Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 10.04.1991 – Az. IV ZR 105/90) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Versicherer zum Nachweis einer vorsätzlichen Selbsttötung des Versicherten eine Exhumierung des Leichnams verlangen kann.
Im Januar 1985 schloss der Versicherte eine Lebensversicherung ab. Die Versicherungsbedingungen schlossen eine Leistungspflicht für den Fall der freiwilligen Selbsttötung des Versicherten innerhalb der ersten drei Jahre nach Zahlung des ersten Erlösbeitrages aus.
Der Versicherte litt an einer Alkohol- und Tablettenabhängigkeit, deren Ausprägung nicht bekannt war. Im April 1985 fand die Ehefrau den Versicherten leblos in seiner Wohnung neben diversen leeren Packungen eines starken Schlafmittels und Alkoholflaschen vor.
Die Staatsanwaltschaft ging von einer Selbsttötung aus. Eine Obduktion wurde nicht angeordnet. Hiervon wurde der Versicherer drei Tage nach der Beerdigung des Versicherten in Kenntnis gesetzt. Der Versicherer lehnte daraufhin eine Zahlung der Todesfallsumme an die hinterbliebene Ehefrau ab. Er behauptete, der Versicherte habe sich selbst getötet.
Daraufhin erhob die Ehefrau Klage auf Zahlung der Todesfallsumme. Sie behauptete, der Versicherte habe sich nicht selbst getötet. Der Versicherer begehrte daher die Exhumierung des Leichnams des Versicherten. Damit wollte er den Beweis einer Selbsttötung führen.
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Der Versicherer trägt die Beweislast dafür, dass es sich beim Tod des Versicherten um eine freiwillige Selbsttötung gehandelt hat. Dem BGH nach bestehe daher grundsätzlich ein Anspruch des Versicherers auf Exhumierung der Leiche, um so die freiwillige Selbsttötung des Versicherten zu beweisen. Ausgeschlossen wäre dies nur dann, wenn die Behauptung, der Leichnam könne zur Klärung der Tatsache, ob eine Selbsttötung vorlag, beitragen, willkürlich wäre. Eine solche Willkür sei jedoch in dem zu entscheidenden Fall nicht erkennbar. Auch die Tatsache, dass nicht sofort nach der Beerdigung die Exhumierung beantragt worden sei, sei unschädlich, denn dafür habe für den Versicherer aufgrund der Einschätzung der Staatsanwaltschaft als Suizid noch kein Anlass bestanden. Ein weiterer potenzieller Ausschlussgrund sei eine etwaige Aussichtlosigkeit des Vorhabens. Da jedoch der Gutachter eine erfolgreiche Tatsachenaufklärung aufgrund der Exhumierung für nicht ganz ausgeschlossen halte, greife auch dieser Ausschlussgrund nicht.
Trotzdem bedürfe es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs für die Exhumierung der Zustimmung entweder des Versicherten selbst oder der Angehörigen. Allerdings habe der Versicherte seine Einwilligung zur Exhumierung seines Leichnams jedoch nicht schon mit Abschluss des Versicherungsvertrages erteilt. Dieser enthielt in den Versicherungsbedingungen zwar die Klausel, dass der Versicherer im Versicherungsfall notwendige Unterlagen verlangen und etwaige Erhebungen anstellen dürfe. Die Auslegung dieser Klausel dahingehend, dass der Versicherte bei Vertragsschluss schon über seinen Leichnam verfügen wolle, gehe hingegen zu weit.
Vielmehr komme es auf die Zustimmung der Angehörigen an. Die Ehefrau treffe als Bezugsberechtigte jedoch gleichzeitig die Obliegenheit der Zustimmung zur Exhumierung der Leiche, sollte diese dazu erforderlich sein, die Todesursache festzustellen und den Versicherungsfall damit zu klären. Eine Verweigerung dieser Zustimmung könne noch nicht darin gesehen werden, dass die Ehefrau in einem Schriftsatz die Belastungen schildert, die mit einer Exhumierung ihres Mannes einhergehen würden. Denn gleichzeitig habe sie um die Einschätzung der Gerichte hinsichtlich der Notwendigkeit einer Zustimmung gebeten, um etwaigen Nachteilen zu entgehen, falls sie diese nicht erteilen würde. Die Zustimmungsobliegenheit sei durch die Ehefrau demnach noch nicht verletzt worden.
Bei einem Tod durch eine Tablettenüberdosis kann durchaus der Rückschluss auf eine Selbsttötung geschlossen werden (siehe hierzu auch Vorsätzliche Selbsttötung bei Tablettenüberdosis und Alkohol“). Ist allerdings wie in dem Fall des BGH unklar, ob der Versicherte die Tabletten tatsächlich eingenommen hat, so trifft den Versicherer die entsprechende Beweislast. Hierzu kann er auch die Exhumierung des Leichnams des Versicherten verlangen.
Es ist jedoch stets das Einzelfallgeschehen unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände zu betrachten. Der Bundesgerichtshof betont in seiner Entscheidung nämlich auch, dass nicht stets eine Exhumierung des Leichnams verlangt werden kann. Werden Hinterbliebene daher vom Versicherer aufgefordert der Exhumierung des Leichnams zuzustimmen, kann es sich daher durchaus empfehlen einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Weitere interessante Beiträge zum Thema finden sie hier: „Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?“
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