Versicherer verlangen unter Umständen Risikozuschläge wegen vom Versicherungsnehmer gemäß § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) angezeigter gefahrerhöhender Umstände. Die vereinbarte Prämie ist dann höher als die sonst fällige Regelprämie. Kommt es zum Wegfall gefahrerhöhender Umstände, so entspricht die vom Versicherer übernommene Gefahr nicht mehr der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie. In diesen Fällen gibt § 41 Satz 1 VVG Versicherungsnehmer das Recht, vom Versicherer die angemessene Herabsetzung der Prämie zu verlangen. Diese Bestimmung findet auch auf die Krankenversicherung Anwendung. § 41 VVG regelt damit den Fall der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB, so dass die Anwendung dieser allgemeinen Vorschrift ausgeschlossen ist.
Die maßgebliche Vorschrift ist § 41 VGG, welche vorliegend zum Tragen kommt:
§ 41 VVG – Herabsetzung der Prämie
Ist wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart und sind diese Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss weggefallen oder bedeutungslos geworden, kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die Prämie ab Zugang des Verlangens beim Versicherer angemessen herabgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn die Bemessung der höheren Prämie durch unrichtige, auf einem Irrtum des Versicherungsnehmers beruhende Angaben über einen solchen Umstand veranlasst worden ist.
Voraussetzung für das Verlangen einer Prämienherabsetzung durch den Versicherten ist zunächst, dass gerade wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände überhaupt eine höhere Prämie vereinbart wurde. Diese dem Versicherten bekannten Umstände müssen also der Grund dafür gewesen sein, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine höhere als die Regelprämie abverlangte, die sonst für Risiken dieser Art vereinbar wird. Nicht erforderlich ist, dass der Risikozuschlag aus dem Versicherungsschein ersichtlich ist oder die Prämienkalkulation dem Versicherungsnehmer offengelegt wurde. Eine interne Kalkulation reicht aus, ist aber auch erforderlich.
Diese für den Risikozuschlag ursächlichen gefahrerhöhenden Umstände müssen dauerhaft weggefallen oder bedeutungslos geworden sein. § 41 VVG ist jedoch nicht anzuwenden, wenn zwar ein gefahrerhöhender Umstand entfallen ist, insgesamt aber der Gefahrstand wegen hinzugekommener anderer gefahrerhöhender Umstände gleichblieben ist. Macht der Versicherungsnehmer irrtümlich falsche Angaben über risikorelevante Umstände, so befindet er sich in einer vergleichbaren Lage, wie wenn ein solcher Umstand nach Vertragsschluss wegfällt. In beiden Fällen entspricht die zu zahlende Prämie nicht dem übernommenen Risiko. § 41 Satz 2 VVG stellt daher beide Fälle gleich. Hierbei ist unerheblich, ob der Versicherte schuldhaft geirrt hat.
Unter den genannten Voraussetzungen kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass die Prämie herabgesetzt wird. Mit dieser Formulierung wird ihm ein unbefristetes und formfrei auszuübendes Gestaltungsrecht eingeräumt. Es wirkt ab Zugang des Herabsetzungsverlangens beim Versicherer, also nur für die Zukunft. Eine Rückzahlung von in der Zeit davor zu viel gezahlten Prämienanteilen ist ausgeschlossen. Fällt aber der Zugang des Herabsetzungsverlangens in eine laufende Versicherungsperiode und hat der Versicherungsnehmer für diese im Voraus gezahlt, so kann er die auf die Zeit nach dem Zugang entfallenden zu viel gezahlten Prämienanteile gemäß § 812 BGB zurückfordern.
Der Versicherer ist in diesem Zusammenhang nicht verpflichtet, der Prämienkalkulation statt der eigenen Risikoeinschätzung, die dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende ärztliche Risikobeurteilung zugrunde zu legen. Der Versicherer ist berechtigt, seine Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Dass er sich dabei in weiten Bereichen mit den ärztlichen Einschätzungen in Übereinstimmung befinden dürfte, ergibt sich aus der Natur der Sache. Der Versicherer ist jedoch rechtlich nicht gehalten, jede Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in sein Prämiensystem umzusetzen. Die Prämienkalkulation und die Methodik des Zustandekommens von Risikozuschlägen sind dem Versicherungsnehmer in der Regel unbekannt. Daher trifft den Versicherer eine besondere Substantiierungspflicht, wenn er sich gegen das Herabsetzungsverlangen wehrt.
Nun stellt sich aber die Frage, ob der Versicherer dem Verlangen des Versicherungsnehmers nachkommen, mithin die Prämie bei einem Wegfall des gefahrerhöhenden Umstands herabsetzen muss.
Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass die Prämie „angemessen“ herabgesetzt wird. In dem Fall, in dem aber ein ausdrücklicher und bezifferter Risikozuschlag vereinbart wurde und genau diese Gefahr entfallen ist, muss dieser Zuschlag schlicht wegfallen (siehe dazu: OLG Karlsruhe, Urt. v. 31.3.2011 – 12 U 164/10; das OLG Karlsruhe urteilte zu den Voraussetzungen einer Herabsetzung eines vereinbarten Risikozuschlags in der Krankenversicherung, in Bezug auf das Krankheitsrisiko im Bereich der Wirbelsäulen- und Bandscheibenerkrankungen).
Häufig kennt der Versicherungsnehmer sein Recht aus § 41 VVG von sich aus nicht. Daher ist es geboten, dass der Versicherer, wenn ihm der Wegfall der Gefahrumstände erkennbar ist, den Versicherungsnehmer auf die Möglichkeit des § 41 VVG hinweist. Diese Pflicht folgt aus § 6 Abs. 4 VVG. Verletzt der Versicherer seine Beratungspflicht, so ist er dem Versicherten nach § 6 Abs. 5 VVG zum Schadensersatz verpflichtet. Zu beachten ist jedoch § 6 Abs. 6 VVG. Danach sind die Absätze 1 bis 5 des § 6 VVG nicht anwendbar, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.
Für den Wegfall gefahrerhöhender Umstände (§ 41 S. 1 VVG) bzw. für seinen Irrtum über solche Umstände (§ 41 S. 2 VVG) trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast. Zudem muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass wegen dieser eben dieser Umstände eine höhere Prämie vereinbart wurde. Ist der Prämienzuschlag nicht im Antrag oder im Versicherungsschein exakt beziffert, sondern ergibt er sich aus einer rein internen Kalkulation des Versicherers, so trifft den Versicherer eine sekundäre Darlegungslast. Der Versicherer muss dabei substantiiert darlegen, wie sich seine ursprüngliche Prämienberechnung zusammensetzt. Schließlich trifft den Versicherten auch die Beweislast hinsichtlich des Zugangs seines Änderungsverlangens und dessen Zeitpunkt.
Gemäß § 42 VVG ist § 41 VVG eine halbzwingende Vorschrift, es kann also nur zugunsten des Versicherten davon abgewichen werden, nicht zulasten. Fristen und Formerfordernisse für sein Herabsetzungsverlangen sind daher ebenso unzulässig wie eine Prämienminderung zu einem späteren Zeitpunkt als dem Zugang. Hingegen ist eine zeitliche Vorverlagerung der Prämienherabsetzung auf den Tag der Änderung oder ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen Prämienminderung und erhöhtem Versicherungsschutz möglich.
Letztlich stellt sich im Rahmen der Prämienherabsetzung gemäß § 41 VVG auch die Frage, welchen Standpunkt die Gerichte einnehmen. Dazu im Folgenden zwei Urteile:
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass für die Beurteilung einer gewünschten Herabsetzung eines vereinbarten Risikozuschlags die Grundsätze maßgebend sind, von denen sich der Versicherer bei der Risikoprüfung leiten lässt. Diese müssen nicht dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, meint der Senat.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine private Krankenversicherung und machte die Herabsetzung des monatlichen Risikozuschlags und die Rückzahlung der überzahlten Beiträge geltend. Das LG Karlsruhe hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung des Versicherers hatte jedoch Erfolg, sodass der Kläger keinen Anspruch auf Prämienherabsetzung gemäß § 41 VVG hat. Die Beklagte habe ihre für die Prämienberechnung entscheidenden Grundsätze dargelegt und sei damit ihrer besonderen Substantiierungspflicht nachgekommen. Sie sei berechtigt, ihre Prämienkalkulation auf eigenen Erfahrungswerten aufzubauen. Dass sie sich dabei in weiten Bereichen mit den ärztlichen Einschätzungen in Übereinstimmung befinden dürfte, ergebe sich aus der Natur der Sache. Die Beklagte sei jedoch rechtlich nicht gehalten, jede Entwicklung der medizinischen Wissenschaft in ihr Prämiensystem umzusetzen, so das OLG.
Dem insoweit beweispflichtigen Kläger war der Nachweis nicht gelungen, dass die Beklagte nach ihren Grundsätzen bei der beim Kläger vorliegenden Spondylarthrose von keinem oder einem geringeren Risikozuschlag ausgegangen wäre.
Eine ausführliche Urteilsbesprechung der Entscheidung des OLG Karlsruhe ist nachstehend zu finden: HIER.
