Versicherungsschutz auch bei Reserveursachen für Schäden (OLG Dresden)

Das Oberlandesgericht Dresden hatte sich im Rahmen von Ansprüchen aus einer Gebäudeversicherung mit der Frage zu befassen gehabt, ob der Versicherungsnehmer einen Leistungsanspruch gegen den Versicherer auch bei einer sog. „Reserveursache“ für einen Schaden hat. Ferner hatte das Gericht zu entscheiden, ob der Versicherungsnehmer auf Feststellung der Erstattungspflicht klagen könne, soweit über die Leistungspflicht des Versicherers Streit bestehe (OLG Dresden, Urteil vom 04.02.2020 – 4 U 1942/18).

Der Sachverhalt vor dem OLG Dresden

Mit der Klage begehrte der Versicherungsnehmer Leistungen, bzw. hilfsweise die Feststellung, dass die beklagte Gebäudeversicherung auf Nachweis zur Erstattung der Aufwendungen für Abriss- und Aufräumkosten wegen des durch einen Sturm beschädigten Gebäudes verpflichtet sei. Die Beklagte erhebt hingegen den Einwand, dass es sich bei den genannten Kosten um „Sowieso-Kosten“ handele, weil das Gebäude so mangelhaft war, dass es auch ohne das versicherte Ereignis eingestürzt wäre und ohnehin abgerissen werden müsste.

Das Landgericht Leipzig hatte die Klage des Versicherungsnehmers abgewiesen.

Entscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden folgt der Entscheidung des LG Leipzig nicht, gibt der Klage des Versicherten jedoch nur teilweise statt. Das OLG wies die Leistungsklage als unbegründet ab, weil der Kläger den Abbruch und Abtransport der Gebäudeteile bisher weder durchgeführt noch beauftragt habe und damit noch keine Kosten entstanden sind.

Erfolgreicher Antrag auf Feststellung

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung sei hingegen zulässig und begründet. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen eines solchen Antrags geht der Senat insbesondere von einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO aus, obwohl der Kläger kein Unternehmen verbindlich mit der Durchführung der Aufräum- und Abrissarbeiten beauftragt hat. Insoweit ist maßgeblich, dass nach Eintritt des Versicherungsfalles die Grundlagen des Anspruchs gegeben sind. Es bedürfe lediglich noch der Beauftragung eines Unternehmens mit der tatsächlichen Durchführung der Arbeiten. Bei der Frage nach der Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses ist nicht entscheidend auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abzustellen. Es genüge, wenn die Grundlagen des Anspruchs nach Eintritt des Versicherungsfalles bereits angelegt sind und es zur Entstehung des Anspruchs nur noch der Beauftragung eines Unternehmens sowie der tatsächlichen Durchführung der Arbeiten bedarf.

Der Kläger verdiene schon in diesem Falle gerichtlichen Schutz in Form der Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Genießen Versicherungsnehmer hingegen keinen gerichtlichen Schutz, hätten diese, die nicht über die erforderlichen Mittel zur Finanzierung des Gebäudeabrisses verfügen, gegen einen Versicherer ansonsten keine Rechtsschutzmöglichkeit. 

Der bedingungsgemäße Versicherungsfall

Einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall stelle der Sturmschaden dar. Infolge des hier unstreitigen Sturms sei das versicherte Gebäude durch dessen unmittelbare Einwirkung beschädigt worden. Eine solche unmittelbare Einwirkung liege vor, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Schadens ist.

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Anspruch auf Leistung auch bei „Reserveursache“ für Schaden

Dem Anspruch des Klägers könne die Beklagte nicht entgegenhalten, dass das versicherte Gebäude bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles so mangelhaft gewesen sei, dass es auch ohne den Sturm eingestürzt wäre und somit generell der Anspruch ausgeschlossen ist. Für das Vorliegen des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Sturm als versicherter Gefahr und dem Schadenseintritt genüge schon eine Mitursächlichkeit, so das Gericht. Danach kann der Versicherer seine Pflicht zur Leistung nicht mit der Begründung verweigern, dass der Schaden an dem Gebäude auch wegen einer „Reserveursache“ entstanden wäre.

Keine Geltung von „Sowieso-Kosten“ im Versicherungsrecht

Offenbleiben kann die Frage, ob entsprechendes auch für den Einwand der Beklagten, dass es sich bei den Abriss- und Aufräumkosten um „Sowieso-Kosten“ handele, gilt. Der Einwand, dass die Kosten im Hinblick auf die Durchführung der Abriss- und Aufräumarbeiten aufgrund der bereits vor dem Versicherungsfall vorhandenen Mängel und der damit verbundenen Einsturzgefahr sowieso entstanden wären, ist im Schadensersatzrecht zu berücksichtigen. Vorliegend geht es ausschließlich um Versicherungsrecht und damit um einen versicherungsvertraglichen Anspruch.

Erforderlich ist lediglich ein direkter Ursachenzusammenhang zwischen Sturm und Gebäudeschaden (Wortlaut: „infolge“). Maßgebend für die Versicherungsbedingungen sei vielmehr die Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers unter Berücksichtigung seines Interesses. Weitergehende Einschränkungen im Hinblick auf die Kausalität gebe es nicht, so das Gericht. § 9 Ziff. 5.4 ABL 2015 beziehe sich nicht auf die schadensersatzrechtliche Regelung des § 249 BGB.

Hinweis für die Praxis

Im Ergebnis überzeugt das Urteil. Zu beachten ist dabei, dass es im Versicherungsrecht stets auf die Details ankommt. Für die Geltendmachung und Durchsetzung des Leistungsanspruchs aus einer Gebäudeversicherung ist zu raten, dass Aufwendungen tatsächlich entstehen. Es genügt nicht, dass es aus Sicht des Versicherungsnehmers zur Entstehung von Kosten im Rahmen Abriss- und Aufräumarbeiten kommen wird. Entstehen die Kosten nicht, wird das Gericht dem Versicherungsnehmer den Leistungsanspruch gegen den Versicherer nicht gewähren. Es verbleibt lediglich bei der Möglichkeit, einen Feststellungsantrag zu stellen. Das erkennende Gericht spricht dabei mittels eines Feststellungsurteils keinen Leistungsbefehl aus. Der Kläger kann danach aus diesem Urteil nicht vollstrecken. Zahlt der Versicherer nun nicht freiwillig auf das Feststellungsurteil, so muss der Versicherte erneut eine Leistungsklage erheben.

Aus diesem Grund sollte jede Leistungsverweigerung einer Versicherung zeitnah juristisch überprüft werden. Gerade bei Leistungsablehnungen von Gebäudeversicherungen sind viele rechtliche Aspekte zu überprüfen und zu beachten. Sinnvoll ist es daher, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, da ansonsten die vertraglich zugesicherten Ansprüche des Versicherten vereitelt werden könnten.

Nachfolgend ist ein Leitartikel zum Thema Gebäudeversicherung zu finden, in welchem stets aktuelle Verfahren, Urteile und Rechtsstreitigkeiten zusammengefasst werden: Fallstricke Gebäudeversicherung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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