Verbindlichkeit eines Obmanngutachtens in der Wohngebäudeversicherung (OLG Koblenz)

Kommt es in einem Versicherungsprozess zum Sachverständigenverfahren nach § 84 VVG, so stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen des sogenannten „Obmanns“ überhaupt verbindlich sind. Hierzu entschied das OLG Koblenz in einem Verfahren bezüglich einer Wohngebäudeversicherung (Beschluss v. 22.08.2011 – Az. 10 U 242/11).

Versicherer und Versicherungsnehmer einigen sich auf Obmanngutachten

Der klagende Versicherungsnehmer und die beklagte Versicherung einigten sich im Wege der Schadensregulierung ein vertraglich vorgesehenes Verfahren mittels Sachverständigen (siehe auch: Sachverständigenverfahren) durchzuführen. Die von beiden Parteien gewählten Sachverständigen haben vor ihrem Tätigwerden einen unparteiischen Obmann benannt, der das verbindliche Gesamtgutachten anfertigen soll. Die Sachverständigen haben jeweils die Schäden des Versicherungsnehmers anders bewertet. Der Obmann hat, nachdem er die Gutachten der Sachverständigen erhalten hat, eine persönliche Besichtigung des Schadensortes vorgenommen und zulasten des Versicherungsnehmers den geringeren Schaden zugrunde gelegt. Der Versicherungsnehmer bestritt die Verbindlichkeit des Obmann-Gutachtens mit dem Argument, die Ausführungen seien sachlich nicht vollständig gewesen.

OLG Koblenz bejaht Verbindlichkeit des Obmanngutachtens in der Wohngebäudeversicherung

Das Gericht entschied gegen den Versicherungsnehmer und erkannte damit die Verbindlichkeit des Gutachtens an. Ein Sachverständigenverfahren wird so durchgeführt, dass der Versicherungsnehmer und der Versicherer einen Sachverständigen mit der Schadensermittlung beauftragen und ein dritter Sachverständiger („Obmann“) ein für das Verfahren verbindliches Gesamtgutachten erstellt.

Die Parteien sind an die Entscheidung des Obmanns im Sachverständigenverfahren gebunden. Dabei ist es nach richtiger Bewertung des OLG Koblenz unerheblich, ob das Obmanngutachten den Versicherungsnehmer benachteiligt und einer für ihn ungünstigeren Einschätzung der Sachverständigen folgt. Ein Gesamtgutachten ist nur unverbindlich, wenn es nach § 84 VVG offensichtlich unrichtig ist. Dass das Gutachten oberflächliche Unrichtigkeiten enthält, ist unerheblich. Die Unrichtigkeiten müssen sich einem unbefangenen Beurteiler aufdrängen und die Feststellungen im Gesamtergebnis erschüttern, dabei ist es unerheblich, dass in Einzelpunkten Abweichungen nachweisbar sind.

Ein Obmanngutachten ist nach dem OLG Koblenz dann richtig, wenn es sich in sachlicher Weise mit den strittigen Punkten beschäftigt und nachvollziehbar ist. Nachvollziehbar sind die Einschätzungen auf jeden Fall dann, wenn sie detailgetreu begründet sind. Insbesondere sind Ausführungen des Obmanns als richtig anzusehen, wenn er die Feststellungen der Vorgutachter auf ihre Plausibilität geprüft hat. Dass der Obmann den Versicherungsnehmer benachteiligt, ist deshalb unerheblich, weil der Obmann ein sachlich neutrales Letztgutachten erstellen soll, dass nicht interessengebunden ist.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Sachverständigengutachten sind insbesondere im Bereich der Sachversicherung ein gängiges Mittel zur Schadensermittlung und so dann häufig auch Schadensregulierung. Häufig ist in den AVB ein entsprechendes Sachverständigenverfahren im Sinne des § 84 VVG vorgesehen, dessen Abschluss ein Obmanngutachten bildet. Dieses kann so dann auch verbindlich sein, wie vorliegend. Im Konfliktfall sollte jedoch stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechung sind im Bereich „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Gebäudeversicherung“ zusammengefasst. Speziell für die Sachverständigenverfahren wird auf einen diesbezüglichen umfassenden Leitartikel verwiesen: „Sachverständigenverfahren“.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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