anderem das Logo des Finanzdienstleisters einschließlich der Zeile „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“. Dieses Logo findet sich sodann in der Fußzeile sämtlicher Folgeseiten des Formulars, auch auf der Seite mit den Belehrungen, deren Erhalt der Versicherungsnehmer bestreitet. Als Gesellschaft, bei der der Versicherungsschutz beantragt wird, wurde in der entsprechenden Rubrik der Name des Versicherers eingetragen.

Die Gesundheitsfragen im Antragsformular wurden verneint. Lediglich die Frage zu 2b) nach ambulanten Untersuchungen oder ärztlichen Behandlungen) wurde das Kästchen für „Ja” angekreuzt.

Am 13.10.2010 erlitt der Versicherungsnehmer einen Unfall, woraufhin der Versicherer bis zum 01.03.2011 Krankentagegeld zahlte. Mit Schreiben vom 08.03.2011 erklärte der Versicherer sodann den Rücktritt von der Kranken- und Krankentagegeldversicherung und berief sich dabei auf die Nichtangabe von Behandlungen wegen unter anderem Bauchschmerzen, Herzbeschwerden, Stress, HWS-Syndrom, Schwindel und Erektionsstörungen. Der Versicherungsnehmer begehrt nun mit seiner Klage die Feststellung des Fortbestands der Kranken- und Krankentagegeldversicherung.

Versicherungsvertrag besteht fort

Das Landgericht Dortmund stellte fest, dass der Versicherungsvertrag fortbestand. Es fehlte nach Ansicht des LG Dortmund sowohl an den erforderlichen Gesundheitsfragen des Versicherers als auch einer Belehrung des Versicherers über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung, um eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung zu begründen.

„Zu eigen machen“ der Fragen des Versicherungsmaklers

Der Versicherer könne vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt. Der Versicherte habe die ihm bekannten erheblichen Umstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, diesem anzuzeigen. Vorliegend habe jedoch nicht der Versicherer Gesundheitsfragen gestellt, sondern der Versicherungsmakler. Nach Auffassung des Gerichts liegen daher keine Fragen des Versicherers vor, wenn die Fragen von einem im Lager des Versicherungsnehmers stehenden Versicherungsmaklers gestellt werden. Demnach komme die Annahme von Fragen des Versicherers ausnahmsweise nur dann im Betracht, wenn der Versicherer sich die Fragen des Versicherungsmaklers „zu eigen macht“

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Für den Versicherungsnehmer als Fragen des Versicherers ersichtlich?

Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur müsse für den Versicherungsnehmer selbst ersichtlich sein, dass es sich um Fragen des Versicherers handeln soll. Legt man diese Auffassung zugrunde, so habe sich der Versicherer die Gesundheitsfragen des Versicherungsmaklers nicht zu eigen gemacht. Denn es sei für den Versicherten nicht ersichtlich gewesen, dass die Gesundheitsfragen ggf. auf den Versicherer zurückgehen.

Auch das Gericht folgt dieser Auffassung. Zwar sei eine Auslegung des § 19 Abs. 1 S. 1 VVG auch dahingehend möglich, dass es ausreichend ist, wenn die Fragen nur inhaltlich auf den Versicherer zurückgeführt werden können. Dies allein werde allerdings dem Gesetzeszweck nicht gerecht. Dem Gesetzeszweck – den Versicherungsnehmer vom Risiko einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit ggf. anzuzeigender Umstände zu befreien – könne nur Genüge getan werden, wenn der Verfasser der Fragen für den Versicherungsnehmer erkennbar feststeht. Nur so erlange der Versicherungsnehmer die notwendige Sicherheit, dass mit den Fragen der Kreis der für seinen zukünftigen Vertragspartner möglichen gefahrerheblichen Umstände abgedeckt wird.

Fehlende Belehrung durch den Versicherer

Einem erfolgreichen Rücktritt des Versicherers stehe darüber hinaus die fehlende Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung entgegen. Es fehle nämlich an der Erfüllung der Hinweisflicht durch den Versicherer. Zwar seien Hinweise auf sämtlichen Formularen des Finanzdienstleisters erfolgt; damit liege indes keine Belehrung des Versicherers vor. Die fehlende Belehrung des Versicherers könne insbesondere nicht die Belehrung des Finanzdienstleisters ersetzt werden. Denn die von dem Gesetz bezweckte Warnfunktion für den Versicherungsnehmer werde ersichtlich nicht in gleicher Weise erfüllt, wenn der im eigenen Lager stehende Versicherungsmakler die Hinweise erteilt und nicht etwa der zukünftige Vertragspartner, dem die Ausübung der Rechte aus § 19 VVG ggf. zustehen würde.

Der Versicherer könne sich somit nicht mit Erfolg auf den erklärten Rücktritt oder dessen Anfechtung berufen. Die Klage des Versicherungsnehmers ist in vollem Umfang begründet.

Fazit

Vermittelt ein Versicherungsmakler den Versicherungsvertrag und stellt dieser die maßgebenden Gesundheitsfragen, so muss sich der Versicherer die Fragen des Versicherungsmaklers „zu eigen machen“, wenn er sich auf eine mit der fehlerhaften Beantwortung dieser Fragen begründenden Anzeigepflichtverletzung berufen möchte. Wann der Versicherer sich die Fragen des Versicherungsmaklers zu eigen gemacht hat, ist jedoch anhand des genauen Einzelfalles zu klären.

Die Anforderungen an einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht sollten also nicht unterschätzt werden. Beruft sich ein Versicherer auf einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht, so kann es durchaus sinnvoll sein, einem im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtanwalt erklärt wann eine Anzeigepflichtverletzung bei Fragen des Versicherungsmaklers in Betracht kommt

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