Rechtsmissbräuchlichkeit von DSGVO-Auskunftsansprüchen (OLG Nürnberg) 

Darf der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) verwendet werden, um die Begründetheit von Rechtsansprüchen zu überprüfen? Oder stellt dies eine dem Sinn und Zweck der DSGVO widersprechende rechtsmissbräuchliche Anwendung des Auskunftsanspruch dar? Darüber hatte das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG Nürnberg) zu befinden (OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 – 8 U 2907/21).   

Was war vorliegend geschehen? 

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine private Krankenversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung zugrunde, die in Teil I die Musterbedingungen MB/KK 2009 umfassen.  

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Beitragserhöhungen im Rahmen der privaten Krankenversicherung. Erstinstanzlich verlangte der Versicherungsnehmer in diesem Zusammenhang von dem Versicherer Auskunft über die in den Jahren 2013 und 2016 erfolgten Beitragsanpassungen durch Vorlage entsprechender Unterlagen. Vor dem Landgericht hatte der Kläger bezüglich des Auskunftsanspruchs kein Erfolg. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein und beantragt die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung über alle Beitragsanpassungen. 

Die Entscheidung des OLG Nürnberg 

Die Berufung des Versicherungsnehmers hat keinen Erfolg. Das Landgericht habe zutreffend entschieden, dass die Geltendmachung der Klageanträge hinsichtlich eines Auskunftsanspruchs im Wege der Stufenklage unzulässig ist. Dieses Begehren verfolge der Kläger mit der Berufung weiter. 

Zunächst führte das OLG dazu Folgendes aus: § 254 ZPO regele einen privilegierten Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Die Stufenklage ermögliche die Verbindung eines auf Auskunft gerichteten Klageantrags mit einem noch unbezifferten bzw. noch unbestimmten Leistungs- und/oder Feststellungsantrag. Bei dem zunächst unbezifferten Feststellungsantrag könne es sich – wie hier – auch um eine Zwischenfeststellungsklage handeln. Die einstweilige Befreiung von der Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO setze jedoch voraus, dass die auf erster Stufe begehrte Auskunft als bloßes Hilfsmittel (nur) der konkreten Bestimmung des Leistungsanspruchs dient, so das OLG. Sie komme daher nicht in Betracht, wenn die Auskunft der Beschaffung von sonstigen Informationen über die Rechtsverfolgung des Klägers dienen soll. 

So liege der Fall auch hier, meint der Senat. Die vom Kläger begehrte Auskunft diene ersichtlich der erstmaligen Prüfung, ob und wann in den Jahren 2013 bis 2016 überhaupt Beitragsanpassungen erfolgt sind und infolgedessen ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte bestehen könnte. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass als Einzelelement des Auskunftsantrags die Höhe der Anpassungen unter Benennung der Tarife gefordert wird. Insoweit handele es sich um einen unselbstständigen Teil des Antrages, was daran deutlich werde, dass auch bei Kenntnis der Höhe weiterhin der Anspruchsgrund unklar bliebe. Denn auch bei Kenntnis des Erhöhungsbetrages wäre eine Prüfung der formalen Rechtmäßigkeit nicht möglich. 

Der als selbständiges Auskunftsbegehren anzusehende Berufungsantrag, die Beklagte zur Auskunftserteilung über alle Beitragsanpassungen zu verurteilen sei unbegründet und vom Landgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden. 

Anspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB? 

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Zwar könne sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies könne auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem anderen Teil Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es genüge jedoch nicht, dass der Anspruchsteller behauptet, die begehrte Information sei für ihn von Bedeutung bzw. er sei auf sie angewiesen. Voraussetzung sei vielmehr, dass der Anspruchsteller über den Inhalt der geforderten Information in entschuldbarer Weise im Unklaren ist, der Anspruchsgegner die Auskunft unschwer erteilen kann, so das OLG Nürnberg. 

Hieran fehle es im Streitfall. Der Kläger habe schon nicht konkret vorgetragen, aus welchen Gründen er nicht (mehr) über Informationen betreffend etwaige Beitragserhöhungen und damit verbundene Unterlagen verfügt. Nachvollziehbare Gründe dafür, warum dem Kläger die im Laufe des Vertrages übersandten Dokumente abhandengekommen sind, vermöge der Senat nicht zu erkennen. 

Anspruch aus § 810 BGB? 

Auch § 810 BGB verhelfe der Klage nicht zum Erfolg. Zum einen gewähre diese Vorschrift nur einen Anspruch auf Einsicht in bestimmte Urkunden. Der hier geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen sei davon nicht erfasst. Darüber hinaus verlange § 810 BGB nach einem schutzwürdigen rechtlichen Interesse des Anspruchstellers. Dieses werde zwar nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass der Vertragspartner seine eigene Abschrift schuldhaft verloren hat. Allerdings dürfe die Einsicht nicht der „Ausforschung“ dienen, um erst dadurch Anhaltspunkte für eine spätere Rechtsverfolgung gegen den Besitzer der Urkunde zu gewinnen. Letzteres sei hier jedoch ersichtlich das Ziel des Klägers, so das Oberlandesgericht. 

Anspruch aus Art. 15 DSGVO? 

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Denn der Beklagten stehe ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DSGVO zu. Die Vorschrift führe zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ mache aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will.  

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, sei auch der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 der Verordnung ergibt, sei Sinn und Zweck des in Art. 15 DSGVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können. Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten gehe es dem Kläger aber ersichtlich nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung sei vielmehr ausschließlich die Überprüfung etwaiger von der Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 WG. Eine solche Vorgehensweise sei vom Schutzzweck der DSGVO aber nicht umfasst, meint der Senat. 

Fazit und Praxishinweis  

Die Entscheidung OLG Nürnberg ist rechtlich nachvollziehbar und überzeugt im Ergebnis. In Anbetracht der Tatsache, dass nunmehr viele Verbraucher ihr Auskunftsbegehren auf Art. 15 DSGVO stützen, hat das Gericht den Fall juristisch präzise und zutreffend gelöst. Klargestellt hat es dabei insbesondere, dass es keinen Weg gibt den DSGVO-Auskunftsanspruch für die Vorbereitung der Geltendmachung von geldwerten Ansprüchen zu nutzen. Er dient nämlich, so wie es der Titel der Verordnung bezeichnet, allein dem Datenschutz. Dazu gehören verordnungsfremde Zwecke, wie die Verfolgung von Leistungsbegehren nicht. Mit dieser Entscheidung hat das OLG Nürnberg damit eine klare Linie für die Behandlung aller weiteren, vergleichbaren Fälle geschaffen.  

Zum Auskunftsanspruch aus der Datenschutzgrundverordnungen haben nun schon mehrere Gerichte geurteilt. Eine diesbezügliche Urteilsammlung ist nachfolgend zu finden: Auskunftsanspruch. 

Nachfolgend können weitere Informationen im Bereich des Informationstechnologierechts und des Datenschutzrechts nachgelesen werden: IT-Recht / Datenschutz.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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