Muss eine Loss-of-Licence-Versicherung bei Schwangerschaft einer Pilotin leisten? Für Piloten werden spezielle Berufsunfähigkeitsversicherungen angeboten. Diese enthalten im besten Fall eine sogenannte „Loss of Licence“-Klausel. Eine derartige Loss-of-Licence-Versicherung ist eine Untauglichkeitsversicherung, welche an den Verlust der Pilotenlizenz anknüpft. Verlieren Piloten also gesundheitsbedingt ihre Flugtauglichkeit, so gilt die Berufsunfähigkeit nach dieser Klausel als eingetreten. In diesem vorliegenden Sachverhalt wurde diskutiert, ob auch ein zeitweiser Verlust der eigenen Flugfähigkeit aufgrund von Schwangerschaft als versichert galt (OLG Bremen, Urteil v. 23.05.1995 – Az. 3 U 149/94).
Eine Pilotin der Deutschen Lufthansa wurde schwanger. Sie unterhielt eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit eingeschlossener „Loss of Licence“-Klausel. Versichert ist der Erwerbsausfall bei „Verlust der Flugtauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen”. Die Pilotin konnte nicht mehr ohne Beeinträchtigung fliegen und wollte sodann Leistungen aus ihrer Versicherung geltend machen. Die beklagte Versicherung verweigerte jedoch die Leistung. Denn die Fluguntauglichkeit „aus gesundheitlichen Gründen“ erfordere über den Zustand einer Schwangerschaft hinausgehende Gesundheitsgründe. Eine Schwangerschaft sei weder eine Krankheit noch ein „Fehlen von Gesundheitsgründen“, so die Berufsunfähigkeitsversicherung.
Das OLG Bremen musste sich zunächst der Auslegung der Klausel widmen. Es wurde untersucht, ob bei einer Beeinträchtigung der eigenen Flugfähigkeit aufgrund einer Schwangerschaft ein „Verlust der Flugtauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen“ bestand. Der Wortlaut der Klausel lasse es jedoch zu, dass Schwangerschaften als nicht versichert angesehen werden können, so das Gericht. Denn eine problemfrei verlaufende Schwangerschaft ist nach allgemeinem Begriffsverständnis keine Krankheit. Ebenfalls erleidet die Schwangere keine einer Krankheit gleichstehende gesundheitliche Einbuße. Erforderlich wäre, dass über die Schwangerschaft hinaus, ein Krankheitsbild eintritt. Somit lässt sich die Klausel derart auslegen, dass ein versichertes Risiko nicht vorliegt.
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Allerdings erkannte das OLG Bremen ebenfalls die gegenläufige Auslegungsvariante der Pilotin als vertretbar an. Ein durch die Schwangerschaft verursachter zeitlich begrenzter Verlust der Flugtauglichkeit stehe ebenso einer Berufsunfähigkeit gleich. Erforderlich ist aber, dass es tatsächlich zu einem Verlust der Flugtauglichkeit kommt.
Die Bundesanstalt für Flugsicherung verwende für die Feststellung der Fluguntauglichkeit beispielweise die folgende Formulierung: „Schwangerschaft macht zeitlich untauglich. Hier ist die individuelle körperliche Verfassung der Bewerberin maßgebend”. Somit ist die jeweils körperliche Verfassung der Pilotin entscheidend. Es komme also im Einzelfall immer darauf an, ob durch die Schwangerschaft die eigene Fähigkeit, ein Flugzeug sicher zu führen, beeinträchtigt wird. Ob über die Einschränkungen durch die Schwangerschaft hinaus ein Krankheitsbild eintrat, ist demnach nicht beachtlich.
Sind zwei Auslegungsvarianten vertretbar, muss nach § 305c Abs. 2 BGB (ehemals § 5 AGBG) die für die Versicherungsnehmer günstigere Variante gewählt werden. Denn bei Zweifeln bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen diese zu Lasten des Verwenders.
Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Auslegungsvariante der Pilotin vorzuziehen ist, so das Gericht. Der Versicherungsfall trat demnach vorliegend ein. Somit war der zeitweise schwangerschaftsbedingte Entfall der Flugtauglichkeit versichert.
Die Entscheidung des OLG Bremen ist nachvollziehbar und überzeugt. Denn gerade Pilotinnen sehen sich einem besonderen Ausfallrisiko durch eine Schwangerschaft ausgesetzt. Es ist nicht vertretbar, neben den spürbaren Auswirkungen der Schwangerschaft auch noch ein verwirklichtes Krankheitsbild zu verlangen. Die Schwangerschaft macht in versicherter Weise vorübergehend fluguntauglich.
Bei Konflikten mit den Versicherern sollte frühzeitig ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden, damit die eigenen Leistungsansprüche nicht vereitelt und berechtigte Ansprüche durchgesetzt werden können.
Für Piloten und Pilotinnen ist die Loss-of-Licence-Klausel ein Kernstück des eigenen Versicherungsschutzes. Zu weiteren Fragestellungen in diesem Bereich gibt der nachstehende Artikel Aufschluss: Loss-of-Licence-Versicherung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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