Das Landgericht Berlin hat im vorliegenden Fall entschieden, dass es für die Beurteilung, ob gefahrerhöhende Umstände weggefallen oder bedeutungslos geworden sind, auf die der Prämienanpassung zugrunde liegende subjektive Einschätzung des Versicherers ankomme. Beruhen die Prämienzuschläge auf prognostischen Erwägungen und besteht das Risiko von Folgebeschwerden, lassen beschwerde- oder behandlungsfreie Zeiten allein die Risikoerheblichkeit noch nicht entfallen, so das LG.
In dem Fall stritten die Parteien über die Herabsetzung von Prämienzuschlägen im Rahmen einer bei dem beklagten Versicherer seit November 2007 bestehenden privaten Krankheitskostenversicherung. Im Mai 2008 teilte der Vorversicherer der Klägerin der Beklagten Behandlungszeiträume wegen Wirbelsäulenbeschwerden mit. Daraufhin erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag, da die Klägerin die Wirbelsäulenerkrankungen nicht angegeben habe, und bot der Klägerin zugleich eine Neugestaltung des Vertrags mit einem Risikozuschlag für Wirbelsäulenerkrankungen. Dieses Angebot nahm die Klägerin an.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Aufhebung oder Reduzierung des aktuellen Risikozuschlags – wegen Wirbelsäulenerkrankungen, Hypertrophie der Nasenmuschel und Kopfschmerzen – zu. Die Beklagte habe ihre Risikoprüfungsgrundsätze dargelegt und substantiiert im Einzelnen vorgetragen, dass die Prämienzuschläge auf prognostischen Erwägungen beruhen. Die Klägerin hätte vortragen müssen, dass ein potenziell erhöhtes Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht und letztlich ausschließen müssen, dass zukünftig (irgendwelche) Folgen der Erkrankungen zu erwarten sind. Dazu vermochte sie aber nichts vorzubringen, meint das Gericht.
Eine ausführliche Urteilsbesprechung der Entscheidung des LG Berlin ist nachstehend zu finden: HIER.
Das LG München hat entschieden, dass der Versicherer die sekundäre Beweislast für Umstände, die der Versicherungsnehmer nach Erfüllung seiner primären Beweislast nicht darstellen kann, weil es sich typischerweise um versicherungsinterne Kalkulationen des Risikozuschlags handelt, zu tragen hat. Insbesondere habe der Versicherer die Herleitung des erhöhten Risikozuschlags schlüssig zu beweisen.
In dem Fall machte der Versicherungsnehmer den Wegfall der risikoerhöhenden Umstände und damit einen Anspruch gegen den Versicherer auf vollständige Herabsetzung des Risikozuschlags nach § 41 VVG geltend. Dazu reichte der Versicherungsnehmer Laborwerte als Beweis für den Wegfalls der risikoerhöhenden Umstände ein. Der sekundären Beweislast wurde der Versicherer seinerseits nicht gerecht. Vielmehr legte er einschlägige versicherungsinterne Richtlinien zur Handhabung von Laborwerten oder sonstige Prämienberechnungssysteme auch nach gerichtlicher Aufforderung nicht vor.
Im Ergebnis entschied das Gericht, dass eine vollständige Herabsetzung des Risikozuschlags durch en Versicherer veranlasst war und gab dem Versicherungsnehmer somit Recht.
Eine ausführliche Urteilsbesprechung der Entscheidung des LG München I ist nachstehend zu finden: HIER.
Ein Begehren der Versicherten nach einer Herabsetzung der Prämie gemäß § 41 VVG ist in vielen Fällen durchaus nachvollziehbar und kann auch geboten sein. Denn liegt ein sogenannter „Risikofortfall“ vor, ist ein diesbezüglicher Versicherungsschutz mit entsprechend erhöhter Prämie – „Risikozuschläge“ – möglicherweise obsolet geworden. Demgemäß sollte Versicherungsschutz auch entsprechend angepasst werden. Fällt also ein Risiko beim Versicherten weg, so könnte der Versicherungsnehmer zunächst die Herabsetzung der Prämie von seiner Versicherung verlangen. Versicherte müssen dabei jedoch nachweisen, dass ein potenziell erhöhtes Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht. Ebenfalls muss auszuschließen sein, dass zukünftig (irgendwelche) Folgen der – damaligen – Erkrankung zu erwarten sind. Versicherte sind diesbezüglich in der Beweislast. Jedoch dürfte dieser Beweislast bestenfalls mittels entsprechender ärztlicher Befunde und Atteste nachzukommen sein.
Vielfach dürften Versicherte ihr vorbezeichnetes Recht gar nicht kennen. Von daher sollten Versicherungsvermittler ihre Kunden auf ihr diesbezügliches Recht hinweisen und gegebenenfalls, beim Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen, Herabsetzung der Prämie von der jeweiligen Versicherung verlangen.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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