Unlauterkeit eines Verabschiedungsschreibens an Kunden (BGH)

Der BGH urteilte am 22.04.2004 (Az. I ZR 303/01) zur Unzulässigkeit eines sogenannten „Abschiedsschreibens“, indem der ausscheidende Handelsvertreter die weitere Zusammenarbeit mit dem Kunden nahelegt.

Der Sachverhalt vor dem BGH

Der beklagte Lohnsteuerhilfeverein kündigte am 30.11.1998 sein Arbeitsverhältnis bei dem klagenden Lohnsteuerhilfeverein. Der ausscheidende Verein verabschiedete sich von den Kunden des Klägers mit einem Kundenschreiben, welches unter dem Briefkopf der Klägerin geführt wurde. Der Beklagte bedankt sich „für das bisherige…Vertrauen“ und fügte seine private Anschrift und seine Telefonnummer in das Schreiben ein. Der Kläger sah hierin das Bezwecken einer unlauteren Abwerbung und verlangte Schadenersatz für die abgewanderten Kunden bzw. Störung des Geschäftsverhältnisses.

Unlauteres Handeln iSd. § 3 UWG?

Der BGH gab dem Kläger recht. Es wurde vom BGH untersucht, ob das Kundenanschreiben ein unlauterer Abwerbungsversuch oder ein zulässiges förmliches Abschiedsschreiben ohne Wettbewerbsintention gewesen sei. Es gelte der Wettbewerbsgrundsatz, dass es keinen Anspruch auf Fortbestand des Kundenstammes gibt. Wettbewerbswidrig wird ein Marktverhalten aber dann, wenn in fremde Vertragsbeziehungen aufgrund von Unlauterkeitsumständen eingebrochen wird.

Der BGH stelle fest, dass das Anschreiben des Beklagten auf die Abwerbung der Kunden zielte. Indem der Beklagte sich für „das bisherige Vertrauen“ bedankt hat, bezweckte der Beklagte dem Kunden eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Beklagten nahezulegen. Diese Annahme bekräftigte sodann der Umstand, dass der Beklagte seine eigenen Kontaktdaten anfügte. Insbesondere spricht für die Unlauterkeit des Handelns, dass die Schreiben unter dem Briefkopf des Klägers verfasst wurden und im Zeitpunkt des Aufsetzens der Beklagte noch in dem Arbeitsverhältnis zum Kläger befand.

Ein Handelsvertreter ist während der gesamten Vertragsdauer zur Loyalität und Rücksichtnahme verpflichtet, in einem gewissen Umfang gilt dies sogar nach dem Ausscheiden. Indem er sich den Bestandskunden gegenüber exponierte und zu einer weiteren Zusammenarbeit nach seinem Ausscheiden anregen wollte, verhielt sich der Beklagte illoyal und lauter. Der Beklagte wurde zum Schadenersatz nach §§ 3, 9 UWG verurteilt.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Im laufenden Geschäftsverhältnis gilt eine strenge Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Dies beinhaltet, dass die kundennahe Stellung keinesfalls zu eigenen Zwecken genutzt werden darf. Die Kontaktmöglichkeit zu ehemaligen Kunden ist häufig Grundlage für wettbewerbsrechtliche Probleme. Sobald der Verdacht einer unzulässigen Konkurrenztätigkeit des ausgeschiedenen Vermittlers besteht, ist Vorsicht geboten. Den Handelsvertretern ist die Konkurrenztätigkeit nach Ausscheiden aus dem Vertreterverhältnis nicht grundsätzlich zu untersagen. Handelsvertreter dürfen Kundendaten verwenden, sofern sie Maßgaben der Rechtsprechung des BGH beachten. Hierzu ist die Kenntnis der rechtlichen Erwägungen des BGH essenziel für die erfolgreiche Vermittlertätigkeit.

Ein weiterführender Artikel zur Abgrenzung von zulässigem gegenüber unzulässigen Wettbewerbsverhalten, sowie weiteren rechtlichen Fragestellungen, ist nachfolgend zu finden: „Der Handelsvertreter und die Kundendaten“ (Die Verwertung von Kundenkontakten nach Ausscheiden des Versicherungsvermittlers – Eine rechtliche Fallstricke).

Handelsvertreter, die sich von ihrem Prinzipal trennen, weil sie zum Beispiel Versicherungsmakler werden wollen, sollten sich zwingend mit den entsprechenden rechtlichen Fallstricken beschäftigen und sich bestenfalls frühzeitig rechtlichen Rat von auf Vertriebsrecht spezialisierten Rechtsanwälten einholen. Gerade auch die Beendigung eines Handelsvertretervertrages birgt viele rechtliche Probleme, mit welchen man sich vor der Trennung vom Prinzipal beschäftigen sollte. Auch Fragen rund um eine etwaige Aufhebungsvereinbarung sowie ein mögliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter sollten auf Vertriebsrecht spezialisiert Rechtsanwälte beantworten.

Für alle Rechtsfragen rund um das Handelsvertreterrecht, Wettbewerbsrecht und Datenschutzrecht stehen die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow gern zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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