Das OLG Hamm hatte sich mit Urteil vom 17.03.2023 (OLG Hamm Urt. v. 17.3.2023 – I-20 U 117/22) mit der Frage der Auswirkungen auf das Krankentagegeld bei Behandlungspause zu befassen. Konkret ging es darum, ob einer bedingungsgemäßen Behandlung entgegensteht, wenn der ärztliche Behandlungsplan eine Pause vorsieht oder größere zeitliche Abstände zwischen Einzelbehandlungen bestehen.
Der Versicherungsnehmer unterhielt eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Aufgrund einer eingetretenen Berufsunfähigkeit wurde die Krankentagegeldversicherung beendet und in eine Anwartschaftsversicherung umgewandelt. Diese sah nach einer Karenzzeit von 42 Tagen die Zahlung eines täglichen Krankentagegeldes in Höhe von 100 Euro vor. Der Krankentagegeldversicherung liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, ergänzt durch die Tarifbedingungen der Beklagten, zugrunde.
Im September 2014 erlitt der Versicherungsnehmer einen physischen und psychischen Zusammenbruch und nahm daraufhin eine Gesprächstherapie bei einer Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzausbildung für Psychotherapie) auf. Seitdem ist der Versicherungsnehmer nicht mehr beruflich tätig. Während dieser Zeit habe er zwar kürzere, aber stützende Gesprächstermine wahrgenommen. Zwischen diesen Gesprächsterminen gab es eine Behandlungspause. Dabei habe es jedoch der Empfehlung eines Gutachters entsprochen, die Therapiesitzungen zeitlich gestreckt und in geringerer Häufigkeit durchzuführen, um eine „Übertherapierung“ zu vermeiden. Hierbei habe es sich um eine bewusste therapeutische Entscheidung mit genau definiertem Zeitraum gehandelt. Ergänzend habe der Versicherungsnehmer erklärt, die Ärztin habe sich die Einschätzung des Gutachters zu eigen gemacht und eine „Streckung“ der Behandlungstermine befürwortet, damit er aus dem „Behandlungsstress“ heraus- und zur Ruhe komme. Er habe lediglich kurze Impulse benötigt, da alles eingehend im Rahmen der vorhergehenden Gesprächstherapie vorbesprochen gewesen sei.
Der Versicherungsnehmer machte vorprozessual ein Krankentagegeld geltend. Mit einem Schreiben wies der Versicherer jedoch weitere Ansprüche zurück. Daraufhin machte der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer erstinstanzlich die Zahlung des Krankentagegeldes geltend. Das Landgericht gab der Klage teilweise statt. Mit der Berufung verfolgt der Versicherungsnehmer seinen Klageforderung im Übrigen weiter.
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Ein Versicherungsfall in der Krankentagegeldversicherung liegt bei einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung des Versicherungsnehmers wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf eine Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, vor. Das Landgericht stellte beim Versicherungsnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum sowohl eine Arbeitsunfähigkeit fest als auch die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung. Weiterhin sei der Versicherungsfall nicht vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums geendet; insbesondere sei die Behandlungsbedürftigkeit weder entfallen noch sei in diesem Zeitraum eine Heilbehandlung tatsächlich nicht durchgeführt worden.
Ob eine fortdauernde Behandlung, eine für den Versicherungsfall unschädliche bloße Behandlungspause oder ein – den Versicherungsfall beendender – Behandlungsabschluss vorliegt, bestimmt sich insbesondere nach dem Behandlungsplan der behandelnden Ärztin. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Versicherungsnehmer im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß den Voraussetzungen der Ärztin behandelt wurde. Insbesondere entspreche die geringere Frequenz sowie die kürzere Dauer der Behandlungstermine dem zwischen der Ärztin und dem Versicherungsnehmer abgestimmten Behandlungsplan. Da die kürzeren Gesprächstermine an die frühere Gesprächstherapie anknüpften und der Impulssetzung und Stabilisierung dienten, genügen sie zudem der Qualität einer bedingungsgemäßen medizinischen Behandlung.
Damit sei der Versicherer nicht wegen Obliegenheitsverletzungen zur Leistungskürzung berechtigt oder gar leistungsfrei. Der nach dem erstinstanzlichen Urteil verbliebene streitige Restanspruch ist mit dem Schreiben, in dem der Versicherer den Anspruch des Versicherungsnehmers zurückwies, wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung fällig geworden. Damit errechne sich ein Restanspruch in Höhe von 7.400 Euro. Das Gericht entschied, dass dem Versicherungsnehmer aus der bestehenden Krankentagegeldversicherung ein weiterer Anspruch auf Krankentagegeld zusteht und gab dem Versicherungsnehmer somit Recht.
Ein die Zahlung von Krankentagegeld begründender Versicherungsfall liegt vor bei einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung des Versicherungsnehmers wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf eine Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Dies wiederum bestimmt sich nach dem Behandlungsplan des behandelnden Arztes mit der Folge, dass in diesem Behandlungsplan vorgesehene Behandlungspausen oder größere zeitliche Abstände zwischen nicht zwingend entgegenstehen. Ein Anspruch auf Krankentagegeld kann mithin auch bei einer Behandlungspause bestehen.
Lehnt der Versicherer daher eine Leistung ab, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne steht hierfür auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie u.a. auch unter Krankentagegeldversicherung
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