Das OLG Celle hatte sich in dieser Entscheidung damit zu befassen, ob ein Auskunftsanspruch über Beitragserhöhungen nach der DSGVO gegenüber einer Versicherung besteht. Dabei war zu klären, ob ein Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten aus Art. 15 DSGVO nur dann besteht, wenn einer der in Erwägungsgrund 63 zur DSGVO genannten Gründe vorliegt. Zudem geht es um die Frage, ob die Höhe von Beitragsanpassungen (in der privaten Krankenversicherung) samt Begründungen Informationen sind, die unter personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO fallen und ob diese Informationen in Form eines Versicherungsscheines angefordert werden können. Weiterhin stellten sich noch Fragen zur Verjährung an sich. (OLG Celle, Urteil vom 14.12.2022 – 8 U 165/22).
Zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherung besteht seit 1990 ein privater Krankenversicherungsvertrag. Die Versicherung nahm regelmäßig Beitragsanpassungen vor und informierte den Versicherten darüber in Mitteilungsschreiben sowie Nachträgen zum Versicherungsschein. Der Versicherungsnehmer beantragte unter anderem Auskunft über die Höhe der Beitragsveränderungen der Jahre 2012 und 2013 sowie der dazugehörigen, bereits übermittelten Begründungen in Form eines Versicherungsscheines und eines Nachtrages zum Versicherungsschein. Diese Auskunft stützte der Versicherungsnehmer auf Art. 15 DSGVO.
Der Versicherer hielt Art. 15 DSGVO hingegen nicht für eine taugliche Anspruchsgrundlage. Es handele sich vorliegend nicht um personenbezogene Daten im Sinne der Norm. Zudem lägen die Informationen dem Versicherungsnehmer bereits vor. Daneben seien beim Versicherten keine in den Erwägungsgründen zur DSGVO genannten Gründe zur Auskunftserteilung zu finden. Sollte der Anspruch doch bestehen, so sei dieser jedenfalls verjährt.
Nachdem das LG Stade zugunsten der Versicherung entschied, legte der Versicherte die Berufung zum OLG Celle ein und verfolgte sein Begehren weiter.
Das OLG Celle bejahte im vorliegenden Fall, dass es sich bei der Höhe der Beitragsanpassungen samt Begründungen um personenbezogene Daten handelt, die einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO begründen.
Gemäß der Legaldefinition von personenbezogenen Daten in Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO liegen solche vor, wenn es sich um Informationen handelt, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Diese Definition sei weit auszulegen und beschränke sich nicht auf Daten, die offensichtlich sensibel oder privat seien. Vielmehr sei jede subjektive oder objektive Information in Form von Stellungnahmen und Beurteilungen erfasst, die die Person betreffen. Die Information betreffe die Person, wenn sie hinsichtlich ihres Zwecks, des Inhaltes oder ihrer Auswirkung eine hinreichende Verknüpfung mit der Person herstellen könne.
Dem OLG Celle nach seien die Mitteilungsschreiben und Nachträge zum Versicherungsschein mit der Person des Versicherungsnehmers verknüpft und damit personenbezogene Daten. Denn der Versicherer nehme in den Schreiben Bezug auf das zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsgeber bestehende Vertragsverhältnis und führe durch die Beitragsanpassungen Änderungen am Vertragsverhältnis herbei. Somit unterfallen die Schreiben als Ganzes der Definition von personenbezogenen Daten und seien potenziell geeignet, einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu begründen.
Dem stehe auch nicht die Ansicht des Versicherers entgegen, dass sich der Auskunftsanspruch auf die in Erwägungsgrund 63 zur DSGVO dargelegten Gründe zu beschränken habe. Diese beschreiben den Sinn und Zweck des Auskunftsanspruches darin, dass der Anspruchsteller Auskunft über Zweck und Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten fordern können soll. Auch wenn die vorliegende Informationsanforderung nicht von der Motivation getragen sei, konkret den Zweck und die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nachzuvollziehen, so sei eine bestimmte subjektive Ausrichtung in der DSGVO nicht zu finden. Ebenfalls fehle in Art. 15 DSGVO ein Begründungserfordernis für den Antrag.
Sollten angeforderte Informationen bereits beim Anspruchsteller vorhanden sein, schließe das einen Anspruch auf Auskunft ebenfalls nicht aus, sofern die Schwelle des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO nicht überwunden werde. Dafür sei ein offensichtlich unbegründeter oder exzessiver Antrag nötig, von welchem bei erstmaliger Anforderung einer Kopie nicht die Rede sein könne.
Ebenfalls nicht tragfähig sei der Einwand, dass Auskunft über Daten begehrt werde, die älter als die DSGVO seien. Denn der Ausschluss eines Anspruches aufgrund dieser Tatsache konterkariere den Zweck der Grundrechte sowie der Grundfreiheiten natürlicher Personen, die dem Schutz der personenbezogenen Daten dienen. Zudem spreche gegen eine zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruches, dass eine solche in der DSGVO nicht vorgesehen sei.
Eine Verjährung des Auskunftsanspruches nach der Regelverjährung gem. § 195 BGB oder auf § 242 BGB gestützt außerhalb der Regelverjährung, scheitere ebenfalls, da eine Verjährung vor der des Hauptanspruches nicht möglich sei.
Inhaltlich gewähre Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf die Übersendung einer Datenkopie. Wie auch Literatur und Teilen der Rechtsprechung legt das OLG Celle die Norm jedoch dahingehend aus, dass der Anspruchsteller die gespeicherten Informationen zusätzlich in der Form verlangen kann, in der sie beim Anspruchsgegner gespeichert sind. Der Anspruchsteller habe also nicht nur einen Anspruch auf die Informationen, die der Versicherungsschein enthalte, sondern zudem noch auf eine Kopie dessen. Denn ansonsten könne der Zweck des Anspruches, die enthaltenen Informationen vollständig nachzuvollziehen, nicht ausreichend ausgeübt werden.
Personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO müssen nicht zwingend sensible oder private Informationen sein. Die entscheidende persönliche Verflechtung kann vielmehr schon dann bestehen, wenn es sich um eine Mitteilung der Vertragsanpassung handelt und sich somit auf ein bestehendes Vertragsverhältnis bezieht, in welchem personenbezogene Daten Inhalt sind und verarbeitet werden.
Bestimmte Gründe und Motive für die Ausübung des Anspruches aus Art. 15 DSGVO müssen weder dem Anspruchsgegner mitgeteilt werden noch überhaupt vorhanden sein, soweit keine missbräuchliche Ausübung im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO vorliegt (zur Missbräuchlichkeit des Auskunftsanspruchs siehe die nachstehenden Entscheidungen:
Zeitlich gesehen kann auch über Informationen Auskunft verlangt werden, die vor dem Inkrafttreten der DSGVO am 25.05.2018 erhoben wurden. Eine Verjährung des Auskunftsanspruches ist jedenfalls dann nicht zu befürchten, wenn die Hauptforderungen aus dem Vertragsverhältnis noch nicht verjährt sind. Zudem muss sich der Anspruchsteller nicht auf irgendeine Form der Informationsmitteilung verweisen lassen, sondern kann die Information in der Form verlangen, in welcher sie dem Versicherer vorliegt.
Bei Fragen und Rechtsproblemen zum Thema Auskunftsanspruch bzw. Datenschutz empfiehlt es sich stets einen Fachanwalt für IT-Recht hinzuziehen. Weitere interessante Urteile zum Datenschutzrecht sind nachfolgend zu finden: Auskunftsansprüche (DSGVO).
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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