Bei Sturmschäden wird die Gebäudeversicherung eintrittspflichtig, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen Versicherungsbedingungen erfüllt sind. Hat man den Schaden bereits beseitigt, werden die entsprechenden Rechnungen zur Regulierung bei der Gebäudeversicherung eingereicht. Reicht der zur Abwicklung beauftragte Versicherungsmakler Kostenvoranschläge des Versicherten als bereits gezahlte Rechnungen zur Regulierung ein, obwohl die Arbeiten nie durchgeführt wurden, könnte der Versicherer die Leistung möglicherweise wegen arglistigem Verhalten verweigern. Wann Arglist vorliegt und ob die Erklärungen eines eingeschalteten Versicherungsmaklers dem Versicherungsnehmer überhaupt zuzurechnen sind, entschied nun das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 07.12.2022 – 3 U 205/22).
Die Parteien streiten darüber, ob der Wohngebäudeversicherer verpflichtet ist, für Sturmschäden am Gebäude des Versicherungsnehmers aufzukommen.
Letzterer bediente sich zur Abwicklung des Schadens an seinem Gebäude eines Maklerbüros. Im Anschluss an die Schadensaufnahme übermittelte der Versicherte dem Maklerbüro zahlreiche Unterlagen. Diese enthielten jeweils Gesamtbruttobeträge über zahlreiche Arbeiten einer Baufirma. Die Unterlagen enthielten zwar eine Steuernummer und die Bankverbindung der Baufirma, waren jedoch undatiert und wiesen keine Rechnungsnummer auf.
Sodann leitete das Maklerbüro die Unterlagen an den Versicherer weiter mit der Bitte um Zahlung der „Rechnungen“, welche der Versicherte im Zuge der Schadensbeseitigung bereits bezahlt habe. Das Büro des Versicherten wurde in den Mails ins CC gesetzt.
Das Maklerbüro erreichte daraufhin eine Textnachricht mit unbekanntem Absender, in welchem die eingereichten Unterlagen als reine Kostenvoranschläge deklariert wurden. Diese sollten dem Absender nach zunächst von der Versicherung genehmigt werden, bevor der Schaden tatsächlich beseitigt werde.
Das Maklerbüro unterrichtete den Versicherer hiervon, welcher daraufhin in einem Ortstermin selbst feststellte, dass noch kein Schaden seit dem Schadenstag beseitigt wurde. Der Versicherte überließ der Versicherung daraufhin die Unterlagen, die er zuvor dem Maklerbüro zur Verfügung stellte, sowie die Nachrichtenkorrespondenz zwischen Versichertem und Maklerbüro.
Der Versicherer kündigte daraufhin den Versicherungsvertrag mit sofortiger Wirkung wegen arglistiger Täuschung des Versicherten und stellte sich überdies leistungsfrei. Das Maklerbüro räumte der Versicherung gegenüber ein, dass es selbst die Kostenvoranschläge als Rechnung eingereicht habe und dies nicht auf Veranlassung des Versicherten geschah. Die Ehefrau des Versicherten habe dem Maklerbüro nach Übersendung der Unterlagen an die Versicherung noch klargestellt, dass es sich nicht um bereits bezahlte Rechnungen handle. Eine sofortige Richtigstellung bei der Versicherung habe das Maklerbüro aufgrund von Unachtsamkeit versäumt.
Die Versicherung hielt an der Kündigung und der Leistungsfreiheit fest. Der Versicherte begehrte so dann Feststellung der Leistungspflicht, da ihm die Obliegenheitsverletzung des Maklerbüros nicht angelastet werden könne.
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Das OLG Frankfurt bestätigte im Gegensatz zur vorherigen Instanz das Vorliegen einer arglistigen Täuschung gegenüber der Versicherung.
Voraussetzung dafür seien zunächst objektiv falsche Angaben sowie das Vorliegen eines Täuschungsvorsatzes. Anknüpfungspunkt für eine solche Täuschung seien die Handlungen und Aussagen des Maklerbüros.
