Nutzungsmöglichkeit von Kundendaten nach Ausscheiden aus bestehendem Handelsvertreterverhältnis (BGH)

Der BGH urteilte am 28.01.1993 (Az. I ZR 294/90) wegweisend zur Nutzungsmöglichkeit von Kundendaten nach Ausscheiden aus einem bestehenden Handelsvertreterverhältnis. Diese Thematik ist immer noch aktuell und sollte nicht in ihrer Wichtigkeit unterschätzt werden. Viele Handelsvertreter trennen sich im Laufe ihrer Tätigkeit als Versicherungsvermittler von Finanzvertrieben und / oder von Versicherungen und wagen den Weg von der Ausschließlichkeit hin zur Tätigkeit als Versicherungsmakler. Genau in diesem Moment werden die nachfolgenden Problematiken äußerst brisant.

Der Sachverhalt vor dem BGH

Der Kläger war als Handelsvertreter für die Beklagte tätig und vertrieb Wein. Im Handelsvertretervertrag wurde unter der Überschrift „Geschäftsgeheimnisse“ eine Klausel eingefügt, die folgenden abgewandelten Klausel-Inhalt in Ziff. 8 vorsahen:

(1) Die Namen und Kundenanschriften sind Geschäftsgeheimnisse. Der Handelsvertreter erkennt an, dass diese Anschriften nicht außerhalb des Vertreterverhältnisses verwertet werden dürfen.

(2) Der Vertreter darf Kundendaten nur auf firmeneigenen Unterlagen (Auftragsvordruck) anfertigen. Diese Aufzeichnungen sind bei Verlassen des Unternehmens vollständig abzugeben.

(3) Der Handelsvertreter ist zur Zahlung einer Vertragsstrafe i. H. v. 250,- DM verpflichtet, für jede Kundenanschrift, die er nach Vertragsbeendigung zurückbehält.

Das BGH musste so dann bewerten, ob diese Klausel in dem Handelsvertretervertrag wirksam ist und somit den Vertreter zum Unterlassen der Weiterverwertung der Kundendaten verpflichtet.

Zulässigkeit der Weiterverwendung

Wesentliche Rechtsnorm für die Bewertung der Weiterverwendungsmöglichkeit von Kundenanschriften sind die §§ 90, 90a HGB. Ein Versicherungsvermittler darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten. Verstöße hiergegen können vertrag- und wettbewerbsrechtlich in Form von Schadensersatz oder Unterlassungsansprüchen geahndet werden.

Im Zeitpunkt der Urteilsfindung galt noch der alte § 9 AGB-Gesetz, der nunmehr durch den § 307 BGB abgelöst wurde. Die Bewertung, ob die Weiterverwendungsklausel rechtlich zulässig ist, muss anhand von AGB-Recht stattfinden. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist eine Klausel dann unzulässig, wenn sie gegen ein gesetzliches Leitbild verstößt. Der § 90 HGB sieht insbesondere als Leitbild vor, dass es im Wege eines gesunden Leistungswettbewerbs zulässig sein muss, wenn ein ausgeschiedener Vertreter in Konkurrenz zu dem von ihm früher vertretenen Unternehmen tritt. Einen generellen Anspruch auf Erhalt seines Kundenkreises hat der ehemals vertretene Unternehmer nicht. Wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist dieses Konkurrenzverhalten nur dann, wenn es unlauter ist.

Der § 90 HGB sieht seiner Wertung nach die Möglichkeit zur Verwendung von im Gedächtnis gebliebenen Kundendaten („Gedächtnisrechtsprechung“) und vor allem der Fruchtbarmachung von Kunden, die keine dauerhafte Beziehung zum Unternehmer aufgebaut haben, vor. Eine Klausel, die unzulässig die generelle Wieder- und Weiterverwendung von solchen Kundeninformationen untersagt, ist nicht mit § 90 HGB vereinbar und damit rechtlich unzulässig. Ein generelles Verwertungsverbot ist unwirksam.

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Zulässigkeit der Vertragsstrafenvereinbarung

Nach vorheriger Ausführung des BGH sind die Weiterverwertungsverbote grundsätzlich unzulässig. Dies betrifft aber nicht das Vertragsstrafeversprechen, denn AGB-Klauseln können zwar nicht umgedeutet werden, aber die unwirksamen Teile können weggestrichen werden, wenn der übrige Inhalt der Klausel für sich allein genommen wirksam ist.

Die Vertragsstrafe verfolgt einen anderen Zweck, als das Verbot der Verwertung. Der Unternehmer soll selbst die im Wege der Vertreterbeziehung erlangten Kundendaten erhalten. Somit kann sie aufgrund der anderweitigen Zwecksetzung für sich selbst bestehen bleiben. Die Pauschalisierung eines Schadensersatzes für die Nicht-Herausgabe von Kundendaten ist deshalb zulässig, weil die Festsetzung einer Vertragsstrafe infolge von unterbliebener Pflichterfüllung zulässig ist, solange sie nicht unangemessen benachteiligend ist.

Der BGH sah die Klausel als zulässig an, weil das Unternehmen ein erhebliches Interesse daran hat, die Herausgabe der Kundendaten zu erwirken. Der Vertreter ist aufgrund seiner vertraglichen Pflichten zur Herausgabe verpflichtet.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Die nachvertragliche Konkurrenztätigkeit von Handelsvertretern ist ein äußerst konfliktträchtiges Rechtsproblem, denn nicht selten entstehen so dann wettbewerbsrechtliche Probleme. Auf jeden Fall ist den Handelsvertretern die Konkurrenztätigkeit nach Ausscheiden aus dem Vertreterverhältnis nicht grundsätzlich zu untersagen. Auch kann der ausgeschiedene Handelsvertreter Kundendaten – nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH – verwenden. Dies ist aber nicht unbegrenzt zulässig, wie auch weitergehende gerichtliche Entscheidungen bestätigt haben.

Ein weiterführender Artikel zur Abgrenzung von zulässigem gegenüber unzulässigen Wettbewerbsverhalten, sowie weiteren rechtlichen Fragestellungen, ist nachfolgend zu finden: „Der Handelsvertreter und die Kundendaten“ (Die Verwertung von Kundenkontakten nach Ausscheiden des Versicherungsvermittlers – Eine rechtliche Fallstricke).

Handelsvertreter, die sich von ihrem Prinzipal trennen, weil sie zum Beispiel Versicherungsmakler werden wollen, sollten sich zwingend mit den entsprechenden rechtlichen Fallstricken beschäftigen und sich bestenfalls frühzeitig rechtlichen Rat von auf Vertriebsrecht spezialisierten Rechtsanwälten einholen. Gerade auch die Beendigung eines Handelsvertretervertrages birgt viele rechtliche Probleme, mit welchen man sich vor der Trennung vom Prinzipal beschäftigen sollte. Auch Fragen rund um eine etwaige Aufhebungsvereinbarung sowie ein mögliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Handelsvertreter sollten auf Vertriebsrecht spezialisiert Rechtsanwälte beantworten.

Für alle Rechtsfragen rund um das Handelsvertreterrecht, Wettbewerbsrecht und Datenschutzrecht stehen die Rechtsanwälte und Fachanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow gern zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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