Genügt das Vorlesen und Vorlegen von Antragsfragen der Textform?

Die Versicherungsnehmer müssen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG vor Vertragsschluss dem Versicherer all jenes anzeigen, was erheblich für den Eintritt des Versicherungsfalls sein könnte. Dies betrifft jedoch nur solche Punkte, nach denen der Versicherer ausdrücklich in Textform gefragt hat. Zu den Erfordernissen an die Textform urteilte das OLG Hamm (Beschluss v. 23.08.2021 – Az. 20 U 123/11).

Falsche Beantwortung der Antragsfragen

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hatte er jedoch eine Bandkapselruptur im rechten oberen Sprunggelenk. Der Vermittler las dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen vor und trug die gegebenen Antworten in ihren Computer ein. In diesem Antragsformular beantwortete der Versicherte alle Antragsfragen bezüglich vorhandener Krankheiten mit „Nein“.

Im laufenden Versicherungsverhältnis erlitt der Versicherte eine Verletzung des Sprunggelenks und wollte die Leistung aus dem Versicherungsvertrag beanspruchen. Der Versicherer verweigerte die Leistung und begründete dies damit, dass der Versicherungsnehmer seine vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt habe, indem er die Antragsfragen falsch beantwortete. Hiergegen wandte sich der Versicherungsnehmer und bestritt, dass er die Fragen in der geforderten Textform vorgelegt bekommen hat.

Genügt das Vorlesen und Vorlegen der Antragsfragen der Textform?

Das OLG Hamm gab dem Versicherer Recht und wies das Leistungsbegehren ab. Der Versicherungsnehmer muss nur Fragen richtig beantworten, nach denen der Versicherer gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG in Textform gefragt hat. Somit war streitwesentlich, ob es der Textform genügt, dass dem Versicherungsnehmer die Fragen vorgelesen werden und er das ausgefüllte Dokument im Anschluss (später) erhält. Die Textform ist dann gewahrt, wenn die Fragen in einer Urkunde gestellt werden. Zudem muss dem Versicherungsnehmer das Dokument zur Verfügung gestellt werden.

Das OLG Hamm beurteilte die Rechtslage derart, dass die Antragsfragen nicht im Zeitpunkt der Beantwortung dem Versicherungsnehmer vorliegen müssen. Es reicht aus, wenn die Antragsfragen später dokumentiert in einem Schriftstück vorgelegt werden. Im vorliegenden Fall ist bei einer mündlichen Befragung und selbstständiger Ausfüllung durch einen Vermittler, der Vermittler verpflichtet, die Befragung sorgfältig und verständlich zu erledigen und die Fragen nicht verfälscht wiederzugeben.

Es reicht für die Textform aus, dass der Versicherungsnehmer im Nachgang die Antragsfragen in greifbarer Form erhält – auf falsch beantwortete Fragen kann der Versicherer mit einer Leistungsminderung oder einem nachträglichen Leistungsausschluss reagieren.

Fazit

Die Versicherungsnehmer sind verpflichtet gestellte Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Vermittler dürfen die Fragen aus dem Antragsformular ihren Kunden vorlesen und die Formulare selbst ausfüllen. Es reicht, dass im Nachgang der Versicherte eine Durchschrift erhält. Im Konfliktfall mit einem Versicherer sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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