Verkauf des Patientenstamms einer Arztpraxis(BGH)

Der BGH hatte sich jüngst mit der rechtlichen Frage zu beschäftigen gehabt, ob der isolierte Verkauf des Patientenstamms einer Arztpraxis gegen berufsrechtliche Vorschriften verstößt und damit rechtswidrig sein könnte (BGH, Beschl. v. 09.11.2021 – VIII ZR 362/19).

Der Sachverhalt vor dem BGH

Im Fall vor dem BGH geht es um die Wirksamkeit eines Kaufvertrags über den Patientenstamm einer Zahnarztpraxis. Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt. Die Beklagte betrieb bis zum 30. Juni 2018 ebenfalls eine Zahnarztpraxis, die über einen Kundenstamm von rund 600 Patienten verfügte. Die Parteien unterzeichneten am 25. Mai 2017 mit Blick auf die von der Beklagten beabsichtigte Aufgabe ihrer Praxis einen „Kaufvertrag [über den] Patientenstamm“. Der Vertrag sieht in § 1 die Veräußerung des Patientenstamms der privat- und vertragszahnärztlichen Praxis der Beklagten an den Kläger sowie die künftige Versorgung der Patienten durch diesen vor.

Die Parteien vereinbarten zu diesem Zweck unter anderem die Umleitung sowohl der Anrufe auf dem Telefonanschluss als auch der Aufrufe der Internetseite der Zahnarztpraxis der Beklagten auf den Telefonanschluss und die Domain des Klägers. Nach § 2 des Vertrags sollte mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises die Patientenkartei der Beklagten mit sämtlichen Krankenunterlagen in das Eigentum und den Besitz des Klägers übergehen, soweit eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten vorliege. Unabhängig von einer solchen Einwilligung sollte der Kläger sowohl die manuell geführte Patientenkartei als auch die elektronische Patientenkartei für die Beklagte in Verwahrung nehmen. Der „Kaufpreis für den Patientenstamm sowie für die Domain und Telefonnummer (Goodwill)“ sollte nach § 3 des Vertrags 12.000 € betragen.

In § 4 des Vertrages verpflichtete sich die Beklagte zwecks „Überleitung der Patienten“ ferner, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin und von der „Übernahme der Patienten“ durch den Kläger rechtzeitig durch ein Rundschreiben zu informieren sowie den Patienten darin die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger zu empfehlen und sie zu bitten, diesem zukünftig ihr Vertrauen zu schenken.

Nach Vertragsunterzeichnung holte die Beklagte zu dessen Inhalt vorsorglich eine Auskunft der Landeszahnärztekammer ein und verweigerte auf der Grundlage dieser Auskunft die Erfüllung des Vertrags. Die im Vertrag enthaltenen Regelungen seien wegen Verstoßes gegen Verbotsnormen unwirksam.

Die auf Erfüllung des Vertrags, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises, gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren nunmehr weiter.

Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften

Die Klage hat auch vor dem BGH keinen Erfolg. Die vom Berufungsgericht – jedenfalls im Ergebnis rechtsfehlerfrei – angenommene Nichtigkeit des Kaufvertrages der Parteien gemäß § 134 BGB ergebe sich daraus, dass die darin vereinbarte Veräußerung des Patientenstamms der Beklagten – eindeutig – gegen berufsrechtliche Vorschriften verstößt. Sie widerspreche insbesondere der Vorschrift des § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte vom 18. Januar 2006 (im Folgenden: BO), die als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anzusehen sei. Bereits danach sei der im Streit stehende “Verkauf eines Patientenstamms” rechtlich nicht möglich.

Nach § 8 Abs. 5 der BO sei es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Es handele sich bei dieser Vorschrift um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB, so der BGH. Nach der Rechtsprechung des BGH können demnach auch Vorschriften berufsständiger Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften (hier: die Berufsordnung) Verbotsgesetze im Sinne des § 1434 BGB sein.

Die Parteien haben nach Auffassung des BGH mit dem von ihnen geschlossenen Kaufvertrag über den Patientenstamm der Beklagten gegen das standesrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisung gemäß § 8 Abs. 5 der BO verstoßen. Der Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot führe zu der Nichtigkeit der gesamten (§ 139 BGB) vertraglichen Vereinbarung der Parteien nach § 134 BGB.

Gegen dieses standesrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisungen haben die Parteien verstoßen, indem sich die Beklagte in dem streitgegenständlichen Vertrag gegen Entgelt (Zahlung eines Betrags von 12.000 €) insbesondere verpflichtet hat, auf ihre Patienten mit der Absicht einzuwirken, diese zu einer Fortsetzung ihrer Behandlung durch den Kläger zu bewegen, und zwar durch die Umleitung von Anrufen auf dem Telefonanschluss und Aufrufen der Internetseite der Zahnarztpraxis der Beklagten auf den Telefonanschluss und die Domain des Klägers, die Einrichtung einer dauerhaften Rufumleitung und insbesondere durch das vereinbarte Rundschreiben, in dem sie ihren Patienten die Fortsetzung ihrer Behandlung durch den Erwerber sogar ausdrücklich empfehlen und sie bitten sollte, ihm zukünftig ihr Vertrauen zu schenken (im Folgenden auch „Werbemaßnahmen“). Hierunter sei jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht zu verstehen, dessen Wahl unter Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen.

Nach dieser Maßgabe liege bereits in den von den Parteien vereinbarten “Werbemaßnahmen” eine entgeltliche Vorschrift im Sinne des § 8 Abs. 5 der BO. Dies werde durch die zusätzliche Übergabe der Patientenkartei verstärkt, meint der BGH. Auch in der Rufnummerumleitung, der Weiterleitung der Seitenaufrufe sowie der Einrichtung einer dauerhaften Rufweiterleitung sei eine Zuweisung zu sehen, weil auch mit diesen Handlungsmodalitäten einzig beabsichtigt gewesen sei, die Entscheidung der Patienten der Beklagten dahingehend zu beeinflussen, sich durch den Kläger weiterbehandeln zu lassen.

Weiter führt der Senat aus, dass der Patient sich darauf verlassen können soll, dass der Arzt die gesamte Behandlung einschließlich etwaiger Empfehlungen anderer Leistungserbringer allein an medizinischen Erwägungen im Interesse ausrichtet. Dies gelte auch im vorliegenden Fall.

Die Teilnichtigkeit hinsichtlich der „Werbemaßnahmen“ und der Übergabe der Patientenkartei betreffe wesentliche Vertragsbestimmungen. Der Wegfall dieser Maßnahmen führte demnach dazu, dass der Gesamtcharakter des Vertrags verändert würde, da durch die Teilnichtigkeit ein für die Parteien sinnvoller, zu entgeltender „Vertragsrest“ nicht verbliebe.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BGH kann im Ergebnis überzeugen und ist für die Praxis sehr relevant. Der isolierte Verkauf des Patientenstamms einer Zahnarztpraxis verstößt gegen berufsrechtliche Regelungen. Das hat der BGH im Streitfall ausführlich und rechtlich nachvollziehbar festgestellt. Die Ausführungen des Senats dazu sind mithin rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl sollten Ärzte nicht unüberlegt derartige Verträge schließen, da es sonst – wie vorliegend – zu einem nichtigen Geschäft führen kann. Ein solches Szenario ist eine unnötige „Baustelle“, die Käufer und Verkäufer vermeiden sollten. Diese Entscheidung ist ebenso für Versicherungsvermittler gut zu kennen, wenn diese Arztpraxen gesamtheitlich betreuen.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt Björn Jöhnke berichtet über Urteil zum Verkauf des Patientenstamms einer Arztpraxis.

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