Objektiv falsche Angaben des Maklerbüros lägen zunächst darin, dass es die Kostenvoranschläge als bereits bezahlte Rechnungen bei der Versicherung zur Schadensregulierung einreichte. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei eine objektive Falschangabe nicht ausgeschlossen, nur weil die Unterlagen als „Rechnungen“ nicht den Steuervorgaben entsprechen würden. Denn dass die Unterlagen aufgrund der fehlenden Daten und Rechnungsnummern ungeeignet für eine Steuererklärung seien, mache noch nicht ausreichend auf eine fehlende Rechnungseigenschaft aufmerksam. Vielmehr durfte der Versicherer aufgrund der eindeutigen Beschreibung als Rechnung darauf vertrauen, dass es sich tatsächlich um bereits vom Versicherten bezahlte Rechnungen handle.
Spätestens als die Ehefrau des Versicherten das Maklerbüro darüber informierte, dass es sich nur um Kostenvoranschläge handele, hätte das Maklerbüro den Versicherer jedoch über den Irrtum informieren müssen. Dies erfolgte erst einige Monate nach Kenntniserlangung. Diese Nichtaufklärung begründe eine Obliegenheitsverletzung des Maklerbüros gegenüber dem Versicherer.
In subjektiver Hinsicht genüge bereits, dass der Täuschende weiß, dass seine objektiv falschen Angaben Einfluss auf den Regulierungsvorgang haben. Ein solches Bewusstsein des Maklerbüros ergebe sich aus dessen E-Mail an den Versicherer sowie aus dem unterstellten Wissen eines Versicherungsmaklers. Denn in der Korrespondenz spreche das Maklerbüro selbst davon, einen Fehler begangen und einen Irrtum hervorgerufen zu haben. Ein verständiger Makler könne zudem wissen, dass ein Irrtum auf Seiten des Versicherers Einfluss auf den Regulierungsvorgang habe (beispielsweise bezüglich der Neuwertspitze in der Gebäudeversicherung).
Sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung lagen demnach nach Ansicht des OLG Frankfurt vor.
Zwar habe der Versicherungsnehmer die Kostenvoranschläge nicht selbst als Rechnungen zur Regulierung bei der Versicherung eingereicht. Dennoch müsse er sich die Erklärungen des Maklerbüros, aus denen die Obliegenheitsverletzung folge, zurechnen lassen. Dies folge daraus, dass der Versicherte das Maklerbüro beauftragte und somit eine Zurechnung des Verhaltens über § 166 Abs. 1 BGB erfolgen könne.
Darauf, dass dem Versicherten selbst womöglich keine Arglist vorzuwerfen sei, komme es aufgrund dieser Zurechnung nicht mehr an. Maßgeblich sei, dass aufgrund der zurechenbaren Arglist des Maklerbüros die Versicherung dem Versicherungsnehmer gegenüber gem. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden ist. Eine Leistungspflicht bestehe mithin nicht.
Ob die vom OLG Frankfurt festgestellte Arglist auch die Wirksamkeit der von der Versicherung ausgesprochenen Kündigung des Versicherungsvertrages zur Folge hat, bleibt hingegen offen. Denn auf die Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung erstreckte sich das Klagebegehren des Versicherten nicht.
In seiner Entscheidung stellte das OLG Frankfurt klar, dass Erklärungen von Versicherungsmaklern, die eine Obliegenheitsverletzung begründen, dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden können. Somit treffen den Versicherten die Konsequenzen der Fehler des Versicherungsmaklers. Dabei werden nicht nur falsche Angaben berücksichtigt, sondern auch eine unterlassene Richtigstellung falscher Angaben, wenn davon Kenntnis erlangt wurde. Den Versicherten selbst braucht dafür keine Schuld zu treffen. Reicht der Makler also fälschlicherweise Kostenvoranschläge als Rechnungen ein, kann das den Versicherer zur Leistungsverweigerung und Vertragskündigung berechtigen.
Einer etwaigen Haftung des Maklerbüros gegenüber dem Versicherten aufgrund von Pflichtverletzungen aus dem Maklervertrag steht die Zurechnung jedoch nicht entgegen. Interessante Artikel zu den Pflichten eines Maklers sind nachstehend zu finden:
Bei Rechtsfragen und Problemen in Bezug auf Berufsunfähigkeitsversicherungen empfiehlt es sich stets einen Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzuziehen. Weitere interessante Urteile zum Bereich der Vermittler- und Maklerhaftung und der Gebäudeversicherung sind nachstehend zu finden: „Vermittler- und Maklerhaftung“, „Gebäudeversicherung“.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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