Der BGH hat mit Urteil vom 08.07.2021 (Az.: I ZR 248/19) über die Nachbearbeitungspflichten bei Widerruf oder Beitragsfreistellung entschieden.
Zwischen einem Versicherungsmakler und einem Maklerpool bestanden eine Courtagevereinbarung, sowie eine Ergänzungsvereinbarung für vordiskontierte Produkte. Nach diesen Vereinbarungen oblag es dem Maklerpool die vermittelten Geschäfte zu provisionieren, darüber entsprechende Rechnung abzulegen und im Falle von Vertragsstörungen dem Versicherungsmakler Stornogefahrenmitteilungen zukommen zu lassen.
Nach einiger Zeit kam es zu Courtagerückforderungen und entsprechenden Belastungen auf dem Courtagekonto des Versicherungsmaklers. Hintergrund war, dass einzelne Versicherungsnehmer vermittelte Versicherungsverträge widerrufen oder beitragsfrei gestellt hatten. Stornogefahrenmitteilungen erhielt der Versicherungsmakler jedoch erst mit mehrmonatiger Verzögerung.
Der Versicherungsmakler erhob Widerspruch gegen die Abbuchungen und forderte eine erneute Gutschrift der Courtagen. Nachdem es zu keiner Gutschrift kam, erhob der Versicherungsmakler Klage.
Das LG Hamburg und das OLG Hamburg urteilten, dass in Bezug auf einen widerrufenen Versicherungsvertrag keine Nachbearbeitungspflicht bestand. Aufgrund eines vorherigen Telefonates sei auch ein Versicherungsvertrag, für den eine Beitragsfreistellung beantragt wurde, nicht notwendigerweise nachzubearbeiten. Gegen diese Entscheidungen wendete sich der Versicherungsmakler mittel Revision an den BGH.
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Der BGH hat entschieden, dass grundsätzlich eine Nachbearbeitungspflicht bestand. Der Versicherungsmakler war in dem zu entscheidenden Fall genauso schutzwürdig, wie ein Versicherungsvertreter, für welchen in § 87a Abs. 3 S. 2 HGB eine Nachbearbeitungspflicht besteht. Der BGH bestätigte damit seiner bisherigen Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Handelsvertreterrechts in Courtagerückforderungsstreitigkeiten, die einen Versicherungsmakler betreffen (siehe hierzu „Rückforderung unverdienter Courtage: So kann sich der Versicherungsmakler wehren!).
Entsprechend den Regelungen des § 87a Abs. 3 S. 1 HGB hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Nach § 87a Abs. 3 S. 2 HGB entfällt dieser Anspruch jedoch, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, welche vom Unternehmen nicht zu vertreten sind. Umstände gelten als nicht zu vertreten, wenn die notleidenden Verträge im gebotenen Umfang nachbearbeitet wurden (siehe zu den Nachbearbeitungspflichten gegenüber Handelsvertretern im Einzelnen: „Rückforderung unverdienter Provisionen: So kann sich der Versicherungsvertreter wehren!“.).
Die Ausübung des Widerrufrecht, durch den Versicherungsnehmer gem. § 8 VVG, löste jedoch Ansicht des BGH keine Nachbearbeitungspflichten des Maklerpools aus. Ein Widerruf durch den Versicherungsnehmer stellt keinen Umstand dar, der von dem Maklerpool zu vertreten war. Vielmehr hat der Maklerpool die Entscheidung des Versicherungsnehmers zu respektieren. Insoweit hat die vorherige Entscheidung des OLG Hamburg der Revision standgehalten.
Anders wurde die Frage der Nachbearbeitungspflicht, in Bezug auf eine Beitragsfreistellung, bewertet. Ein solcher Antrag kann eine Nachbearbeitungspflicht auslösen.
Einem Antrag auf Beitragsfreistellung liegen regelmäßig geänderte wirtschaftliche Verhältnisse des Versicherungsnehmers zugrunde, infolgedessen er von der Prämienzahlung Abstand nehmen möchte. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherungsnehmers liegen zwar grundsätzlich nicht in dem Risikobereich des Unternehmens. Allerdings bewerte dies der BGH im Fall eines Antrages auf Beitragsfreistellung, mit Blick auf die Interessen des Vermittlers anders. In einem solchen Fall zählen Bemühungen um die Weiterführung des Vertrages zum verantwortenden Pflichtenprogramm des Maklerpools.
Der Inhalt des Telefonats, welches nach schriftlichem Antrag stattgefunden hat, konnte nicht mehr festgestellt werden. Damit konnte aber auch nicht mehr festgestellt werden, dass es einer Nachbearbeitung nicht mehr bedurfte oder dass diese von vornherein aussichtslos war.
Folglich entschied der BGH, dass der Maklerpool nicht berechtigt gewesen ist, unverdiente Courtagevorschüsse für den beitragsfrei gestellten Versicherungsvertrag zurückzufordern.
Gerade in Bezug auf die Frage, ob der Widerruf eines Vertrages eine Nachbearbeitungspflicht auslöst bestand bisher gerichtliche Uneinigkeit. So hat beispielsweise das OLG München bisher Nachbearbeitungspflichten nach Widerruf bejaht (vgl. OLG München: Nachbearbeitungspflicht bei Widerruf des Versicherungsvertrages). Anders hat dies z.B. das OLG Zweibrücken bewertet (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.05.2011 (Az.: 8 U 158/08)). Mit dieser Entscheidung des BGH gibt es allerdings eine neue höchstrichterliche Leitlinie, nach welcher bei einem Widerruf keine Nachbearbeitungspflicht entsteht.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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