Sicherstellung der Wiederherstellung des Wohngebäudes bei Neuwertspitze (OLG Hamm)

Die „Neuwertspitze“ ist der häufig begehrte, aber oftmals abgelehnte Anteil der Versicherungsleistung aus einer Wohngebäudeversicherung. Das OLG Hamm hat geurteilt, unter welchen Umständen der Versicherer die Auszahlung der Neuwertspitze verweigern kann (OLG Hamm, Urt. v. 12.02.2016 – Az. I-20 U 126/15).

Sachverhalt vor dem OLG Hamm

Der Kläger hatte ein abgebranntes Gebäude erworben. Der beklagte Wohngebäudeversicherer beauftragte einen Gutachter zur Schadensermittlung. Das Gebäude hatte einen Zeitwert von 139.101,03 €, der Versicherungsnehmer würde aber nach dem Gutachter eine Neuwertentschädigung in Höhe von 225.166,18 € bekommen. Die Neuwertsumme würde der Versicherungsnehmer jedoch nur dann erhalten, wenn er nach § 15 Abs. 4 des Wohngebäudeversicherungsvertrags:

„[..] soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen.“

Die Beklagte überwies dem Versicherungsnehmer den Zeit- und Neuwert. Der Versicherter wollte aber im gerichtlichen Verfahren den Neuwertanteil zurückerstattet bekommen, denn nach ihrer Ansicht hat der Versicherungsnehmer die Klausel nicht erfüllen können.

Der Versicherungsnehmer konnte auf Nachfrage lediglich nachweisen, dass er die Summe verwendet hat, um einen Werkvertrag mit einem Bauunternehmen zu schließen. Der Versicherungsnehmer war Geschäftsführer dieses Unternehmens. Leistungen aus diesem Vertrag wurden nicht erbracht. Die Versicherung verlangte die Differenz zwischen Zeit- und Neuwert („Neuwertspitze“) vom Versicherungsnehmer gerichtlich zurück.

Rechtliche Bewertung: Sicherstellung der Wiederherstellung?

Das OLG Hamm gab diesem Rückforderungsbegehren der Gebäudeversicherung statt. Denn zivilgerichtlich können Geldleistungen zurückgefordert werden, die ohne Rechtsgrund erbracht wurden. Als die Versicherung an den Versicherungsnehmer leistete, ging sie davon aus, dass das Geld zur Sicherstellung genutzt wird und sie somit ihre vertragliche Verpflichtung erfüllt. Der Versicherungsnehmer hat seinen Teil allerdings nicht erfüllt und nicht für eine Sicherstellung der Wiederherstellung gesorgt. Der mit sich selbst geschlossene Vertrag ist gem. § 181 BGB nichtig.

Somit musste das OLG Hamm untersuchen, ob die Leistung mit Rechtsgrund erbracht wurde oder eben nicht. Bei fehlendem Rechtsgrund muss der Versicherungsnehmer die Geldleistung zurückgeben. Wesentlich war die Frage, ob die strenge Wiederherstellungsklausel einen Rechtsgrund darstellt.

Grundsätzlich ist dem so, wenn der Versicherungsnehmer die Klausel erfüllt, dann darf er nach Empfang der Leistung das Geld behalten. Im vorliegenden Fall hatte der Versicherungsnehmer die Verbindlichkeit jedoch nicht erfüllt, denn der mit sich selbst geschlossene Vertrag ist derart unverbindlich, dass nicht von einer gesicherten Wiederherstellung des Gebäudes ausgegangen werden konnte. Ob der Vertrag überhaupt erfüllt worden wäre, war in Gänze fraglich. Somit hat die Versicherung ihre Leistung rechtsgrundlos erbracht. Denn sie nahm schließlich nur an, dass das Geld wie vertraglich geschuldet vom Versicherungsnehmer genutzt wird. Das Geld musste demgemäß erstattet werden.

Fazit

Die Sicherstellung der Wiederherstellung ist die entscheidende Voraussetzung, die den Anspruch auf den Neuwertanteil sichert. Erfüllt der Versicherungsnehmer die Anforderungen, dann darf er das erhaltene Geld behalten. Im Fall einer Auseinandersetzung mit dem Versicherer sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen sind im Bereich „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Gebäudeversicherung“ zusammengefasst. Insbesondere haben wir um Zusammenhang mit dem Neuwertanteil und der Wiederherstellung einen wegweisenden Artikel für Sie vorbereitet: „Neuwertspitze“.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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