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Berufsunfähigkeitsversicherung: Die vorläufige Deckungszusage ist ein eigenständiger Versicherungsvertrag (LG Verden)

In der Zeit zwischen dem Abschluss eines Versicherungsvertrags und dem Beginn des vertraglichen Versicherungsschutzes können die Parteien eine vorläufige Deckung vereinbaren. Das LG Verden beurteilte die Rechtsnatur einer solchen Zusage und stellte fest, ob dem Versicherungsnehmer hieraus Ansprüche erwachsen können (LG Verden, Urt. v. 06.10.2021 – 8 O 240/20)

Vorläufige Deckungszusage in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die streitenden Parteien sind Vertragspartner einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Zum 29.06.2016 beantragte der Versicherungsnehmer bei seinem Versicherer eine weitere Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Parteien vereinbarten: „[Der bestehende Altvertrags] soll bei Annahme dieses Antrages aufgehoben werden.“

Der zweite Vertragsschluss wurde mit einer vorläufigen Deckung gesichert, indem der Versicherungsnehmer einen Vertrag über den vorläufigen Versicherungsschutz bis zum Beginn des neuen Versicherungsverhältnisses schloss. Wesentlicher Vertragsinhalt ist, dass der Versicherungsnehmer die gleichen Leistungen wie aus einer bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung in der Schwebezeit geltend machen kann: „2. Der vorläufige Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die für den Fall der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit beantragten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung […]. Wir erbringen bei Eintritt einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit während der Dauer des vorläufigen Versicherungsschutzes, wenn uns die Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit innerhalb von 3 Monaten seit ihrem Eintritt angezeigt worden ist [..]“.

Der Versicherungsnehmer soll nach den Bedingungen bei Vorliegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Höchstrente von 12.000€ jährlich erhalten.

Nach den Bedingungen des Vertrages soll der vorläufige Versicherungsschutz beginnen, wenn der Antrag eingeht. In der Zwischenzeit während der Neubeantragung durch den Kunden und Annahme des Antrags durch den Versicherer machte der Versicherungsnehmer die Folgen einer psychischen Erkrankung geltend und forderte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Infolgedessen verweigerte der Versicherer endgültig die Annahme des neuen Versicherungsantrags und kündigte die vorläufige Deckung.

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Leistungen aus der BU-Versicherung wegen vorläufiger Deckung?

Vorliegend ging es darum, ob der Versicherungsnehmer aufgrund der vorläufigen Deckung einen Leistungsanspruch geltend machen kann. Ausgeschlossen wäre dies, wenn die vorläufige Deckung an das Zustandekommen des beabsichtige Vertrages gekoppelt ist und wie vorliegend die Annahme des Versicherungsantrags verweigert wird.

Das LG Verden beurteilte somit die Bestandskraft der vorläufigen Deckung dahingehend, ob die Vereinbarung auch ohne den beabsichtigten Vertragsschluss den Versicherungsnehmer schützt. Ausdrücklich ist in § 49 VVG vorgesehen, dass ein Vertrag, der die vorläufige Deckung gewähren, soll ein Versicherungsvertrag ist. Die Versicherungsbedingungen sahen ausdrücklich vor, dass im Falle einer Berufsunfähigkeit eine jährliche Höchstrente von 12.000€ ausgezahlt werden soll. In der vorläufigen Deckungszusage liegt ein eigenständiger zur Leistung berechtigender Versicherungsvertrag liegt vor.

Zudem ist die Bedingung, die den ersten Versicherungsvertrag auflösen soll, nämlich die „Annahme dieses Antrags“ nicht eingetreten, so dass dem Versicherungsnehmer die Leistung aus zwei Versicherungsverträgen zusteht. Dass der Versicherer aufgrund seiner Handlungen mit dem Versicherungsnehmer nunmehr zwei Versicherungsverträge auf dasselbe Risiko unterhält, ist allein dem Risikobereich des Versicherers zuzuweisen. Er kann die Leistung aus dem ursprünglich bestehendem Versicherungsvertrag nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verweigern.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Tritt der Versicherungsfall ein, ist zu untersuchen, aus welchen Verträgen der Versicherungsnehmer Leistungen beanspruchen kann. Mitunter kann es sein, dass ein Versicherer dasselbe Risiko durch mehrere Verträge absichert. Dies kann nicht zulasten des Versicherungsnehmers gehen, sondern ist allein im Verantwortungsbereich der Versicherer – dies ist auch billig, denn der Versicherer erhält eine höhere Prämie aus mehreren Verträgen. Sollte die Leistung verweigert werden, sollte zwingend ein Fachanwalt für Versicherungsrecht konsultiert werden. Weitere Informationen sind zu finden unter: Fallstricke Berufsunfähigkeitsversicherung. Einen Überblick finden Sie auch unter Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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