Hat eine Rechtsschutzversicherung ein Leistungsverweigerungsrecht nach erteilter Deckungszusage? Konkret ging es um die Frage, ob eine Rechtsschutzversicherung die Möglichkeit hat eine konkludent erteilte Deckungszusage zu kondizieren oder zu widerrufen. Darüber hatte das Kammergericht Berlin zu befinden (KG Berlin, Hinweisbeschluss v. 22.10.2021 – 6 U 1023/20).
Der Versicherungsnehmer, im Folgenden Beklagter, unterhält bei der klagenden Versicherung eine Rechtsschutzversicherung. Im Streitfall hatte die Klägerin den Versicherungsschutz nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt, sondern Deckung in Form der Erbringung von Versicherungsleistungen gewährt. Der Rechtsschutzversicherer hatte sich sodann auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen und beabsichtigte die erteilte Deckungszusage zu kondizieren und zu widerrufen. Er machte einen Anspruch auf Erstattung erbrachter Rechtsschutzversicherungsleistungen geltend. Das Landgericht wies die Klage des Rechtsschutzversicherers jedoch ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Rechtsschutzversicherung.
Der Senat beabsichtigte die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung war, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Rechtschutzversicherung stehe nämlich der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung erbrachter Rechtsschutzversicherungsleistungen nicht zu, weil sie die Versicherungsleistungen auf der Grundlage einer – zumindest konkludent durch Leistungserbringung – erteilten Deckungszusage und damit nicht “ohne Rechtsgrund” im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erbracht habe, so das Gericht.
Dazu führte das KG Berlin aus, dass es sich bei der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers nach allgemeiner Ansicht um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handele, das einen Vertrauenstatbestand erzeugt, der es dem Versicherer bei einer fehlerhaften Einschätzung des Sachverhalts verwehrt, sich auf die inhaltliche Unrichtigkeit seiner Deckungszusage zu berufen. Denn das deklaratorische Schuldanerkenntnis habe zur Folge, dass der Rechtsschutzversicherer mit späteren Einwendungen und Einreden tatsächlicher oder rechtlicher Natur ausgeschlossen bleibt, soweit sie ihm bei Abgabe der Deckungszusage bereits bekannt waren oder er sie zumindest für möglich gehalten hatte oder mit ihnen rechnete. Gleiches gelte für Einwendungen, die der Rechtschutzversicherer bei gehöriger Prüfung des Sachverhaltes hätte erkennen können, so das Gericht.
Im Streitfall habe die Klägerin den Versicherungsschutz nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt, sondern die Deckungszusage erteilt. Ein nachträgliches Leistungsverweigerungsrecht, dass mit fehlenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung begründet werden könnte, stehe der Klägerin nicht zu, weil ihr vor ihrer Deckungsentscheidung eine umfassende Prüfung der Erfolgsaussichten möglich gewesen sei, meint das KG. Denn ihr sei bereits mit der Deckungsanfrage der Sachverhalt vollständig vorgetragen gewesen und zugleich rechtlich bewertet worden.
Weiter führte das Kammergericht aus, dass die Klägerin auch nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihre konkludent erteilte Deckungszusage zu kondizieren oder zu widerrufen. Denn vor dem Hintergrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes bestünde eine solche Möglichkeit nur dann, wenn sich im Nachherein herausstellt, dass Gründe für eine Leistungsverweigerung vorliegen, auf die sich der Rechtschutzversicherer im Zeitpunkt des Widerrufs noch immer berufen kann (siehe dazu: OLG Celle: Zeitpunkt des Versicherungsfalles bei Streitigkeiten um Arbeitsverträge). Daran fehle es jedoch vorliegend.
Im Rahmen des Rechtschutzversicherungsverhältnisses habe der Versicherungsnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Deckungszusage, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz gegeben sind, während es dem Versicherer in dem Fall, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung von Rechtsschutz nicht gegeben sind, obliege, die Deckung ausdrücklich zu versagen und den Versicherungsnehmer auf die Möglichkeit des Stichentscheidverfahrens hinzuweisen.
Die Entscheidung des Kammergerichts kann im Ergebnis überzeugen und spielt in der Praxis eine entscheidende Rolle. Auch dieses Urteil enthält eine wesentliche Klarstellung zur Bindungswirkung einer Deckungszusage. Eine solche erzeugt als deklaratorisches Schuldanerkenntnis nämlich ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Versicherten. Eine Möglichkeit, die zumindest konkludent erteilte Deckungszusage zu kondizieren oder zu widerrufen, besteht dabei nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Es obliegt letztlich dem Rechtsschutzversicherer im Rahmen seiner Deckungsentscheidung die Erfolgsaussichten der vom Versicherten beabsichtigten Rechtsverfolgung umfassend zu prüfen. Die Ausführungen des KG Berlin dazu halten rechtlicher Prüfung vollumfänglich stand.
Noch nicht Rechtsschutzversicherte sollten dringend eine Rechtsschutzversicherung abschließen, bevor es zu dem Eintritt eines Versicherungsfalles kommt. Auch ist Versicherungsvermittlern zu raten, den Kunden den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung frühestmöglich anzuraten. Denn ist der Versicherungsfall bereits eingetreten und hat der Versicherte zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsschutzversicherung, so muss der Versicherte Rechtsanwaltskosten und Prozesskosten aus eigener Tasche bezahlen. Dieses kann in Versicherungsprozessen – zum Beispiel bei einem Rechtsstreit mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung – sehr teuer werden.
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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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