Ob eine Strangulation allein zum Beweis einer vorsätzlichen Selbsttötung geeignet ist, kann im Rahmen einer Lebensversicherung relevant werden. Doch kann von der Methode der Tötung auf die Absicht dahinter geschlossen werden? Diese Frage war Gegenstand des Urteils des OLG Hamm (Urteil vom 15.09.1999 – Az. 20 U 64/99).
Innerhalb der dreijährigen Karenzzeit wurde der Versicherte einer Lebensversicherung stranguliert in seiner Wohnung aufgefunden. Das Seil war an einer Treppenstufe festgeknotet und der Versicherungsnehmer hatte keinerlei Bodenkontakt mehr. Neben ihm befand sich ein umgekippter Schemel. Hinweise auf ein etwaiges Fremdverschulden gab es nicht. Die angerufene Notärztin konnte nur noch den Tod des Versicherten feststellen.
Die im Todesfall begünstigte Ehefrau beantragte bei dem Versicherer die Auszahlung der Versicherungssumme. Der Versicherer verweigerte jedoch die Zahlung mit der Begründung, dass der versicherte sich vorsätzlich selbst getötet hätte. Daraufhin erhob die Ehefrau des Versicherten Klage vor dem zuständigen Landgericht. Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, musste sich das Oberlandesgericht Hamm mit dem Fall befassen.
Das OLG Hamm war überzeugt davon, dass es sich bei dem Tod des Versicherten nicht um einen Unfall, sondern um eine vorsätzliche Selbsttötung gehandelt hat. Der Beweis einer vorsätzlichen Selbsttötung könne grundsätzlich auch durch Indizien erbracht werden. Diese müssten geeignet sein, Zweifel an einem anderen Hergang auf ein zu vernachlässigendes Maß zu reduzieren. Solche Indizien seien vorliegend gegeben.
Zum einen sei die Methode der Strangulation bereits als solche geeignet, ein gewichtiges Indiz für eine vorsätzliche Selbsttötung darzustellen. Denn indem sich der Versicherte auf einen Schemel stellte, bei dessen Umstürzen keinerlei Möglichkeit mehr bestehe, selbst in den Geschehensablauf einzugreifen, liege das Ziel der eigenen Tötung sehr nahe. Dazu sprächen auch die weiteren Umstände, die für die Strangulation gewählt wurden. Der Versicherte sei von draußen nicht erkennbar gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spaziergänger o.ä. den Versicherten bei seinem Vorhaben stören würde, habe demnach nicht bestanden. Zudem sei sicher gewesen, dass die Ehefrau die nächsten Stunden außer Haus sein würde. Da beim Strangulieren der Tod schnell eintrete, habe der Versicherte auch nicht mit einer Hilfe von Dritten rechnen können.
Der Schluss, dass es sich nicht um eine Selbstmorddemonstration gehandelt habe, liege angesichts dieser vorsätzlich herbeigeführten hilflosen Lage besonders nahe. Dies beurteilt sich nicht anders dadurch, dass der Versicherte bereits in der Vergangenheit eine Selbstmorddemonstration beging. Auch die Verletzungen an den Armen des Versicherten, die offensichtlich nicht zum Tode hätten führen können, schmälern die Absicht für diesen konkreten Versuch nicht. Denn der tatsächliche Selbstmord stelle sich oft erst als Ende eines langen und sich intensivierenden Prozesses dar, welcher durch depressive Gedanken katalysiert werde.
Der Ernsthaftigkeit des Vorhabens sei auch dadurch Rechnung getragen worden, dass der Versicherte in einem Abschiedsbrief mit seinem Leben abgerechnet habe. In diesem Brief beschreibe er ausdrücklich, dass die Auszahlung der Versicherungssumme die finanziellen Probleme der Familie zu lösen vermag. Aufgrund der Dichte und Kraft der Indizien verbiete sich ein anderer Schluss als der auf eine vorsätzliche Selbsttötung.
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Ein die freie Willensbildung ausschließender Zustand krankhafter geistiger Störung, der einen Ausnahmetatbestand zum Ausschluss der Leistungspflicht bilde, sei hingegen nicht anzunehmen. Zwar sei der Versicherte Alkoholiker gewesen. Jedoch sei ein solcher Geisteszustandes bei alkoholgewöhnten Menschen noch schwerer zu erreichen, als dies bei „normalen“ Menschen sowieso schon der Fall sei. Hinsichtlich einer besonders schweren Alkoholisierung am Todestag sei jedenfalls kein ausreichender Vortrag erfolgt. Eher spreche Art und Inhalt des Abschiedsbriefes dafür, dass beim Versicherten keine Persönlichkeitsveränderung stattfand, die die Annahme einer Geschäftsunfähigkeit rechtfertige.
Dass ein Suizid vorlag, muss grundsätzlich vom Versicherer bewiesen werden, wenn er sich aufgrund dieser Tatsache auf Leistungsfreiheit beruft. Dieser Beweis kann manchmal jedoch auch schon durch Indizien erbracht werden.
Hat sich der Versicherte stranguliert und dafür gesorgt, dass er in den Geschehensablauf nicht mehr eingreifen und ihm niemand zu Hilfe kommen kann, sprechen die Umstände für eine vorsätzliche Selbsttötung. Wird dazu noch ein Abschiedsbrief verfasst, welcher die finanziellen Probleme als Motiv für die Tat bezeichnet, kann dies eine vorsätzliche Selbsttötung noch untermauern (siehe auch Beweis eines Suizids durch Abschiedsbrief (OLG Köln)).
Es ist jedenfalls immer das Einzelfallgeschehen unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände zu betrachten. Verweigert die Lebensversicherung bezugsberechtigten Personen die Leistung, kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Weitere interessante Beiträge zum Thema finden sie hier: „Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?“
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