Bei Versicherungen geht es oftmals um die Absicherung der wirtschaftlichen Existenz des Versicherten. Versicherungsrechtsfällen widmen wir uns daher mit besonderem persönlichen Engagement.
Das OLG Köln hatte zu klären, ob Geld, das aufgrund einer Erpressung vom Versicherungsnehmer vom Sparbuch gehoben wird, in der Hausratversicherung versichert ist (OLG Köln, Beschluss v. 19.07.2021 – 9 U 172/20).
Der klagende Versicherungsnehmer unterhält eine Hausratversicherung. Der Versicherte wurde von nahen Angehörigen in seiner Wohnung durch Drohung mit Gewalt dazu bewegt sich zu einer Bank zu begeben und von einem Sparbuch Geld abzuheben. Es wurde so Bargeld in Höhe von 6.000 € weggenommen. In den Hausratversicherungsbedingungen ist in Ziff. 6.4.2 VHB 2008 normiert:
„Der Versicherungsschutz erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Raub gemäß Ziffer 6.2 VHB 2008 an Sachen, die an den Ort der Wegnahme oder Herausgabe erst auf Verlangen der Täter herangeschafft werden.“
Die Versicherung verweigert den Ersatz. Das OLG Köln gab der Versicherung Recht.
Es bestand Einigkeit über die Einschlägigkeit der Klausel bezüglich des tatsächlich an den Ort geschafften Bargeldes. Das Geld befand sich nicht am Versicherungsort, sondern wurde von der Postbank abgeholt. Es wurde geprüft, ob das Vorhandensein eines Sparbuchs als körperlicher Gegenstand in der Wohnung des Klägers derart zu verstehen ist, dass das „Buchgeld“ i.H.v. 6.000€ im Zeitpunkt der Wegnahme bereits in der versicherten Wohnung vorhanden war.
Nach herrschender Meinung ist das „Buchgeld“ auf einem Sparbuch rechtlich ein durch den Sparer gewährtes Darlehen an die Bank. Im Kündigungsfall ist das Geld von der Bank – als Darlehensnehmer – zurückzuzahlen. Das Sparbuch ist eine Schuldurkunde gem. § 952 BGB, der Sparer ist Eigentümer der Darlehensforderung gegenüber der Bank. Somit war zum Zeitpunkt der Wegnahme lediglich eine Urkunde vorhanden und nicht die hiermit beurkundete Darlehensforderung als Recht.
Es wurde geprüft, ob die Klausel so verstanden werden kann, dass der auf einem Gegenstand verkörperte Wert als versicherter Gegenstand zu bewerten ist. Eine Versicherungsklausel wird so ausgelegt, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnis verstehen muss. Die Klausel stellt klar erkennbar nicht auf den in einem Gegenstand verkörperten Wert ab, sondern auf die Sache selbst. Dies steht im Einklang mit den restlichen Versicherungsbedingungen, so ist in Ziff. 2 VHB 2008 festgelegt:
„Wertsachen sind
2.1.1 Bargeld und auf Geldkarten geladene Beträge;
2.1.2 Urkunden einschließlich Sparbücher und sonstige Wertpapiere“.
Mithin kommt auch hier die Erforderlichkeit einer körperlichen Sache zum Ausdruck. Wenn das Sparbuch als solches nicht entwendet wird, wird keine Wertsache entwendet. Eine von der Bank hierfür ausgezahlte Leistung ist keine Sache. Die Risikoverwaltung des Versicherers ist auch wertungsmäßig heranzuziehen und eine Erstreckung der Klausel auf Forderungen unzulässig. Sonst könnte der Versicherungsnehmer dazu genötigt werden einen immens hohen Darlehensbetrag durch Zwang aufzunehmen und dieses Geld so dann von dem Versicherer ersetzt verlangen.
In der Hausratversicherung als Sachversicherung gelten nur die Sachen als solche versichert. In ihnen verkörperte Werte – insbesondere in Urkunden – sind nicht als solche ersatzfähig. Im Zweifelsfall sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der rechtlichen Bewertung des Einzelfalls betraut werden.
Weiterführende interessante versicherungsrechtliche Artikel und Urteilszusammenfassungen können nachfolgend in einem Leitartikel nachgelesen werden: Hausratversicherung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
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