Vorgetäuschte Selbstmordabsicht bei Strangulationstod? (LG Heidelberg)

Liegt rein äußerlich ein Strangulationstod vor, so kann es im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers relevant werden, ob der Versicherte eine Selbstmordabsicht bloß vortäuschen wollte oder aber tatsächlich Suizid begehen wollte. Sollte es sich nämlich doch um einen unfreiwilligen Unfalltod und nicht um einen tatsächlich gewollten Selbstmord gehandelt haben, kann die Leistungspflicht des Versicherers fortbestehen. Wie der Fall zu bewerten ist, wenn sich der Versicherte strangulierte, obwohl seine Füße noch Bodenkontakt hatten, war Gegenstand des Urteils des LG Heidelberg (LG Heidelberg, Urteil vom 06.10.1988 – Az.: 7 O 176/88).

Tod durch Strangulation

Der Versicherte unterhielt eine Lebensversicherung. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen sahen die Leistungsfreiheit des Versicherers für den Fall vor, dass sich der Versicherte vor Ablauf von drei Jahren suizidierte.

Während der Laufzeit der Versicherung hatte der Versicherte Probleme in seiner Ehe, da der Versicherte immer wieder Affären hatte. Daraufhin drohte hin ihm seine Ehefrau mit der Trennung. Als die Ehefrau von einer weiteren Affäre erfuhr, konfrontierte sie den Versicherten damit und kündigte die Trennung an. Kurz darauf fand die gemeinsame zehnjährige Tochter den Versicherten an einem Seil aufgehängt im Keller. Seine Füße hatten dabei noch Kontakt zum Boden. Nachdem die Polizei den Versicherten noch lebend befreien konnte, verstarb er kurze Zeit später im Krankenhaus.

Der Versicherer verweigerte der Ehefrau die Leistung aus der Lebensversicherung. Der Versicherer argumentierte dazu, dass sich der Versicherte noch innerhalb der Karenzzeit suizidierte. Die Ehefrau hingegen war der Meinung, dass es sich nicht um einen Suizid gehandelt habe, sondern um einen Unfall. Der Versicherte habe noch Kontakt zum Boden gehabt und habe sich deshalb überhaupt nicht ernstlich umbringen wollen.

Das Landgericht Heidelberg befasste sich nun erstinstanzlich mit der Sache.

Beweis eines Selbstmordes

Dem Landgericht nach sei der Versicherer für die Tatsache, dass es sich bei der Tat um einen Suizid gehandelt habe, beweispflichtig. Dafür müsse das Gericht vom Vorliegen eines gewollten Selbstmordes durch den Versicherten überzeugt sein. Hierfür sei keine unumstößliche Gewissheit erforderlich. Vielmehr genüge ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese völlig auszuschließen.

Ein solcher Beweis könne auch durch Indizien erfolgen, welche den Schluss auf die Gesinnung einer vorsätzlichen Selbsttötung schließen lassen. Dies könne der Fall sein, wenn sich nachvollziehbare Erklärungen für einen unfreiwilligen Hergang des Geschehens nicht finden ließen.

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Vorgetäuschte Selbstmordabsicht bei Bodenkontakt?

Im konkreten Fall bestanden seitens des Landgerichts Heidelberg keine Zweifel daran, dass es sich um eine vorsätzliche Selbsttötung gehandelt habe. Die Möglichkeit, dass es sich um ein Unfallgeschehen gehandelt habe, sei eine bloß theoretische Möglichkeit, für welche es keinerlei Anhaltspunkte gäbe.

Bei einem Strangulationstod ohne jegliche Fremdeinwirkung sei der Schluss einer vorsätzlichen Selbsttötung nach Ansicht des Landgerichts Heidelberg beinahe zwingend. Ein versehentliches Erhängen aus Leichtsinn liege hier nicht vor und sei kaum vorstellbar. Vielmehr habe der Versicherte zunächst nur seine Füße weggezogen und somit bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit die Herrschaft über das Geschehen gehabt. Er sei nicht auf das Eingreifen Dritter von außen angewiesen gewesen. Bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit habe er den Vorgang noch ohne weiteres beenden können.

Sei der Selbstmord ein Mittel gewesen, um die Ehefrau von einer Trennung abzuhalten, hätte er als Zahnmediziner zu anderen Mitteln, wie etwa der Vergiftung mit einer unzureichenden Dosis greifen können. Bei der Vortäuschung eines Selbstmordes durch das Erhängen hätte er zudem warten können, bis tatsächlich jemand gekommen wäre. Als medizinisch versierter Mensch sei dem Versicherten nicht zuzutrauen gewesen, diese Art der Täuschung zu wählen. Vielmehr sei dies schlichtweg abwegig.

Das Landgericht Heidelberg ging daher davon aus, dass der Versicherte einen Selbstmord nicht nur vortäuschen, sondern tatsächlich begehen wollte. Der spontane Entschluss dazu sei durch die Trennungsabsicht seiner Ehefrau hervorgerufen worden. Aus Verzweiflung habe der Versicherte den Tod wählen wollen. Jedenfalls habe das Gericht keinerlei Zweifel an der Absicht des Todeseintritts. Der Versicherer sei von seiner Leistungspflicht frei geworden.

Fazit

Erhängt oder stranguliert sich der Versicherte, liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine vorsätzliche Selbsttötung gehandelt haben muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ehefrau kurz zuvor ernstlich mit der Trennung gedroht hat. Auch wenn die Füße noch Bodenkontakt hatten, konnte nicht von einer bloßen Täuschungsabsicht ausgegangen werden, da allgemein bekannt ist, wie schnell die Bewusstlosigkeit bei solchen Vorgängen eintritt und somit die Kontrolle der Situation verloren geht. Strangulation oder Erhängen deuteten daher auf die ernste Absicht einer vorsätzlichen Selbsttötung hin.

Es ist jedenfalls immer das Einzelfallgeschehen unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände zu betrachten. Fehlt es an einem Motiv oder gibt es andere Besonderheiten, so ist selbst bei einem Erhängen nicht zwingend von einem vorsätzlichen Selbstmord des Versicherten selbst bei einem Erhängen auszugehen. Verweigert die Lebensversicherung bezugsberechtigten Personen die Leistung, kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Weitere interessante Beiträge zum Thema finden sie hier: „Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt Jens Reichow berichtet über Urteil zum Versicherungsschutz nach Strangulationstod.

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