Das OLG Hamm hatte sich mit dem Urteil vom 30.03.1995 (AZ: 6 U 150/94) mit der Frage zu befassen, wann eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen in der Kfz-Versicherung eintritt.
Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer eine Kfz-Kaskoversicherung. Diese schloss er für ein Fahrzeug ab, welches als Taxi genutzt wurde. Nachfolgend wurde das versicherte Fahrzeug nach Angaben des Versicherungsnehmers auf einem Parkplatz aufgebrochen. Dabei wurde das hintere Fenster des Fahrzeugs eingeschlagen und es wurden ein Equalizer, das Taxameter und die Taxifunkanlage entwendet.
Der Vorfall wurde bei der Polizei gemeldet. Ob eine Anzeige gegenüber dem Versicherer erfolgte, ist unklar. Jedenfalls ließ der Versicherungsnehmer das Fahrzeug nach dem Vorfall für mehrere Wochen in dem aufgebrochenen Zustand auf dem öffentlichen Parkplatz stehen. Mehr als einen Monat später wurde das versicherte Fahrzeug gestohlen.
Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer eine Schadensregulierung in Höhe von 12.000 DM aus der Kfz-Versicherung. Der Versicherer lehnte die geforderte Schadensregulierung ab. Er argumentiert, dass eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen in der Kfz-Versicherung eingetreten sei und er daher gemäß § 26 VVG leistungsfrei sei. Diese folge aus dem Untätigbleiben des Versicherungsnehmers. Das eingeschlagene Fenster habe eine mögliche Entwendung des Fahrzeugs erheblich erleichtert. Dieser Umstand habe nicht bei Abschluss des Vertrags vorgelegen.
Das Landgericht Hamm gab der Klage des Versicherungsnehmers statt. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherers.
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Das Oberlandesgericht Hamm entschied zugunsten des Versicherers. Der Versicherungsnehmer habe keinen Anspruch auf Regulierung des eingetretenen Schadens.
Zunächst stellte das Oberlandegericht Hamm fest, dass das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls vorläge (siehe dazu auch: Beweis eines Autodiebstahls in der Kfz-Versicherung (OLG Dresden)). Demnach sei vom Eintritt des Versicherungsfalls vorerst auszugehen. Der Versicherer sei aber von seiner Leistungspflicht freigeworden, da eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen in der Kfz-Versicherung vorläge.
Der Versicherungsnehmer habe das Fahrzeug mehrere Wochen auf dem Parkplatz stehen gelassen, ohne die beschädigte Scheibe auszuwechseln. Durch die eingeschlagene Scheibe sei es zu einer erheblichen Erleichterung des unbefugten Eindringens in das Fahrzeug gekommen. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls deutlich gesteigert worden. Ein solches Risiko habe zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorgelegen. Folglich sei dadurch eine deutliche Risikoerhöhung eingetreten. Diese sei auch von einer gewissen Dauer, da der Versicherungsnehmer das Fahrzeug über mehrere Wochen nicht von dem Parkplatz entfernte oder die defekte Scheibe reparierte. Folglich resultiere aus diesen Umständen eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen in der Kfz-Versicherung.
Das Oberlandesgericht Hamm führte fort, dass der Versicherungsnehmer den Umstand der Gefahrenerhöhung gegenüber dem Versicherer unverzüglich hätte anzeigen müssen. Dies hätte ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Beschädigung der Scheibe erfolgen müssen. Ein angemessener Zeitraum sei in so einem Fall auf eine Woche zu bemessen.
Dass eine vorherige Anzeige der defekten Scheibe gegenüber dem Versicherer erfolgt sei, sei nicht bewiesen. Folglich sei davon auszugehen, dass der Versicherer keine Kenntnis über den Zustand des Fahrzeugs hatte. Das Oberlandesgericht Hamm kam in Betrachtung aller Umstände daher zu dem Ergebnis, dass eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen in der Kfz-Versicherung eingetreten sei. Im Ergebnis führe dies zu einer Leistungsbefreiung des Versicherers, wodurch dem Versicherungsnehmer kein Anspruch auf eine weitere Schadensregulierung hat.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm zeigt, dass neben einer Gefahrerhöhung durch aktives Tun auch eine Gefahrerhöhung durch Unterlassen durchaus möglich ist. Gleichwohl kommt es für die Frage der Leistungspflicht des Versicherers stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.
Kommt es daher zu einer Ablehnung der Schadensregulierung wegen einer Gefahrerhöhung, so kann es sich anbieten, die konkreten Umstände des Einzelfalles durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen. Gerne steht Ihnen dafür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter Die Gefahrerhöhung
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