Uploadfilter verstoßen nicht gegen EU-Recht!

Der Europäische Gerichtshof hatte sich mit der rechtlichen Frage zu befassen gehabt, ob Art. 17 der Richtlinie (EU) 2019/790 (sog. DSM-Richtlinie) gegen das Unionsrecht verstößt (EuGH, Urt. v. 26.04.2022 – Rs. C-401/19).

Der Fall vor dem EuGH

Es gilt nach Art. 17 der Richtlinie 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.04.2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt der Grundsatz, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten unmittelbar haften, wenn Schutzgegenstände (Werke usw.) von den Nutzern ihrer Dienste rechtswidrig hochgeladen werden. Jedoch können sich die betroffenen Diensteanbieter von dieser Haftung befreien. Hierfür müssen sie insbesondere gemäß Art. 17 der Richtlinie 2019/790 die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte aktiv überwachen, um das Hochladen von Schutzgegenständen zu verhindern, die die Rechteinhaber nicht über diese Dienste zugänglich machen wollen.

Die Republik Polen beantragt mit ihrer Klage, Art. 17 Abs. 4 Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil der Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 96/9/EG für nichtig zu erklären und, hilfsweise, für den Fall, dass sich diese Bestimmungen nach Ansicht des Gerichtshofs nicht von den anderen Bestimmungen von Art. 17 der Richtlinie 2019/790 trennen lassen, ohne dass dessen Wesensgehalt verändert würde, Art. 17 der Richtlinie 2019/790 insgesamt für nichtig zu erklären. Die Republik Polen stützt ihre Anträge auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen das in Art. 11 der Grundrechte-Charta der EU verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit rügt.

Das Europäische Parlament beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen. Der Europäische Rat beantragt, den Hauptantrag als unzulässig abzuweisen oder die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen und der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen. Das Parlament und der Rat machen geltend, der Hauptantrag sei unzulässig, da sich Buchst. b und Buchst. c letzter Satzteil von Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 2019/790 nicht vom Rest dieses Artikels trennen ließen.

Die Entscheidung des EuGH

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil die von Polen erhobene Klage gegen Art. 17 der Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt abgewiesen.

Zunächst führt der EuGH aus, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, um in den Genuss der in Art. 17 der Richtlinie 2019/790 vorgesehenen Haftungsbefreiung zu kommen, de facto verpflichtet sind, eine vorherige Kontrolle der Inhalte durchzuführen, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, sofern sie von den Rechteinhabern die insoweit einschlägigen und notwendigen Informationen erhalten haben.

Für die Durchführung einer solchen vorherigen Kontrolle seien diese Dienstanbieter in Abhängigkeit von der Zahl der hochgeladenen Dateien und der Art des fraglichen Schutzgegenstands gezwungen, auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen. Jedoch sorge eine solche vorherige Kontrolle und eine solche vorherige Filterung dafür, dass ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Inhalten im Internet eingeschränkt wird, so der Gerichtshof. Die für die Dienstanbieter für das Teilen von Online-Inhalten eingeführte spezielle Haftungsregelung bewirke unter diesen Umständen eine Einschränkung der Ausübung des Rechts der Nutzer der entsprechenden Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.

Trotz dessen sei eine solche Einschränkung nach Auffassung des EuGH gerechtfertigt. Zur Rechtfertigung einer solchen Einschränkung und insbesondere zu ihrer Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf das mit Art. 17 der Richtlinie 2019/790 verfolgte legitime Ziel des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums führt er aus, dass der Unionsgesetzgeber, um der Gefahr vorzubeugen, die u. a. die Nutzung von Instrumenten zur automatischen Erkennung und Filterung für das Recht der Nutzer von Diensten für das Teilen von Online-Inhalten auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit darstellt, eine klare und präzise Grenze für die Maßnahmen aufgestellt habe, die in Umsetzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtungen getroffen oder verlangt werden können, indem er insbesondere Maßnahmen ausgeschlossen hat, die rechtmäßige Inhalte beim Hochladen filtern oder sperren.

Im Zusammenhang damit weist der EuGH darauf hin, dass ein Filtersystem, bei dem die Gefahr bestünde, dass es nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen Inhalt und einem zulässigen Inhalt unterscheidet, so dass sein Einsatz zur Sperrung von Kommunikationen mit zulässigem Inhalt führen könnte, mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit unvereinbar wäre und das angemessene Gleichgewicht zwischen ihm und dem Recht des geistigen Eigentums nicht beachten würde.

Ferner sehe nach Ansicht des Gerichtshofs Art. 17 der Richtlinie 2019/790 vor, dass es den Nutzern dieser Dienste mit dem nationalen Recht gestattet wird, von ihnen zum Beispiel zum Zwecke von Parodien oder Pastiches generierte Inhalte hochzuladen, und dass sie von den Anbietern dieser Dienste darüber informiert werden, dass sie Werke und sonstige Schutzgegenstände im Rahmen der im Unionsrecht vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte nutzen können. Weiter führt der EuGH an, dass nach diesem Art. 17 die Haftung der Diensteanbieter für die Sicherstellung der Nichtverfügbarkeit bestimmter Inhalte nur unter der Voraussetzung ausgelöst werden könne, dass die betreffenden Rechteinhaber ihnen die einschlägigen und notwendigen Informationen über diese Inhalte übermitteln. Art. 17 der Richtlinie 2019/790 sehe außerdem vor, dass seine Anwendung nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf. Dies bedeute, dass die Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten nicht verpflichtet sein können, das Hochladen und die öffentliche Zugänglichmachung von Inhalten zu verhindern, die sie im Hinblick auf die von den Rechteinhabern bereitgestellten Informationen sowie etwaige Ausnahmen und Beschränkungen in Bezug auf das Urheberrecht eigenständig inhaltlich beurteilen müssten, um ihre Rechtswidrigkeit festzustellen, so der Gerichtshof.

Der EuGH meint abschließend, dass Art. 17 mehrere verfahrensrechtliche Garantien einführe, die das Recht der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in den Fällen schützen, in denen die Anbieter dieser Dienste trotz der Garantien, die in diesen Bestimmungen vorgesehen sind, dennoch irrtümlich oder ohne Grundlage zulässige Inhalte sperren sollten.

Fazit

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes kann im Ergebnis überzeugen. Er zieht daraus letztlich den Schluss, dass die sich aus der mit der Richtlinie eingeführten speziellen Haftungsregelung ergebende Verpflichtung der Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, die Inhalte, die Nutzer auf ihre Plattformen hochladen möchten, vor ihrer öffentlichen Verbreitung zu kontrollieren, vom Unionsgesetzgeber mit angemessenen Garantien versehen wurde, um die Wahrung des Rechts der Nutzer dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und das angemessene Gleichgewicht zwischen diesem Recht und dem Recht des geistigen Eigentums sicherzustellen.

Es ist schließlich Sache der Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie in ihr innerstaatliches Recht darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung dieser Bestimmung stützen, die es erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Charta geschützten Grundrechten sicherzustellen.

Für Versicherungsmakler, die Plattformen betreiben, auf denen Content hochgeladen werden kann, ist daher stets zu empfehlen, auf die Vorgaben, die sich aus der Entscheidung des EuGH ergeben, zu achten.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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