Das OLG Dresden hatte sich mit Urteil vom 15.09.2010 (Az.: 7 U 466/10) mit der Frage der groben Fahrlässigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt zu befassen.
Der Versicherungsnehmer schloss eine Vollkaskoversicherung für seinen Pkw ab. Dieser Pkw war am 13.07.2008 gegen 07:15 Uhr in einen Verkehrsunfall verwickelt. Das Fahrzeug war in einer leichten Linkskurve von der Fahrbahn nach links abgekommen und gegen einen Laternenpfahl geprallt. Eine beim Versicherungsnehmer um 08:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille.
Für die Reparatur des Pkw wandte der Versicherungsnehmer 6.722,43 Euro auf. Der Versicherungsvertrag sieht eine Selbstbeteiligung von 300,00 Euro vor. Der Versicherungsnehmer behauptet, er könne sich nicht mehr an Vorfall erinnern und zweifelt an, dass er Fahrer gewesen sei. Er macht Ansprüche aus seiner Fahrzeugvollversicherung nunmehr gerichtlich geltend.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Herbeiführung des Versicherungsfalles liegt, beim Versicherer, so das OLG Dresden. Soweit dem Versicherungsnehmer also tatsächlich jede Erinnerung an den Unfall fehlt, – was ihm nicht zu widerlegen ist – könne er sich hinsichtlich des Unfallhergangs und damit auch bezüglich der Frage, wer das Fahrzeug gefahren ist, auf Nichtwissen berufen.
Nach Ansicht des OLG Dresden stand die Fahrereigenschaft des Versicherungsnehmers aufgrund der Gesamtumstände fest. Die vom Versicherer vorgetragenen Indizien waren unstreitig. Insbesondere der Umstand, dass der Versicherungsnehmer von einer Zeugin unmittelbar nach dem Unfall bei seinem Fahrzeug gesehen wurde, spreche dafür, dass er Fahrer gewesen sei. Er habe auch den Fahrzeugschlüssel besessen. Zudem seien keine weiteren Personen bei dem Fahrzeug gesehen worden.
Unter diesen Umständen spreche alles dafür, dass der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug selbst gefahren hat. Es liege zwar keine absolute Gewissheit vor, dass doch ein Dritter das Fahrzeug gefahren hat, eine solche sei allerdings auch nicht erforderlich. Vielmehr sei es ausreichend, sich mit einer „persönlichen Gewissheit“ zu begnügen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Es liege nicht irgendein Anhaltspunkt dafür vor, dass ein anderer das Fahrzeug gefahren haben könnte. Hingegen sei der Versicherungsnehmer unmittelbar nach dem Unfall am Fahrzeug gesehen worden und hatte auch den Schlüssel bei sich.
Weiterhin habe der Versicherungsnehmer den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Grobe Fahrlässigkeit liege in den Fällen vor, in denen die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dabei sei das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit grundsätzlich grob fahrlässig.
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Der Versicherungsnehmer könne zudem nicht nachweisen, dass er schuldunfähig war. Ihn treffe nämlich die Beweislast dafür, dass er sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störungen der Geistestätigkeit befunden hat.
Der beauftragte sachverständige Facharzt für Rechtsmedizin habe zwar festgestellt, dass ein Vollrausch im Zeitpunkt des Unfalls nicht ausgeschlossen werden könne, sicher habe er den Vollrausch jedoch nichtfeststellen können. Er habe ausgeführt, dass insbesondere das Telefonieren am Unfallort gegen einen Vollrausch spreche. Als Blutalkoholkonzentration habe er im Wege der Rückrechnung 3,18 Promille ermittelt. Hierbei habe es sich allerdings um eine Rückrechnung gehandelt, bei der zu Gunsten des Versicherungsnehmers ein möglichst hoher Wert errechnet werden musste. Aber selbst bei einer Blutalkoholkonzentration dieser Höhe könne nicht automatisch auf Schuldunfähigkeit geschlossen werden. Der Annahme der Schuldunfähigkeit entgegenstehende Anhaltspunkte habe der Sachverständige aber gerade nicht festgestellt.
Darüber hinaus erfordere grobe Fahrlässigkeit auch in subjektiver Hinsicht ein gesteigertes Verschulden. Eine erheblich geminderte Einsicht- und Hemmungsfähigkeit könne bei der Feststellung grober Fahrlässigkeit nicht außer Betracht bleiben. Indessen könne eine grobe Fahrlässigkeit trotz erheblich eingeschränkter Einsichts- und Hemmungsfähigkeit zu bejahen sein, wenn ganz elementare Verhaltensregeln verletzt werden, deren Einhaltung auch in diesem Zustand unbedingt erwartet werden muss.
Ebenso verhalte es sich in der Regel bei einer Trunkenheitsfahrt. Vorliegend seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer in seiner Einsichts- und Hemmungsfähigkeit so erheblich eingeschränkt war, dass die Einhaltung einer der elementarsten Verkehrsregeln, nämlich des Verbotes des Führens von Kraftfahrzeugen im fahruntüchtigen Zustand, von ihm nicht mehr hätte erwartet werden können. Es stehe bereits nach dem Beweis des ersten Anscheins fest, dass die Alkoholisierung des Versicherungsnehmers ursächlich für den Unfall war. Insbesondere sei die von ihm zu meisternde Fahrsituation denkbar leicht gewesen.
Da der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall somit grob fahrlässig herbeigeführt habe, sei der Versicherer berechtigt, seine Leistungen in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Hierunter könne auch eine Kürzung auf Null verstanden werden. Insbesondere sei beim Führen eines Kraftfahrzeugs im absolut fahruntüchtigen Zustand eine Kürzung um 100% gerechtfertigt. Es handele sich um ein besonders gefahrträchtiges Verhalten, und zwar sowohl für Dritte wie auch für den Fahrer und – worauf es im Rahmen der Vollkaskoversicherung ankommt – das von ihm geführte Fahrzeug selbst. Der Versicherungsnehmer habe somit keinen Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens, da er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Bei einer Trunkenheitsfahrt kann der Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung wegen eines grob fahrlässigen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein. Allerdings sind nicht unerhebliche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Versicherers zu beachten. Verweigert der Versicherer nach einer Trunkenheitsfahrt die Regulierung von Schäden im Rahmen der Vollkaskoversicherung, so kann es sich daher durchaus anbieten, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des konkreten Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Einen weiterführenden Artikel zur Herbeiführung des Versicherungsfalls finden Sie hier: Die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls
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