Bindende Rechtsschutz-Deckungszusage zugunsten des Versicherten (BGH)

Ist eine von der Rechtsschutzversicherung bei einer Versicherung für fremde Rechnung zugunsten des Versicherungsnehmers abgegebene Deckungszusage bindend? Über diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden (BGH, Urt. v. 16.07.2014 – IV ZR 88/13).

Der Sachverhalt vor dem BGH

Eine GmbH unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung. Mitversichert ist auch der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer der GmbH. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus dieser Rechtsschutzversicherung. Die vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) sehen in § 15 Abs. 2 vor, dass für mitversicherte Personen die den Versicherungsnehmer betreffenden Bestimmungen sinngemäß gelten, der Versicherungsnehmer jedoch widersprechen kann, wenn eine andere mitversicherte Person als sein ehelicher/eingetragener Lebenspartner Rechtsschutz verlangt

Über das Vermögen der GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Es kam zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und andere Mitarbeiter der GmbH. Dem Kläger wurde vom Rechtsschutzversicherer eine Deckungszusage hinsichtlich eines “Straf- bzw. Bußgeldverfahrens” für die 1. Instanz erteilt. Der Insolvenzverwalter der GmbH forderte die beklagte Rechtsschutzversicherung zur Auskehrung sämtlicher Erstattungsbeträge an die Insolvenzmasse auf. Der Verteidiger des Klägers stellte für seine Leistungen einen Betrag in Höhe von 9.029,15 € in Rechnung. Auf die Honorarnote des Verteidigers hin teilte die Beklagte mit, bedingungsgemäß eintrittspflichtig zu sein und 7.392,73 € netto schuldbefreiend an die Insolvenzmasse geleistet zu haben. Der klägerische Anwalt wurde so dann aufgefordert, seine Ansprüche zur Tabelle anzumelden.

Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob dieser Zahlung überhaupt Erfüllungswirkung zukommt. Der Kläger ist der Auffassung, dass er als mitversicherte Person durch die Regelung des § 15 Abs. 2 ARB verfügungsberechtigt sei und die Insolvenz der GmbH hieran nichts geändert habe. Einen Widerspruch des Insolvenzverwalters habe es nicht gegeben. Die Zahlung der beklagten Rechtsschutzversicherung habe daher keine schuldbefreiende Wirkung gehabt. Die Beklagte macht geltend, dass durch die Insolvenz die der Versicherungsnehmerin zustehende Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen und deshalb seinem Zahlungswunsch zu entsprechen gewesen sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Doch das Landgericht verurteilte den Rechtsschutzversicherer zur Zahlung der vom Kläger begehrten Teilsumme aus der Honorarforderung seines Verteidigers. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

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Die Entscheidung des BGH

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Im Streitfall handele es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung nach §§ 44, 45 VVG. Der BGH meint, dass die Insolvenz des Versicherungsnehmers die Rechtsposition des Versicherten nicht beeinträchtige, da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zur Insolvenzmasse des Versicherungsnehmers, sondern der des Versicherten gehöre. Bei der Insolvenz des Versicherungsnehmers komme es lediglich zu einer Änderung hinsichtlich der Verfügungsberechtigung, die nun dem Insolvenzverwalter zustehe. Demnach ergebe sich die fehlende Erfüllungswirkung der von der Beklagten an den Insolvenzverwalter geleisteten Zahlung nicht aus der im Berufungsurteil gegebenen Begründung fehelender Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers.

Deckungszusage für den Versicherer bindend!

Der BGH führte weiter dazu aus, dass eine Erfüllungswirkung der Honorarzahlung an die Versicherungsnehmerin aber daran scheitere, dass sich die Beklagte durch ihre Deckungszusage dazu verpflichtet habe, allein zu Gunsten des Klägers als mitversicherter Person zu leisten. Daher sei das Verhalten des beklagten Rechtsschutzversicherers widersprüchlich, so dass es ihm gemäß § 242 BGB verwehrt sei, sich gegenüber dem Kläger auf die Verfügungsbefugnis der Versicherungsnehmerin (GmbH), die auf den Insolvenzverwalter übergangen sei, zu berufen, so der Senat.

Als deklaratorisches Schuldanerkenntnis erzeuge eine Deckungszusage einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers. So habe sich der Versicherer durch das Schreiben an den klägerischen Anwalt auf den Kläger als verfügungsberechtigte Person festgelegt. Die Erklärung beinhaltete, dass die Beklagte gerade den Kläger von dessen Honorarverpflichtung gegenüber seinem Anwalt freistellen wollte.

Keine schuldbefreiende Leistung durch Rechtsschutzversicherer!

Ferner habe die Leistung an den Insolvenzverwalter habe auch deswegen keine schuldbefreiende Wirkung, weil durch sie keine Befreiung des Klägers von seiner Honorarverbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt eingetreten sei. Doch der Versicherer schulde vertraglich gerade diese Befreiung. Bei einem Befreiungsanspruch bestehe grundsätzlich kein Zahlungsanspruch des Gläubigers. Letztlich sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, an den Insolvenzverwalter zu leisten, solange dieser nicht zuvor den Anwalt des Klägers befriedigt hatte, so der BGH.

Fazit und Praxishinweis

Das Urteil des BGH ist im Ergebnis überzeugend und sehr praxisnah. Der Senat hat vorliegend die Abgrenzung von Leistungs- und Befreiungsanspruch rechtlich zutreffend herausgearbeitet. Er widerspricht ausdrücklich der Ansicht, dass der Rechtsschutzversicherer auch dann durch Zahlung an den Versicherungsnehmer befreiend leisten könne, wenn dieser noch nicht an den Kostengläubiger geleistet habe. Auch enthält die höchstrichterliche Entscheidung eine wesentliche Klarstellung zur Bindungswirkung der Rechtschutz-Deckungszusage. Denn diese erzeugt als deklaratorisches Schuldanerkenntnis ein Vertrauen zugunsten des Versicherten, welches der Rechtsschutzversicherer durch widersprüchliches Verhalten nicht brechen darf.

Noch nicht Rechtsschutzversicherte sollten stets eine Rechtsschutzversicherung abschließen, bevor es zu dem Eintritt eines Versicherungsfalles, respektive Rechtsschutzfalles kommt. Auch ist Versicherungsvermittlern zu raten, den Kunden den Abschluss einer Rechtsschutzversicherung frühestmöglich anzuraten. Denn ist der Versicherungsfall bereits eingetreten und hat der Versicherte zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsschutzversicherung, so muss der Versicherte Rechtsanwaltskosten und Prozesskosten aus eigener Tasche bezahlen. Dieses kann in Versicherungsprozessen sehr teuer werden.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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