Der BGH hatte mit seinem Urteil vom 09.07.1975 (AZ: IV ZR 95/73) zu entscheiden, ob eine Gefahrerhöhung durch Aufstellung eines Gerüsts entstehen kann und ob dies zu einer Leistungsbefreiung des Versicherers führt.
Die Versicherungsnehmerin unterhielt eine Einbruchsdiebstahlversicherung für ihren Pelzgroßhandel. Der Laden der Versicherungsnehmerin befand sich im zweiten Stock eines mehrstöckigen Hauses.
Nach Abschluss der Versicherung behauptet die Versicherungsnehmerin, dass es zu einem nächtlichen Einbruch gekommen sei. Dabei sei Ware im Wert von 199.589,00 DM entwendet worden. Während des Einbruchs hatte sich an dem Haus, in dem sich der Pelzgroßhandel befand, ein Gerüst befunden. Wenige Tage nach der Errichtung des Gerüsts hatte die Versicherungsnehmerin einen Nachtwächter zur Überwachung ihrer Räume eingestellt, dieser hatte aber einige Tage vor dem Einbruch gekündigt. Die Einbrecher konnten daher unbemerkt über das Gerüst und dann anschließend durch ein Fenster in den Laden der Versicherungsnehmerin gelangt. Das Fenster hatten die Einbrecher zuvor eingeschlagen.
Infolgedessen machte die Klägerin Ansprüche aus der Einbruchsdiebstahlversicherung geltend. Der hauptbeteiligte Versicherer lehnte die Schadensregulierung ab. Er gab an, dass eine Gefahrerhöhung durch Aufstellung eines Gerüsts eingetreten sei. Da die Versicherungsnehmerin die Gefahrerhöhung ihm gegenüber nicht angezeigt habe, sei er daher leistungsfrei geworden.
Die Versicherungsnehmerin legte daraufhin Klage vor dem Landgericht Frankfurt ein, welches die Klage als unbegründet abwies. Die Berufung der Versicherungsnehmerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hatte Erfolg. Dagegen legte der Versicherer Revision vor dem BGH ein und begehrte die Widerherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte unterstützen Versicherte bundesweit bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Versicherungsrecht. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Der BGH verneinte eine Leistungsfreiheit wegen einer Gefahrerhöhung durch Aufstellung eines Gerüsts.
Der BGH stellte vorerst fest, dass der Versicherungsnehmerin der Beweis eines Einbruchdiebstahls gelungen sei (siehe dazu auch: Hausratversicherung: Einbruchdiebstahl nur bei Nachweis tatsächlich verschlossenen Gebäudes (OLG Dresden)). Er führte fort, dass in der Aufstellung eines Gerüsts möglicherweise eine Gefahrerhöhung gesehen werden könne. Eine Gefahrerhöhung liege nämlich vor, wenn ein Zustand bestünde, der in seiner Natur geeignet sei, einen neuen Gefahrenzustand zu schaffen, der so den Eintritt des versicherten Risikos wahrscheinlicher werden lasse. Das Aufstellen eines Gerüsts könne einen solchen Zustand schaffen. Über das Gerüst sei es für Einbrecher nämlich möglich, an die Fenster der höheren Stockwerke zu gelangen und so durch ein Fenster einzusteigen.
Es sei aber festzustellen, dass in der Zeit der nächtlichen Überwachung durch einen Nachtwächter keine Gefahrerhöhung mehr bestanden habe. Die Versicherungsnehmerin habe nämlich die durch das Aufstellen des Gerüsts erhöhte Gefahrensituation durch das Einstellen eines Nachtwächters kompensiert.
Mit Kündigung des Nachtwächters sei die Kompensation jedoch weggefallen und eine Gefahrerhöhung jedoch eingetreten. Allerdings trete eine Leistungsfreiheit des Versicherers erst ein, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach Gefahrerhöhung eingetreten ist. Im vorliegenden Fall sei der Versicherungsfall war dies nicht geschehen, sondern der Einbruch erfolgte nur einige Tage nach der Kündigung des Nachtwächters. Aus diesem Grund ist der Versicherer nicht durch die Gefahrerhöhung leistungsfrei geworden
Das Urteil des BGH zeigt, dass eine Gefahrerhöhung durch Aufstellung eines Gerüsts entstehen kann. Allerdings kann eine Gefahrerhöhung auch durch entsprechende Maßnahmen kompensiert werden. Die Aufstellung eines Gerüsts führt also nicht zwangsläufig zu einer Gefahrerhöhung.
Ob jedoch tatsächlich eine Gefahrerhöhung vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Verweigert der Versicherer eine Schadensregulierung wegen einer Gefahrerhöhung, so kann es durchaus empfehlenswert sein, die Leistungsablehnung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen. Gerne unterstützen Sie auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Einen weiterführenden Artikel zu dieser Thematik finden Sie auch unter Die Gefahrerhöhung
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.