Das OLG Hamm entschied zur Frage, ob eine Brandentstehung in einem ungenehmigt ausgebautem Spitzboden zu einer Leistungskürzung aufgrund einer vom Versicherungsnehmer zu vertretenden Gefahrerhöhung gem. §§ 23 ff. VVG führen kann (OLG Hamm, Beschluss v. 31.05.2021 – 20 U 63/21).
Der klagende Versicherungsnehmer unterhielt eine Wohngebäudeversicherung bei der beklagten Versicherung. Das Versicherungsverhältnis begann am 22.06.2015. Im Laufe des aktiven Versicherungsverhältnisses baute der Versicherungsnehmer den Spitzboden zu Wohnzwecken aus.
Am 01.03.2018 ereignete sich im Spitzboden des Gebäudes ein Brand. Ein Sachverständigengutachten ergab, dass der Brandentstehungsort die im Spitzdach ausgebaute Dachgeschosswohnung war. Eine Baugenehmigung für den Ausbau der Dachbodens bestand nicht. Ein weiterer Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass eine nicht genehmigte Nutzungsänderung im Spitzboden stattfand und wäre diese nicht vorgenommen werden, so wäre es nicht zum Brand gekommen.
In den Versicherungsbedingungen VGB 2008 findet sich folgende Klausel in Ziff. 18:
„Welche Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall (Sicherheitsvorschriften) haben Sie zu beachten?
18.1 Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall Sie haben
18.1.1 alle gesetzlichen, behördlichen oder vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten; … „
Der Versicherer verweigert die Ersatzleistung aus der Wohngebäudeversicherung und führt an, dass die Nutzungsänderung gegen Brandschutz dienende Vorschriften im Sinne der Ziff. 18 VGB 2008 verstoßen würde.
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Das OLG Hamm gab dem Versicherungsnehmer Recht, der Versicherer muss leisten. Das OLG Hamm stellte fest, dass der Versicherer nicht aufgrund einer Gefahrerhöhung gem. § 26 Abs. 1 S. 1 VVG von seiner Leistung frei wird. Es fehlt schon an einer Gefahrerhöhung i.S.d. §§ 23 ff. VVG. Es werden solche Umstände nicht erfasst, die bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärungen vorhanden waren. Der Dachboden – auch wenn er nicht als Wohnfläche genutzt wurde – war bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhanden. Brandursächlich wurde der dortig vorhandene Kamin, der nachweislich bereits seit dem Jahr 2007 installiert war. Eine tatbestandliche Gefahrerhöhung scheidet aus.
Das Gericht fragte sich somit, ob sich gem. Ziff. 18.1.1 VGB 2008 eine gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschrift zu beachten gewesen wäre. Es muss ein Zusammenhang zwischen der vom Versicherungsnehmer geschaffenen Gefahrenlage und der eingetretenen Schadensfolge bestehen. Vorinstanzlich hat das LG den konkreten leistungsschmälernden Zusammenhang zwischen Obliegenheitsverletzung und Schadensfolge festmachen wollen. Dies sah das OLG anders und stellte fest, dass der erforderliche Schutzzweckzusammenhang bereits dann vorliegt, wenn eine der Brandsicherheit dienenden Vorschrift verletzt wurde. Eine Obliegenheitsverletzung liegt somit vor.
Dennoch wird der Versicherer nicht leistungsfrei. Denn wenn nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG die Obliegenheitsverletzung nicht für den Eintritt des Versicherungsfalls ursächlich wird, dann bleibt die Leistungspflicht bestehen. Zwar wäre der Versicherungsfall nicht eingetreten, wenn man die Obliegenheitsverletzung wegdenkt. Der Versicherungsnehmer kann dies durch Gegenbeweis entkräften, dadurch dass bewiesen wird, dass der ursächliche Zusammenhang rechtlich nicht erheblich ist. Der Kläger muss nach dem OLG nur den Beweis führen, dass der Schaden in dieser Form auch mit Sicherheit eingetreten wäre, wenn alle Sicherheitsvorschriften beachtet worden wären. Der Schaden wäre auch eingetreten, wenn der Versicherungsnehmer eine Baugenehmigung eingeholt hätte.
Eine vertragliche Leistungskürzung tritt nicht nur deshalb ein, weil der Versicherungsnehmer eine bauliche Änderung ohne eine Genehmigung durchführt. Allein der Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften reicht zur Leistungskürzung nicht aus. Kommt es zum Brandfall und verweigert die Versicherung die Ersatzleistung, sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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