Die Krankentagegeldversicherung sichert den Lebensunterhalt im Fall von fortlaufender Krankheit. Für Piloten kann dies besonders wichtig werden, denn ihre Arbeitsfähigkeit richtet sich nach ihrer Flugtauglichkeit. An die Flugtauglichkeit werden jedoch hohe gesundheitliche Anforderungen gestellt. Ob die Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankentagegeldversicherung ist, musste gerichtlich vom OLG Köln beurteilt werden (OLG Köln, Urteil v. 17.12.2019 – Az. 9 U 195/18).
Als Flugkapitän unterhielt der Versicherungsnehmer eine Krankentagegeldversicherung. Er ist als Mitglied bei einem großen Flugunternehmen Teil eines Gruppenvertrages geworden. In dem Gruppenvertrag war vorgesehen, dass ein Krankentagegeld in Höhe von täglich 340,- € gewährt werden soll, sofern die entsprechenden Voraussetzungen dazu vorliegen.
Eine versicherte Arbeitsunfähigkeit liegt nach den Versicherungsbedingungen jedenfalls dann vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.
Ab dem 06.09.2016 erkrankte der Flugkapitän und wurde arbeitsunfähig. Ihm wurden eine Somatisierungsstörung (ICD-10 F 45.0) und eine Anpassungsstörung (F 43.23) attestiert. Hieraufhin besuchte er am 08.03.2017 den Fliegerarzt. Dieser verwies den Flugkapitän zur Überprüfung an einen Fliegerarzt. Die Fluggenehmigungsbehörde erstellte ein flugmedizinisches Gutachten (Medical) und versagte dem Piloten daraufhin die Flugtauglichkeit.
Die Krankentagegeldversicherung machte sechs Monate später von ihrer Möglichkeit zur Nachuntersuchung gebrauch und veranlasste eine Untersuchung. Die behandelnden Ärzte beschieden dem Kläger, dass er arbeitsfähig sei. Seine Flugtauglichkeit konnte er aber wegen der Diagnosen nicht zurückerlangen. Gegen die Ablehnungen legte der Flieger fristgemäß Widerspruch ein. Dem Widerspruch wurde aber nicht abgeholfen.
Die Krankentagegeldversicherung verweigerte jedoch die Versicherungsleistungen mit der Begründung, dass der Kläger arbeitstauglich ist. Dagegen wandte der Kläger ein, dass eine Fluguntauglichkeit einer Arbeitsunfähigkeit gleichzustellen sei.
Streitgegenständlich war also die Frage, ob der Pilot vorliegend Leistungen aus seiner Krankentagegeldversicherung geltend machen kann. Dafür muss er bedingungsgemäß arbeitsunfähig gewesen sein. Problematisch war, dass die Ärzte dem Flugkapitän seine generelle arbeitsunfähig attestiert haben. Dagegen wollte die Flugaufsichtsbehörde keine gesundheitliche Flugtauglichkeit aussprechen. Das ist damit zu begründen, dass an die Flugtauglichkeit höhere Anforderung als an die allgemeine Arbeitsunfähigkeit gestellt werden. Das Gericht hatte sich also damit zu befassen, ob dieses Auseinanderfallen zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen kann.
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Dass es unbillig wäre, dem arbeitsunfähigen – weil fluguntauglichen – Piloten deshalb die Leistung zu verweigern, weil er in anderen Berufen arbeitsfähig wäre, liegt auf der Hand. Nun knüpfen die Bedingungen aber vom Wortlaut her an eine Arbeitsunfähigkeit und eben an keine Fluguntauglichkeit an (anders als die Lizenzverlustversicherung, die ausdrücklich die Flugtauglichkeit aufgreift). Das würde für die Piloten eine unnötige Härte bedeuten. Die Versicherungsbedingungen sehen deshalb eine Gleichstellung der Arbeitsunfähigkeit mit einer Fluguntauglichkeit in einzelnen Fällen vor. So heißt es in den Versicherungsbedingungen:
„Die krankheitsbedingte oder unfallbedingte medizinisch festgestellte vorübergehende Flugdienstuntauglichkeit steht der völligen Arbeitsunfähigkeit gleich.“
Es musste demnach ausgelegt werden, ob hiervon auch der Zeitraum erfasst wird, in dem eine allgemeine Arbeitsfähigkeit positiv festgestellt wurde – die Flugtauglichkeit aber noch nicht wiedererlangt wurde. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, ist der erkennbare Sinn der Gleichstellungsklausel, dass der Versicherte einen Ausgleich des Verdienstausfalls erhält, der dem Piloten infolge seiner medizinisch festgestellten Fluguntauglichkeit entsteht. Insoweit ist der Zeitraum einer tatsächlichen Fluguntauglichkeit abgesichert.
Aber einschränkend gilt die Gleichstellung nicht für den Zeitraum, in dem der Pilot faktisch wieder flugtauglich geworden ist, die Flugbehörde aber mit der Ausstellung des „Medicals“ in Verzögerungen gerät. Diese Zeit der Erwerbslosigkeit ist nicht mehr vom Zweck der Krankentagegeldversicherung umfasst. Der Erwerbsentfall ist auf keine gesundheitlichen Gründe zurückzuführen. Eventuelle Verspätungsschäden könnte der Pilot schließlich direkt bei der Behörde im Wege eines Amtshaftungsanspruches geltend machen.
Grundsätzlich wird die Fluguntauglichkeit einer Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt. Das gilt auch dann, wenn der Pilot unter gewöhnlichen Bedingungen in einem anderen Beruf allgemein arbeitsfähig wäre. Nicht versichert ist die Zeit, die vergeht, weil die Flugbehörde in Verzug mit der Ausstellung eines Medicals gerät. Im Zusammenhang mit Leistungsansprüchen aufgrund von Fluguntauglichkeiten empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu konsultieren.
Gerade für Piloten ist die Loss-of-Licence-Klausel ein Kernstück des eigenen Versicherungsschutzes. Zu weiteren Fragestellungen in diesem Bereich gibt der nachstehende Artikel Aufschluss: Loss-of-Licence-Versicherung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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