Das OLG Karlsruhe hatte sich mit Hinweisbeschluss v. 28.01.2020 (Az.: 9 U 13/18) mit der Frage einer Anzeigepflichtverletzung bei unvollständiger Beantwortung der Gesundheitsfragen zu befassen. Strittig war dabei, ob der Versicherungsnehmer im Rahmen der Beantragung einer Pflegetagegeldversicherungen die Antragsfragen des Versicherers unzureichend beantwortet hatte.
Ein Versicherungsnehmer schloss eine Pflegetagegeldversicherung bei dem Versicherer ab. Im Antrag auf Abschluss der Versicherung beantwortete er die folgende Frage mit „ja“:
„3.Besteht oder bestand innerhalb der letzten 5 Jahre eine der folgenden Krankheiten? Bauchspeicheldrüsenerkrankung, chronische Lungenerkrankung, medikamentös behandelter Bluthochdruck, (…) Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Grad der Behinderung um mindestens 50 %.
Im Fragebogen bot sich kein weiterer Platz und zu dem auch keine weitere Frage hinsichtlich der Konkretisierung der vorliegenden Erkrankung. In der Überschrift des Abschnittes führt der Versicherer wie folgt aus:
„Wird die Gesundheitsfrage 3 mit „Ja“ beantwortet, ist zur Einschätzung des Risikos die Beantwortung des Antrags „Krankenversicherung und Pflegepflichtversicherung“ notwendig.“
Der Versicherungsvermittler des Versicherungsnehmers nahm die Informationen so auf und leitete diese an den Versicherer weiter. Die Anlage zur Kranken- und Pflegeversicherung war dem Antrag nicht beigefügt. Dennoch nahm der Versicherer den Antrag an.
Nachdem die Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg die Pflegebedürftigkeit des Versicherungsnehmers mit der Pflegestufe 0 feststellte, reichte er einen Leistungsantrag bei seiner privaten Pflegetagegeldversicherung ein. Der Versicherer lehnte die Leistungserbringung ab und trat von dem Versicherungsvertrag zurück (siehe hierzu auch Der Rücktritt vom Versicherungsvertrag) und erklärte hilfsweise die Kündigung (siehe hierzu Die Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer) mit der Begründung, dass der Versicherungsnehmer die Fragen im Versicherungsantrag bewusst unzutreffend beantwortet hat. Konkret habe er eine chronische Lungenerkrankung verschwiegen.
Bedauerlicherweise verstarb der Versicherungsnehmer und seine Ehefrau machte gegenüber dem Versicherer die Ansprüche aus der Versicherung als Erbin geltend.
Das LG Offenburg verurteilte den Pflegetagegeldversicherer zur Zahlung der vereinbarten Leistungen. Hiergegen legte der Versicherer Berufung ein. Das OLG Karlsruhe führte daraufhin in seinem Hinweisbeschluss aus, dass weder der Rücktritt noch die hilfsweise Kündigung des Versicherers berechtigt gewesen sind, da die Voraussetzungen einer Anzeigepflichtverletzung nicht vorlagen. Der Versicherungsnehmer hätte die Antragsfrage Nr.3 schließlich wahrheitsgemäß bejaht. Sobald der Antrag trotz unvollständiger Unterlagen seitens des Versicherers angenommen wird, kann sich der Versicherer dann nicht hinterher durch einen Rücktritt seiner Leistungspflicht entziehen. Nach den entsprechenden Hinweisen nahm der Versicherer die Berufung zurück.
Wirft der Versicherer dem Versicherungsnehmer vor, die Antragsfragen nicht zutreffend beantwortet zu haben, so kann es durchaus sinnvoll sein, die Frage der Anzeigepflichtverletzung anwaltlich prüfen zu lassen. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, ist nämlich durchaus anhand des konkreten Einzelfalles zu prüfen, ob sich der Versicherer durch Ausübung von Gestaltungsrechten, wie eines Rücktritts oder einer Kündigung, aber auch durch eine Anfechtung des Versicherungsvertrages von seiner Leistungspflicht und/oder dem Versicherungsvertrag als solchem trennen kann.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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