Der BGH hatte sich mit Urteil vom 14.03.2006 (Az.:VI ZR 335/04) mit der Frage zu befassen, wo die Grenze für objektiv zumutbare Rettungsmaßnahmen liegt.
Die Versicherer und der Versicherungsnehmer schlossen am 29. Mai 1998 einen Yachtkaskoversicherungsvertrag für das Schiff des Versicherungsnehmers. Am 1. November 1998 geriet das Schiff in Brand und versank im karibischen Meer. Als sich der Versicherungsnehmer daraufhin an die Versicherer wandte, lehnten diese die Versicherungsleistung ab. Der Versicherer behauptete, der Versicherungsnehmer sei seiner Rettungsobliegenheiten bei der Bekämpfung des Brandes nicht hinreichend nachgekommen.
Konkret hätte der Versicherungsnehmer es unterlassen, die Batterien des Schiffs auszuschalten und das Schiff „vor den Wind zu legen“. In diesem Zusammenhang wurde es dem Versicherungsnehmer angelastet, dass er das Schiff unverzüglich „in den Wind“ hätte legen müssen, um „den Wind tot zu laufen“. Er habe auch nicht erst nach einer Stunde die Fahrt „aus dem Wind“ nehmen dürfen. Hiergegen habe der Versicherungsnehmer eingewandt, das Schiff wäre nicht „im Wind stehen geblieben“, denn sein Schiff hätte – wie es für diese Schiffsklasse üblich sei – die Neigung gehabt, sich „vor den Wind zu legen“.
Der Versicherungsnehmer macht daraufhin gerichtlich Versicherungsleistungen aus dem Yachtkaskoversicherungsvertrag wegen des Verlustes seines Schiffes geltend.
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Der Versicherungsnehmer war verpflichtet gewesen, bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Hiermit habe ihn die Obliegenheit getroffen, die in der jeweiligen Situation sich anbietenden uns zumutbaren Rettungsmaßnahmen unverzüglich und mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu ergreifen, so der BGH. In diesem Zusammenhang könne die Verletzung solcher Rettungsobliegenheiten allerdings nur dann zur Leistungsfreiheit der Versicherer führen, wenn der Versicherungsnehmer dabei vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Verstoß gegen die Rettungsobliegenheit liege beim Versicherer. Die Umstände für das Fehlen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit habe hingegen der Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen.
Der Versicherungsnehmer hätte die beiden unmittelbar bei den Batterien befindlichen Hauptschalter betätigen müssen, um die Stromzufuhr abzuschalten. Da beide Batterien miteinander verbunden gewesen seien, hätte ein Ausschalten nur des Hauptschalters im Backbordrumpf die Stromverbindung durch die Batterien nicht unterbrochen. Darüber hinaus habe der Versicherungsnehmer nur durch die Kabinen im Steuerbordrumpf zu den Hauptschaltern gelangen können. Diese seien jedoch komplett mit Rauch gefüllt gewesen, so dass er dort nicht habe atmen können und um sein Leben gefürchtet habe.
Die örtlichen Gegebenheiten auf dem Schiff waren also entscheidend. Der Versicherungsnehmer hatte somit nach den Umständen des Streitfalls keine objektiv ihm zumutbaren Rettungsobliegenheiten verletzt. Insbesondere seien die Versicherer nicht deshalb von ihrer Leistungspflicht frei, weil der Versicherungsnehmer bei Erkennen der Rauchbildung die Hauptschalter an den Batterien nicht unverzüglich abgeschaltet habe.
Es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen Gefahrsituation für Leib und Leben dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten war, den jeweiligen Hauptschalter in dem von Rauch gefüllten Schiffsrumpf auszuschalten, so der BGH. Die Grenze für zumutbare Rettungsmaßnahmen ergebe sich aus Treu und Glauben. Insbesondere brauche sich der Versicherungsnehmer keiner Gefahr für Leib oder Leben auszusetzen.
Bzgl. der Frage, ob der Versicherungsnehmer seine Rettungsobliegenheit nicht dadurch verletzt habe, dass er das Schiff nicht „vor den Wind“ gelegt hatte, sah der BGH einen solchen Verstoß als durchaus möglich. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht bei der Bewertung dieser Frage nicht ohne weiteres annehmen dürfen, dass den Versicherungsnehmer kein grobes Verschulden treffe. Dem Berufungsgericht fehle erkennbar eine hinreichende eigene Sachkunde, um diese Frage selbst beantworten zu können.
Somit beruhe die Auffassung des Berufungsgerichts, die Versicherer seien nicht wegen einer (grob fahrlässigen) Verletzung der Rettungsobliegenheiten von der Leistung frei geworden, auf einer unzureichenden Sachaufklärung. Nach alledem sei die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Versicherungsnehmer ist bei Eintritt des Schadensfalls verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Die Verletzung dieser Rettungsobliegenheit kann zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Die Grenze für eine objektive zumutbare Rettungsmaßnahme ergibt sich jedoch aus Treu und Glauben. Vor diesem Hintergrund braucht sich ein Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Rettungsobliegenheit jedenfalls keiner Gefahr für Leib oder Leben auszusetzen.
Soweit ein Versicherer die Regulierung eines Versicherungsfalles ablehnt und behauptet, der Versicherungsnehmer hätte gegen eine Rettungsobliegenheit verstoßen, so kann es durchaus sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Sachverhaltes zu beauftragen. Einen umfassenden Artikel zur Schadensminderungspflicht finden Sie auch unter Die Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers.
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