Anzeigepflichtverletzung bei unbekannten Erkrankungen? (LG Freiburg)

Das LG Freiburg hatte sich mit Urteil v. 04.11.2016 (Az.: 14 O 33/16) mit der Frage der Wirksamkeit einer Anfechtung einer Pflegetagegeldversicherung wegen einer Anzeigepflichtverletzung bei dem Versicherten unbekannten Erkrankungen zu befassen. Streitentscheidend war dabei insbesondere die Fragestellung, ob der Versicherten einzelne Erkrankungen bei Beantragung der Pflegetagegeldversicherung bekannt gewesen sind.

Anzeigepflichtverletzung des Versicherten bei Abschluss einer Pflegetagegeldversicherung?

Die Versicherungsnehmerin beantragte im März 2011 den Abschluss einer Pflegetagegeldversicherung. Hier verneinte Sie unteranderem das Bestehen einer Pflegebedürftigkeit und die weiteren konkret erfragten Erkrankungen – u.a. Diabetes mellitus Typ II. Der Versicherer nahm den Antrag daraufhin zum April 2011 an.

Bei Abschluss der Pflegetagegeldversicherung bestand durch eine ohnehin bestehende Sehbehinderung der Versicherungsnehmerin jedoch bereits ein Pflegegrad I. Leistungen aus der beantragten Pflegetagegeldversicherung werden i.d.R. jedoch erst ab einem festgestellten Pflegegrad II ausgezahlt.

Im Mai 2015 stellte ein Gutachten des medizinischen Dienstes einen Pflegegrad II fest. Daraufhin wurden Leistungen aus der Pflegetagegeldversicherung beantragt. Diese lehnte der Versicherer jedoch ab. Der Versicherer ging davon aus, dass die Versicherungsnehmerin bei der Antragsstellung verschwiegen habe an Diabetes mellitus Typ II zu leiden, sowie zeitweise Pflegebedürftig gewesen zu sein und einen Schlaganfall gehabt zu haben. Daher erklärte der Versicherer die Anfechtung des Versicherungsvertrages (siehe hierzu auch Die Anfechtung des Versicherungsvertrages) wegen arglistiger Täuschung und zudem hilfsweise den Rücktritt (siehe hierzu auch Der Rücktritt vom Versicherungsvertrag).

Sodann erhob die Versicherungsnehmerin vor dem LG Freiburg Klage gegen den Pflegetagegeldversicherer. Die Versicherungsnehmerin erklärte, dass sie von einer Diabeteserkrankung nichts gewusst habe, von einem Schlaganfall nichts mitbekommen habe und vor Antragsstellung keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der herkömmlichen Definition bestanden hätte. Sie hätte aufgrund der Sehbehinderung lediglich bei der täglichen Medikamenteneinnahme beaufsichtigt werden müssen.

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Keine Kenntnis der Versicherten von Erkrankung an Diabetes mellitus Typ II?

Der Eintritt der Pflegebedürftigkeit mit Feststellung des Pflegegrades II der Versicherungsnehmerin war unstreitig. Fraglich war nur noch, ob die von der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommene häusliche Krankenpflege im Rahmen einer Pflegebedürftigkeit stattgefunden hat, die Versicherungsnehmerin einen Schlaganfall im Jahre 2009 erlitten hat und ob die Versicherungsnehmerin Ihre Erkrankung an Diabetes mellitus Typ II arglistig verschwiegen hat.

Das LG Freiburg kam nach der Beweisaufnahme mit Vernehmung der Hausärztin zu dem Schluss, dass eine Pflegebedürftigkeit bei Beantragung der Pflegetagegeldversicherung nicht bestanden hatte. Die Pflegeleistung sollte nur gewährleisten, dass die Versicherungsnehmerin die verschriebenen Medikamente wie vorgegeben einnimmt. Eine krankheitsbedingte Pflegebedürftigkeit der Versicherungsnehmerin lag also bei Antragsstellung nicht vor.

Hinsichtlich der Diabeteserkrankung konnte es nach Ansicht des LG Freiburg dahingestellt bleiben, ob die Versicherungsnehmerin tatsächlich entsprechend erkrankt gewesen ist. Nach Vernehmung der Hausärztin der Versicherungsnehmerin nicht mehr festgestellt werden, dass die Versicherungsnehmerin von einer solchen etwaigen Diabeteserkrankung zum Zeitpunkt der Antragsstellung in Kenntnis war. Die Hausärztin der Versicherungsnehmerin konnte nämlich bestätigen, dass sie der Versicherungsnehmerin zwar die Diabeteserkrankung mitgeteilt hatte. Jedoch sei die Behandlung der Versicherungsnehmerin 2007 eingestellt worden. Zwar hatte die Hausärztin die Versicherte darauf hingewiesen, dass das Absetzen von Medikamenten nicht bedeute, dass die Krankheit ausgeheilt sei. Allerdings konnte sie jedoch nicht ausschließen, dass die psychisch erkrankte Versicherungsnehmerin dies so verstanden hatte, dass ihre Diabeteserkrankung ausgeheilt sei.

Das Landgericht Freiburg war daher der Auffassung, dass die Anfechtung sowie der hilfsweise Rücktritt vom Versicherungsvertrag unwirksam waren. Das Landgericht Freiburg verurteilte den Versicherer daher zur rückwirkenden Zahlung aus der Pflegetagegeldversicherung.

Fazit

Das Urteil des LG Freiburg zeigt, dass selbst bei einer objektiven Nichtangabe einer bestehenden und im Antragsformular erfragten Erkrankung trotzdem eine erklärte Anfechtung des Versicherers unwirksam sein kann. Entscheidend ist eben nicht nur die objektive Falschangabe im Versicherungsantrag, sondern auch die subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers. Fehlt es an einer Kenntnis des Versicherungsnehmers von einer Erkrankung, so kann trotz objektiver Falschbeantwortung der Antragsfragen eine Anfechtung des Versicherungsvertrages unwirksam sein und der Versicherte Leistungen aus dem Versicherungsvertrag verlangen. Es kann sich daher durchaus anbieten, eine Leistungsverweigerung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.

Die gegen das Urteil des Landgericht Freiburg eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg (vgl. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 01.10.2018, Az.: 9 U 165/16).

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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