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Keine Auslegung eines ärztlichen Attests für die Invaliditätsfeststellung der Unfallversicherung (OLG Jena)

Für die Unfallversicherung ist ein ärztliches Attest einer Erwerbsminderung unerlässlich, um den Eintritt des Versicherungsfalls darzulegen. Im gerichtlichen Verfahren kann es vorkommen, dass die Angaben im Attest nicht eindeutig sind und somit die Nachweiskraft fraglich ist. Das OLG Jena urteilte am 30.07.2021 (Az. 4 U 1149/20) darüber, ob eine Auslegung eines ärztlichen Attests möglich ist oder ob Unklarheiten möglicherweise zulasten der Versicherungsnehmer gehen.

Sachverhalt vor dem OLG Jena

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer privaten Unfallversicherung. Der Versicherungsnehmer erlitt eine Schulterverletzung aufgrund eines Unfalls. Er hatte sich die Schulter verdreht und wollte aufgrund von Folgeschwächen die Leistung aus der BU-Versicherung beanspruchen. Im Versicherungsvertrag war in einer Klausel ausgeführt, dass ein ärztliches Attest durch einen behandelnden Arzt ausgestellt werden muss und dieses Attest binnen 18 Monaten nach Unfalleintritt an den Versicherer übersandt worden sein muss. Der Versicherer stellte dem Arzt einen Fragebogen zu, indem die folgende Frage gestellt wurde: „Ist hierdurch ist eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit eingetreten:“ Hierauf trug der Arzt in den Fragebogen ein: „Noch nicht zu beurteilen“.

Dieses Attest reichte der Versicherungsnehmer ein. Der Unfallversicherer verweigerte daraufhin die Leistung mit der Begründung, dass ein die Invalidität nachweisendes Attest nicht binnen 18 Monaten eingereicht wurde.

Attestierung – Fristversäumnis und Nachholung durch Arztbefragung?

Das OLG Jena gab dem Versicherer Recht. Der Versicherungsnehmer bekommt die Leistung aus einer Unfallversicherung nur dann, wenn nachgewiesen ist, dass er tatsächlich erwerbsgemindert ist. Die ärztliche Feststellung der Invalidität obliegt den Ärzten. An die Feststellung der Invalidität sind keine hohen Anforderungen zu stellen – sie muss den Eintritt der Invalidität nur dem Grunde nach bestätigen. Die wesentlichen Informationen müssen sich aus der ärztlichen Feststellung entnehmen lassen.

Der Arzt hat das Formular im vorliegenden Fall derart ausgefüllt, dass der Eintritt einer dauerhaften Beeinträchtigung noch nicht zu beurteilen ist. Diese Feststellung reicht jedoch nicht aus. Der Kläger wollte diese Feststellung auslegen lassen, indem der behandelnde Arzt als Zeuge vernommen wird. Eine solche Auslegung durch die Zeugenvernehmung eines Arztes ist nicht statthaft, denn der Nachweis der unfallbedingten Berufsunfähigkeit muss aus dem Attest hervorgehen und nicht der Vorstellungswelt eines Arztes durch seine Aussage zu entnehmen sein. Somit hatte der Versicherungsnehmer nicht binnen 18 Monaten den erforderlichen Nachweis erbracht – ein versichertes Unfallereignis lag damit nicht vor.

Fazit

Die Entscheidung des Gerichts kann vollen Umfangs überzeugen. Unmittelbar nach einem Unfall und einer Gesundheitsschädigung müssen, um den Anspruch aus einer Unfallversicherung abzusichern, notwendige Maßnahmen getroffen werden. Die richtige und vollumfängliche Attestierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch einen Arzt ist unerlässlich. Nicht ausreichend dabei sind Angaben, wie „noch nicht feststellbar“ oder ähnliches. Innerhalb der fest definierten Frist zur Anzeige und Geltendmachung von Invaliditätsleistungen hat der Versicherte nun mal den Beweis der Beeinträchtigungen zu erbringen, um mögliche Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu erhalten. Ein reines Attest reicht dazu – nachvollziehbarer Weise – nicht aus.

Nach einem Unfall sollte unverzüglich ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden, damit bestenfalls keine Ansprüche vereitelt werden. Weitere Urteilsbesprechungen zu diesem Bereich können hier nachgelesen werden: UNFALLVERSICHERUNG.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt Björn Jöhnke berichtet über Urteil zur Auslegung eines ärztlichen Attests.

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