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Überprüfung der Dienstunfähigkeit durch Dienstunfähigkeitsversicherer? (OLG Nürnberg)

Die Dienstunfähigkeitsversicherung sichert die Dienstunfähigkeit der Beamten durch ein Rentenzahlungsversprechen des Versicherers ab. Voraussetzung dafür ist, dass der Beamte dienstunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen wird. Die Versetzung in den Ruhestand durch den Dienstherrn ist damit maßgeblich für das Auslösen der Leistungen aus dem Versicherungsvertrag. Die Pensionierung muss aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sein. Die Frage nach einem versicherten Ausscheiden aus dem Dienst, kann durch diese Verfügung des Dienstherrn letztverbindlich geklärt sein (OLG Nürnberg, Urt. v. 24.11.2009 – Az. 8 U 1820/09).

Justizvollzugsbeamte wird in den Ruhestand versetzt

Ein Justizvollzugsbeamte unterhielt eine Dienstunfähigkeitsversicherung. Der Beamte war so dann für mehrere Monate krank und außerstande seinen Dienst zu tun. Nach Einschätzung des Amtsarztes war der Vollzugsbeamte nicht imstande in den kommenden sechs Monaten erwartungsgemäß seinen Dienst zu leisten. Durch Verfügung des Leiters der Justizvollzugsanstalt wurde der Vollzugsbeamte in den Ruhestand versetzt. Der Behördenleiter stütze diese Entscheidung auf § 45 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW. Eine Ruhestandsversetzung soll erfolgen, wenn der Beamte innerhalb von sechs Monaten keinen Dienst mehr tun kann.

Der Beamte beanspruchte wegen der Versetzung in den Ruhestand Leistungen (Rente und Beitragsbefreiung) aus seiner Dienstunfähigkeitsversicherung. Die Versicherung verweigerte jedoch die vertraglich zugesicherten Leistungen. Der Versicherer wollte die gesundheitlichen Gründe nämlich selbst begutachten lassen und so die Begutachtung des Amtsarztes des Beamten widerlegen.

Recht zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit durch den Versicherer?

Das OLG Nürnberg hatte zu beurteilen, ob die Versetzung in den Ruhestand bereits den Versicherungsfall auslöste oder ob dem Versicherer eine widerlegende Überprüfung des Gesundheitszustands rechtlich überhaupt zustand. Die Dienstunfähigkeit des Beamten erfolgte aus gesundheitlichen Gründen. Dies war jedenfalls unstrittig. Die Versicherung wollte aber den Nachweis erbringen, dass der Beamte imstande war, eine anderweitig gleichwertige Arbeit zu erbringen und somit nicht bedingungsgemäß berufsunfähig war.

In den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen wurde eine sogenannte „echte“ Dienstunfähigkeitsklausel verwendet. Demnach gilt die Versetzung in den Ruhestand als versicherte Berufsunfähigkeit. Dies hat zur Folge, dass der Versicherer kein eigene „Überprüfungsrecht“ hat und die Berufsunfähigkeit nicht widerlegen kann. Schließlich gilt die Verfügung des Dienstherrn als Eintritt der Berufsunfähigkeit zugunsten des Beamten. So reicht allein die Versetzung in den Ruhestand aus, um den Anspruch gegen den Versicherer zu begründen. Der Beamte wurde nach § 45 Abs. 1 Satz. 2 LBG NRW aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt und der Leistungsanspruch auf die Rentenzahlungen somit begründet.

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Verbindlichkeit der Entscheidung des Dienstherrn

Das Urteil des OLG Nürnberg bekräftigt die absolute Verbindlichkeit der Entscheidung durch einen Dienstherrn zulasten der Dienstunfähigkeitsversicherung. Verwendet der Versicherer in seinen Versicherungsbedingungen eine „echte“ Dienstunfähigkeitsklausel, verzichtet er damit – nach dem maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – auf eine eigene Überprüfungsmöglichkeit. Es ist dem Versicherer dann verwehrt einzuwenden, dass die gesundheitlichen Verhältnisse des Beamten tatsächlich anders gewesen seien. Auch ist der Versicherung der Einwand verwehrt, dass eine anderweitige Verwendung des Beamten möglich gewesen sein soll. Es obliegt allein dem Dienstherrn, die Entscheidung der anderweitigen Verwendungsmöglichkeit zu treffen. Der Versicherer muss der Einschätzung des Dienstherrn folgen.

„Echte“ oder „unechte“ Dienstunfähigkeitsklausel?

Die Entscheidungen des Dienstherrn sind nur dann letztverbindlich, wenn die Versicherungsbedingungen allein an dessen Verfügungen anknüpfen. Dies wird durch die Formulierung „gilt als” bewirkt: die Versetzung des Beamten in den Ruhestand gilt damit bereits als Berufsunfähigkeit.

Sieht die Klausel daneben noch die Erforderlichkeit anderweitiger Feststellungen vor, liegt eine „unechte“ Dienstunfähigkeitsklausel vor. Der Versicherer kann sich dann vorbehalten, die Feststellung der Dienstunfähigkeit widerlegen zu können. Welche Klausel dem Versicherungsvertrag zugrunde liegt, ist im Einzelfall zu überprüfen. Die Abgrenzung zwischen „echter“ und „unechter“ Dienstunfähig können anhand von Beispielformulierungen in dem Leitartikel zur Dienstunfähigkeitsversicherung entnommen werden.

Die Bindungswirkung der Pensionierung durch den Dienstherrn wird in der Rechtsprechung einhellig anerkannt: Bindungswirkung der Versetzung in den Ruhestand für die Dienstunfähigkeitsversicherung (OLG Frankfurt a.M.).

Fazit und Hinweis für die Praxis

Im Bereich einer „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel ist die Entscheidung des Dienstherrn letztverbindlich. Dem Versicherer steht kein eigenes Prüfungsrecht zu. Auch kann der Versicherer eine anderweitige Verwendbarkeit des Beamten nicht einbringen. Der Anspruch auf die Versicherungsrente entsteht mit der Pensionierung durch den Dienstherrn.

Anders verhält es sich bei einer „unechten“ Dienstunfähigkeitsklausel. Der Versicherer behält sich hierbei die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung vor.

Es sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Klärung von Leistungsansprüchen gegen den Versicherer betraut werden. Eine lesenswerte Zusammenfassung zur Dienstunfähigkeitsversicherung ist nachstehend zu finden: „Dienstunfähigkeitsversicherung“. Es wird insbesondere Bezug auf die Abgrenzung zwischen einer „echten“ und „unechten“ Dienstunfähigkeitsklausel genommen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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