Außerordentliche Kündigung wegen Verlust der Vertriebsrechte (OLG München)

Das OLG München hat mit Beschluss vom 26.10.2020 (Az.: 7 U 4016/20) darüber entschieden, ob der Verlust der Vertriebsrechte einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen kann.

Sachverhalt

Zwischen einem Unternehmen und einem Handelsvertreter bestand ein Jahrelanger Handelsvertretervertrag. Grundlage des Vertrages war der Vertrieb einer Surf-Marke.

Nach einiger Zeit wurde der Vertriebsvertrag mit dem Unternehmen über den Vertrieb der Surf-Marke beendet. Daraufhin bot das Unternehmen seinerseits dem Handelsvertreter an den bestehenden Handelsvertretervertrag auf das Vertriebsunternehmen überzuleiten, welches zukünftig den Vertrieb der Surf-Marke übernähme. Dieses Angebot hat der Handelsvertreter jedoch nicht angenommen.

Daraufhin kündigte das Unternehmen den Handelsvertretervertrag außerordentlich, zu einem Zeitpunkt der zwei Monate in der Zukunft lag und mit der Vertriebseinstellung der Marke identisch war. Der Handelsvertreter erachtete die Beendigung des Handelsvertretervertrags als unzulässig und ging gegen die außerordentliche Kündigung gerichtlich vor.

Das LG München I hat mit Urteil vom 15.06.2020 (Az.: 15 HK O 17105/19) entschieden, dass die außerordentliche Kündigung des Unternehmens echtmäßig war. Gegen diese Entscheidung legte der Handelsvertreter Berufung ein, woraufhin das OLG München über die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu entscheiden hatte.

Entscheidung

Das OLG München hat entschieden, dass die Berufung unbegründet ist und die außerordentliche Kündigung rechtmäßig erfolgte.

Eine außerordentliche Kündigung bedarf gem. § 89a Abs. 1 HGB eines wichtigen Grundes. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist.  Zudem ist es möglich, dass der Prinzipal die Kündigung erklärt, auch wenn der wichtige Grund für die Kündigung aus seiner Sphäre stammt. Nach Ansicht des Gerichts war im vorliegenden Fall ein solcher wichtiger Grund gegeben. Der wichtige Grund sei der Verlust des Vertriebsrechts für die Surf-Marke gewesen.

Allerdings kann auch bei dem Vorliegen eines wichtigen Grundes das Gebot von Treu und Glauben ausnahmsweise die Einhaltung einer angemessenen Übergangsfrist, welche nicht der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen muss, fordern. Im vorliegenden Fall überwogen dennoch die Interessen des Unternehmens. Unter anderem hatte das Unternehmen, durch das Angebot der Überleitung des Handelsvertretervertrages, versucht dem Handelsvertreter trotz Beendigung des Vertrages eine weitere Einnahmequelle zu verschaffen. Aufgrund der Entziehung der Vertriebsrechte war von vornherein eine weitere Vertriebstätigkeit für das Unternehmen und somit dem Handelsvertreter ausgeschlossen.

Zudem war zu berücksichtigen, dass die Beendigung des Handelsvertretervertrages nicht überraschend eingetreten ist. Aus dem Angebot der Überleitung ließ sich ausdrücklich entnehmen, dass das Unternehmen sämtliche Vertriebsrechte verloren hatte. Des Weiteren wurde die Kündigung erst zu dem Zeitpunkt wirksam, als die Vertriebsrechte erloschen, wodurch eine Kündigungsfrist gewahrt wurde, welche jedoch lediglich kürzer als die ordentliche Kündigungsfrist war. Dem Unternehmen war ein Festhalten an dem Vertrag darüber hinaus nicht zumutbar.

Fazit

Das Urteil zeigt, dass eine sich verändernde Produktpalette durchaus Auswirkungen auf den Fortbestand des Handelsvertretervertrages haben kann. Ist ein Vertrieb von Produkten nicht mehr möglich, so kann dies durchaus die Parteien zur außerordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrages berechtigen. Dies gilt gerade dann, wenn damit die vertriebliche Grundlage der gemeinsamen Zusammenarbeit wegfällt.

Weitere Informationen und Rechtsprechungen zu diesem Thema finden Sie unter „Handelsvertreterrecht“.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt Jens Reichow erklärt nach Entscheidung des OLG München, ob der Verlust der Vertriebsrechte einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellt.

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