Nach einem Unfall wird grundsätzlich eine umfassende Untersuchung des Unfallhergangs durchgeführt. Für den Versicherungsnehmer kann eigenes pflichtwidriges Verhalten zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Dies gilt insbesondere bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (LG Bielefeld, Urt. v. 09.04.2021 – Az. 8 O 428/19). Dies bestätigte ebenfalls die nächste Instanz (OLG Hamm, Beschluss v. 19.07.2021 – 20 U 129/21).
Der klagende Versicherungsnehmer unterhielt bei der Beklagten eine KFZ-Vollkaskoversicherung für einen Mercedes Benz GLK 350. In den Versicherungsbedingungen war folgender Verhaltensausschluss vereinbart:
„Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen. Bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen, allerdings nur, soweit es sich [..] um die Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel.“
In der Nacht 04.01. auf den 05.01.2019 fuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug. Vor Fahrtantritt hatte er mindestens eine halbe Flasche Wein konsumiert. Sein Fahrtziel war die Ortstankstelle, um sich eine Flasche Wodka zu kaufen. Auf der Rückfahrt verlor er um 00:02 Uhr die Kontrolle über sein Fahrzeug, kam von der Straße ab und kollidierte mit einem Baum.
Um 00:19 Uhr trafen Polizeibeamte am Unfallort ein. Der Kläger gab ihnen gegenüber an, dass die Straße rutschig gewesen sei. Die Flasche Wodka wurde sichergestellt. Um 01:25 Uhr wurde dem Kläger eine Blutprobe abgenommen, seine BAK lag bei 0,84 Promille. In der Verkehrsunfallanzeige wurde notiert, dass der Kläger während der Blutabnahme schlief und nicht ansprechbar war. Die Versicherung verweigert die Leistung für die Fahrzeugschäden und beruft sich auf den vereinbarten Ausschluss.
Grundsätzlich war der Versicherungsfall gegeben, denn ein Unfall fand statt. Es musste vom Gericht untersucht werden, ob der Versicherer wegen des Ausschlusses leistungsfrei wurde. Ein Recht die Leistung zu kürzen, ergibt sich aus dem vereinbarten Ausschluss. Der Versicherungsfall müsste infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel verursacht worden sein.
Der Tatrichter nahm zur Beurteilung den um 01:25 Uhr gemessenen Blutalkoholwert und rechnete diesen runter, so kam er auf eine BAK von mindestens 0,88 Promille im Zeitpunkt des Unfalls. Unter 1,1 Promille liegt eine sog. relative Fahruntüchtigkeit vor; der Vorwurf der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ist nur gerechtfertigt, wenn über die getrunkene Menge hinaus, äußere Anzeichen der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegen. Insbesondere können hierfür Umstände herangezogen werden, die im Blutentnahmeprotokoll festgestellt wurden. Die Feststellungen der Polizeibeamten zur Beschaffenheit des Unfallortes wurden ausgewertet. Es konnten keine besonderen Nässevorkommen auf der Straße festgestellt werden. Ebenso wies die Verkehrssituation keine besondere Schwierigkeit auf, die ein nüchterner Fahrer nicht hätte bewältigen können.
Zudem wurden erhebliche Ausfallerscheinungen während der Blutentnahme festgestellt. Dies alles ließ den Rückschluss zu, dass der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls nicht imstande war ein Fahrzeug ordnungsgemäß zu führen. Ebenso bekräftigte die nächste Instanz des OLG Hamm (Beschluss v. 19.07.2021 – 20 U 129/21), dass die alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit aus Ausfallerscheinungen ergeben kann, die sich aus dem Blutentnahmeprotokoll ergeben. Das Abkommen von der Fahrbahn ohne äußere Gründe der Fahrbahnbeschaffenheit, spricht regelmäßig für einen alkoholbedingten Ausfall. Der Kläger fuhr im Bewusstsein, bereits eine halbe Flasche Wein getrunken zu haben und verhielt sich somit grob fahrlässig.
Der Versicherer wurde damit im Ergebnis leistungsfrei. Die Leistungskürzung auf null durch das LG Bielefeld bestätigte auch das OLG Hamm.
Nach einem Unfall wird auch das Verhalten unmittelbar nach dem Unfallgeschehen protokolliert und entsprechend ausgewertet. Vor Gericht findet so dann eine Gesamtwürdigung aller Umstände statt. Vorliegend kamen die Gerichte zu einer Leistungskürzung auf null. Die beiden Entscheidungen sind damit im Ergebnis nachvollziehbar. Die Versicherer können folglich unter Umständen die Leistung verweigern. Geschieht dieses, so sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen sind im Bereich „Kaskoversicherung“ zu finden. Gerade die alkoholbedingten Unfallgeschehen werden auch in der „Unfallversicherung“ relevant.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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