Kein befristetes rückwirkendes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Auch für vorübergehende Berufsunfähigkeiten kann der Versicherer die Leistungspflicht anerkennen. Rechtlich nicht möglich ist es bei einem rückwirkenden Anerkenntnis der Leistungspflicht, diese nur für einen bestimmten befristeten Zeitraum der Berufsunfähigkeit anzuerkennen (BGH, Urteil vom 31.08.2022 – IV ZR 223/21).

Befristetes rückwirkendes Anerkenntnis des Versicherers

Der Kläger unterhielt bei der beklagten Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Er war als Werkleiter tätig. Am 01.11.2018 erlitt er einen Kollaps und wurde bis zum 08.11.2018 stationär behandelt. Nach Entlassung wurde ihm ärztlich ein „Fahrverbot“ angeraten. Er konnte seinen Beruf nicht ausüben. Am 04.06.2019 wurde bei einer Folgeuntersuchung die erneute Arbeitsfähigkeit festgestellt. Der behandelnde Arzt teilte im Leistungsbogen mit, dass der Versicherungsnehmer vom 01.11.2018 bis zum 10.07.2019 krankgeschrieben gewesen ist und seit 14.07.2019 erneut arbeiten würde.

Die Versicherung gewährte dem Versicherungsnehmer die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in der Zeit vom 01.06. bis zum 31.07.2019. Der Versicherungsnehmer wollte jedoch für den vollen Zeitraum ab dem 01.11.2018 sodann die Leistungen gewährt bekommen.

BGH entscheidet zugunsten des Versicherungsnehmers

Es ging vorliegend darum, ob der Versicherer sein Leistungsanerkenntnis für einen rückwirkenden Zeitraum zeitlich befristen kann. Wäre dem nicht so, dann hätte der Versicherer die gesamte Berufsunfähigkeit im strittigen Zeitraum anerkannt. Der BGH hatte zu dieser Problematik schon mal Stellung bezogen (siehe: BGH v. 23.02.2022 – IV ZR 101/20).

Immer dann, wenn der Versicherungsnehmer in der Vergangenheit berufsunfähig geworden ist, die Berufsunfähigkeit aber vor Abschluss der Leistungsprüfung entfällt, stellt sich diese rechtliche Problematik. Nach § 173 Abs. 2 VVG kann der Versicherer seine Leistung zeitlich begrenzt anerkennen. Allerdings gilt dies nur für Anerkenntnisse mit Zukunftswirkung. Hieraus folgert der BGH, dass eine rückwirkende Befristung nicht gesetzlich vorgesehen ist. Die Unzulässigkeit solcher Anerkenntnisse wurde bereit hier erörtert: “Sind rückwirkende Anerkenntnisse zulässig?

Somit steht dem Versicherer nur die Möglichkeit offen seine Leistungspflicht für den vollständigen vergangenen Zeitraum anzuerkennen. Eine Befristung ist nicht statthaft. Der Versicherungsnehmer erhielt im vorbenannten Sachverhalt die Leistungen für den vollen Zeitraum. Der BGH wurde mit seiner Null-Toleranz bezüglich der Befristung mit der Zeit deutlich konsequenter, wie vergleichsweise die Entscheidung BGH v. 09.10.2019 – IV ZR 235/18 nahelegt. Die Befristung des Anerkenntnisses wird zumeist treuwidrig sein (vgl. BGH v. 15.02.2017 – IV ZR 280/15).

Fazit und Hinweis für die Praxis

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung erneut festgestellt, dass der Versicherer ein befristetes Anerkenntnis nicht rückwirkend für einen abgeschlossenen Zeitraum abgeben kann. Die Entscheidung ist erfreulich und kann im Ergebnis überzeugen.

Die Korrespondenz mit dem Versicherer ist wichtigster Bestandteil des Leistungsprüfungsverfahrens und des Versicherungsprozesses. Die Komplexität der Leistungsanerkenntnisse, bzw. der Befristungen durch die Versicherungsunternehmen zeigt die neue BGH-Entscheidung (siehe oben). Diese Entscheidung reiht sich in eine Fülle von weiteren BGH-Entscheidungen zu Leistungsentscheidungen der BU-Versicherungen ein. Aus diesem Grunde ist Vermittlern und Versicherten anzuraten, dass nicht nur Leistungsablehnungen der Versicherungen anwaltlich überprüft werden sollten, sondern auch Leistungsanerkenntnisse.

Insbesondere für den Fall, dass für in der Vergangenheit Leistungen anerkannt werden, stellt sich immer die Frage, ob der Versicherer nicht auch Leistungen in der Zukunft schuldet. Dieses sollte immer im Einzelfall anwaltlich überprüft werden, damit keine Ansprüche des Versicherten vereitelt werden.

Weiterführende Urteile sind nachfolgend zu finden: „Berufsunfähigkeitsversicherung“. Einen Überblick finden Sie auch unter (siehe hierzu Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht).

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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