Der BGH urteilte zu der Frage, wem im Rahmen eines KFZ-Leasingvertrags der Anspruch auf den Neuwertanteil aus einer Kaskoversicherung zusteht (BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 71/19).
Die Leasinggeberin verklagte den Leasingnehmer aufgrund eines abgewickelten Leasingvertrages. Die Kaskoversicherung sah eine feste Versicherungssumme zum Netto-Neuwert des PKW (131.000€) vor. Der geleaste PKW wurde gestohlen und der Vertrag wegen Unmöglichkeit zur Leistungserfüllung beendet. Kurzzeitig später wurde das Fahrzeug an der polnischen Grenze wieder gefunden.
Der Neuwertanteil wurde vom Versicherungsnehmer versichert, ohne dass er hierzu aus dem Leasingvertrag verpflichtet gewesen wäre. Vertraglich verpflichtend sollte nur der Wiederbeschaffungswert versichert werden. Es besteht Streit darüber, wem die Differenz zwischen Ablösewert des KFZ und der vom Versicherer geleistet Neuwertentschädigung zusteht. Das vorinstanzliche OLG Düsseldorf wies dem Leasinggeber den Anspruch zu.
Das Auto wurde gestohlen und die Erfüllung der vertraglichen Gebrauchsüberlassung somit gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich. Der Leasingvertrag wurde deshalb vorzeitig beendet. Infolge des Diebstahls entstand der Ersatzanspruch aus der vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaskoversicherung.
Der Ersatzanspruch bis zur Höhe der Ablösesumme (Zeitwert) steht dem Leasinggeber zu. Strittig war indes, wem der aus der Neuwertversicherung entstehende Anteil von Ablösesumme zum Neuwert zusteht. Es bestand für den Leasingnehmer keine vertragliche Verpflichtung auch den Neuwertanteil zu versichern, insofern tat er dies im eigenen wirtschaftlichen Interesse. Grundsätzlich steht bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung – wegen gesetzlicher Unmöglichkeit – die Versicherungsentschädigung dem Leasinggeber zu. Dieser Grundsatz gilt aber nur insoweit, wie die Versicherungsleistung nicht über den Wiederbeschaffungswert hinausgeht.
Das OLG entschied, dass der Leasinggeber den Neuwertanteil erhält. Der § 285 Abs. 1 BGB ordnet diesen Anspruchsübergang per Gesetz an. Daran ändert das Übersteigen des Widerbeschaffungswertes nichts.
Begründet wurde dies damit, dass der Leasinggeber weiterhin vollwertiger Eigentümer des KFZ bleibt. Aus der Eigentümers-Stellung entsteht die Berechtigung zum Erhalt von Chancen und Risiken, die aus einer Wertsteigerung der Sache entstehen. Anders wäre der Fall nur zu handhaben, wenn im Vertrag ausdrücklich die Chancen einer Wertsteigerung dem Leasingnehmer zustehen würden.
Der BGH entschied, dass vom Grundsatz abgewichen werden muss und der Leasinggeber nicht den Neuwertanteil erhalten kann. Der Leasinggeber erhält grundsätzlich den Erstattungsanspruch, weil er mit der Kaskoversicherung sein Interesse an ordnungsgemäßer Erhaltung der Sache absichert. Die Geschäftschance die Neuwertspitze zu erhalten ist einzig dem Leasingnehmer zuzuweisen. Das versicherte Interesse, sich mit Hilfe einer Neuwertentschädigung ein Neufahrzeug anschaffen zu können ist einzig in der Sphäre des Leasingnehmers zu verorten. Ein Anspruchsübergang wegen § 285 Abs. 1 BGB scheidet aus, da der dahinterstehende Gerechtigkeitsgedanke eine übermäßige Bevorteilung eines Teils verbiete. Schließlich leistet der Leasingnehmer die erhöhten Prämienzahlungen für eine Neuwertversicherung freiwillig und in seinem eigenen Interesse. Somit erhält der Leasingnehmer den Anspruch.
Die rechtliche Handhabung von Leasingverträgen entwickelt sich stets fort. Treffen Versicherungsfragen und Leasingvertragsfragen aufeinander, so sind stets die Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ist strittig, wem ein Versicherungsanspruch gebührt, so ist stets danach zu fragen, wer welches Interesse durch Prämienzahlung absichert. Entstehen hierbei versicherungsrechtliche Konflikte, sollte frühzeitig ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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