Kenntnis der Gefahrerhöhung (OLG Düsseldorf)

Das OLG Düsseldorf befasste sich mit dem Urteil vom 09.05.1989 (AZ: 4 U 165/88) mit der Frage, ob eine Kenntnis der Gefahrerhöhung erforderlich für eine Leistungsbefreiung des Versicherers ist.

Gefahrerhöhung durch defekte Bremsanlage?

Der Versicherungsnehmer schloss für ein gebraucht erworbenes Fahrzeug eine Kfz-Versicherung ab. Bezüglich des Zustandes des Fahrzeugs gab der Versicherungsnehmer an, in dem Glauben gewesen zu sein, dass keine Mängel vorgelegen haben. Er erklärte zudem den Stand der Bremsflüssigkeit des Fahrzeugs wöchentlich überprüft zu haben. Auch sei wenige Monate vor Erwerb des Fahrzeugs eine Bremsensonderuntersuchung vorgenommen worden, bei der keine Auffälligkeiten aufgetreten waren.

Nachfolgend kam es zu einem Unfall mit dem versicherten Fahrzeug. Die Unfallursache konnte auf ein Versagen der Bremsanalage zurückgeführt werden. Der Versicherungsnehmer verlangte infolgedessen vom Versicherer den Ausgleich des entstandenen Schadens. Dem kam der Versicherer nicht nach. Er beschränkte den Schadensausgleich auf 5.000 DM und erklärte, dass aufgrund der defekten Bremsanalage eine Gefahrenerhöhung eingetreten sei. Diese hätte der Versicherungsnehmer dem Versicherer anzeigen müssen. Da dies nicht geschehen sei, könne er den Schadensausgleich auf 5.000 DM begrenzen.

Der Versicherungsnehmer erklärte daraufhin, dass er keine Kenntnis der Gefahrenerhöhung gehabt hätte, und verlangte die vollständige Schadensregulierung. Nach erneuter Ablehnung des Versicherers erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Landgericht Düsseldorf. Das Landgericht Düsseldorf entschied zugunsten des Versicherungsnehmers. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherers.

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OLG Düsseldorf entscheidet zugunsten VN

Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte jedoch das erstinstanzliche Urteil. Der Versicherer könne sich nicht auf eine Leistungsbefreiung nach § 26 VVG aufgrund einer Gefahrerhöhung berufen.

Subjektives Element der Gefahrerhöhung

Zunächst stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf fest, dass von einem Defekt der Bremsanlage während des Unfallgeschehens ausgegangen werden könne. Um aufgrund einer Gefahrerhöhung die Versicherungsleistung kürzen zu können, müsse neben einer objektiven Gefahrerhöhung jedoch auch ein subjektives Element hinzutreten. In Bezug auf die Benutzung eines defekten Fahrzeugs bedeute dies, dass dem Versicherungsnehmer der Defekt hätte positiv bekannt sein müssen oder er sich diesem arglistig entzogen habe. Dem Versicherungsnehmer müsse die Änderung der Gefahrenlage also grundsätzlich bekannt sein.

Keine Kenntnis der Gefahrerhöhung in der Kfz-Versicherung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte sodann fest, dass den Versicherer bezüglich der Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Gefahrenlage die Beweispflicht treffe. Der Versicherer müsse also beweisen, dass dem Versicherungsnehmer der Defekt der Bremsanlage vor dem Unfallgeschehen bekannt war oder der Defekt nicht zu übersehen war.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf war der Meinung, dass dem Versicherer kein Beweis bezüglich der Kenntnis des Versicherungsnehmers der Gefahrenlage gelungen sei. Dafür bezog sich das Oberlandesgericht auf die Einschätzung eines Gutachters. Dieser gab an, dass bei verschlissenen Bremsanlagen ein plötzliches Bremsversagen schon bei abruptem Bremsen ausgelöst werden könne. Dabei könne Bremsflüssigkeit austreten, die auf einen Defekt der Bremsanalgen hindeute. Es könne aber nicht nachgewiesen werden, dass vor dem Unfallgeschehen Bremsflüssigkeit ausgetreten sei. Auch konnte der Versicherungsnehmer glaubhaft darlegen, dass er den Stand der Bremsflüssigkeit wöchentlich kontrolliert habe und dabei keine Auffälligkeiten aufgetreten waren. Zudem konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Bremsleistung schon mehrere Tage vor dem Unfallgeschehen merkbar nachgelassen habe. Zuletzt stellte das Gericht fest, dass sich der Versicherungsnehmer zusätzlich auf die kurz vorherige Sonderuntersuchung der Bremsen berufen könne. Daher sei davon auszugehen, dass keine Kenntnis der Gefahrerhöhung des Versicherungsnehmers vorlag.

Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass aufgrund des fehlenden Beweises der Kenntnis der Gefahrerhöhung keine Leistungsbefreiung des Versicherers eingetreten sei. Folglich könne der Versicherungsnehmer die vollständige Regulierung des eingetretenen Schadens verlangen.

Fazit zum Urteil des OLG Düsseldorf

Leistungskürzungen wegen einer Gefahrerhöhung sind im Versicherungsrecht keine Seltenheit (siehe dazu auch: Minderung der Versicherungsleistung wegen Gefahrerhöhung (KG Berlin)). Gleichwohl sind stets die Besonderheiten des konkreten Falles zu beachten. Neben einer objektiven Erhöhung der Gefahrenlage kommt es dabei eben auch darauf an, ob eine Kenntnis der Gefahrerhöhung seitens des Versicherungsnehmers vorlag. Hierfür ist der Versicherer grundsätzlich beweisbelastet.

Verweigert der Versicherer dennoch den vollständigen Schadensausgleich, kann es daher durchaus sinnvoll sein die Leistungsentscheidung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt rechtlich prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Artikel hierzu finden Sie auch unter Die Gefahrerhöhung

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt erklärt wann es auf die Kenntnis der Gefahrerhöhung ankommt

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